Spruch:
Die vertragliche Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug einer Ware durch eine nicht übermäßig lange Zeit bei einer bestimmten
Person ist nicht sittenwidrig.
Entscheidung vom 18. September 1962, 8 Ob 264/62.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Erstrichter gab dem auf Zuhaltung des Vertrages gerichteten Klagebegehren statt. Er stellte im wesentlichen fest: Am 5. Mai 1958 verpflichteten sich die Beklagten, ihren Gesamtbedarf an Kaffee bis zum Ausmaß von 2000 kg sowie ihren Bedarf an Tee bei der Klägerin zu decken und auch den übrigen von der Klägerin geführten Waren, insbesondere Spirituosen, bei gleichen Preisen den Vorzug zu geben. Das vorgesehene Kaffeequantum sollte innerhalb von fünf Jahren abgenommen werden. Am 14. Mai 1958 wurde die Vereinbarung dahin ergänzt, daß die Beklagten ihren Bedarf an Kaffee bis zur vollständigen Abnahme des angeführten Quantums ununterbrochen und ausschließlich bei der Klägerin zu decken haben. Damit im Zusammenhange übernahm es die Klägerin, die den Beklagten auch den üblichen Mengenrabatt von 3% gewährte, für ein von den Beklagten bei einem Kreditinstitut aufgenommenes Darlehen von 60.000 S Zinsen in der Höhe von 5% für einen bestimmten Zeitraum zu zahlen. Die Klägerin leistete aus diesem Gründe den Betrag von 7500 S. Weiter verschaffte die Klägerin den Beklagten in diesem Zusammenhang auch eine Kaffeemaschine zu dem stark ermäßigten Preis von 5000 S, den die Beklagten in Monatsraten von 100 S zinsenfrei abstatten konnten. Die vereinbarte Kaffeemenge entspricht etwa dem fünfjährigen Bedarf der Beklagten. Seit Anfang 1961 bezogen jedoch die Beklagten, die mit einem Konkurrenzunternehmen in Geschäftsbeziehungen traten und die Auflösung des gegenständlichen Vertrages zu erreichen versuchten, nur mehr verhältnismäßig geringe Mengen Kaffee von der Klägerin. Die bis zum Klagstag (4. Juli 1961) bezogene Kaffeemenge beträgt 581 kg. Der Erstrichter beurteilte das Vertragsverhältnis als Dauerschuldverhältnis. Den von den Beklagten erhobenen Einwand der Sittenwidrigkeit hielt er nicht für begrundet.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es teilte nicht die Ansicht der Beklagten, daß das Urteilsbegehren deshalb unbestimmt sei, weil aus ihm nicht zu ersehen sei, in welcher Zeit der Tee und die übrigen Waren von der Klägerin zu beziehen seien. Es könne kein Zweifel bestehen, daß diese Waren während der Vertragsdauer, also bis zur vollständigen Abnahme von 2000 kg Kaffee, zu beziehen seien. Einer ausdrücklichen Anführung dieses Zeitraumes im Urteilsspruch habe es nicht bedurft.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte das Urteil des Berufungsgerichtes mit der Maßgabe, daß das Urteil der ersten Instanz zu lauten hat:
"Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, ab 5. Mai 1958 ihren Gesamtbedarf an Kaffee, Sorten frei nach ihrer Wahl, bis zum Höchstausmaß von 2000 kg - einschließlich aller seit dem genannten Zeitpunkt bereits getätigten Bezüge - und während dieser Zeit auch ihren Gesamtbedarf an Tee bei der Klägerin Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises einzudecken und während dieser Zeit den übrigen von der Klägerin geführten Waren, insbesondere Spirituosen, bei gleichen Preisen den Vorzug zu geben."
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagten versuchen darzutun, daß zwischen der von ihnen übernommenen Verbindlichkeit und der Gegenleistung der Klägerin ein auffallendes Mißverhältnis bestehe. Durch die Ausschließlichkeitsklausel sei ihnen die Möglichkeit genommen, künftigen Geschmacksänderungen der Kunden Rechnung zu tragen. Auch seien sie hinsichtlich der Qualität und des Preises der Klägerin ausgeliefert.
Soweit die Beklagten davon ausgehen, daß die Gegenleistung der Klägerin sich in der Gewährung des handelsüblichen Rabattes erschöpfe, legen sie ihren Ausführungen nicht den festgestellten Sachverhalt zugrunde. Das Erstgericht hat festgestellt, daß den Beklagten der handelsübliche Mengenrabatt von 3% neben den sonstigen Leistungen gewährt wurde. Warum die Tatsache, daß den Beklagten eine Kaffeemaschine zu einem verbilligten Preis und zu günstigen Zahlungsbedingungen geliefert wurde, außer Betracht zu bleiben habe, ist nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen steht die Lieferung der Kaffeemaschine im Zusammenhang mit den gegenständlichen Abmachungen. Den Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die Ausschließlichkeitsklausel nach der Sachlage eine drückende Verpflichtung darstelle. Daß die Qualität des von der Klägerin gelieferten Kaffees schlecht oder der Preis überhöht sei, wurde gar nicht behauptet. Die Ausführungen in der Revision, daß die Annahme des Berufungsgerichtes, den Kaffeehausbesuchern komme es nicht auf eine bestimmte Kaffeemarke an, auf den überwiegenden Teil der Kunden nicht zutreffe, sind durch die Feststellungen der Vorinstanzen nicht gedeckt. Daß die Beklagten mit einem nennenswerten Geschäftsentgang aus diesem Gründe zu rechnen hätten, ist nicht hervorgekommen. Ein auffallendes Mißverständnis zwischen Leistung und Gegenleistung zum Nachteil der Beklagten haben daher die Vorinstanzen mit Recht nicht angenommen. Daß die Beschränkung der Freizügigkeit im Warenbezug übermäßig lange andauere, behaupten die Beklagten selbst nicht. Es kann dies auch nicht gesagt werden, weil die Beklagten, wenn sie ihren Verpflichtungen ununterbrochen nachgekommen wären, nur etwa fünf Jahre gebunden gewesen wären.
Unzutreffend sind die Ausführungen der Beklagten auch insoweit, als mit ihnen dargetan werden soll, daß es sich hinsichtlich des vereinbarten Bezuges von Kaffee nicht um ein Dauerschuldverhältnis, sondern um ein sogenanntes Wiederkehrschuldverhältnis handle, auf das die Bestimmung des § 406 ZPO. anzuwenden sei. Bei Wiederkehrschuldverhältnissen sind die einzelnen Leistungen selbständige Leistungen (vgl. SZ. XXIV 168). Bei dem fortlaufenden Bezug von Kaffee bis zum Ausmaß von 2000 kg handelt es sich aber nicht um selbständige Leistungen in diesem Sinne, sondern um Teilleistungen auf Rechnung der Gesamtschuld. Gegen die Beurteilung des Rechtsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis verschlägt es auch nicht, daß im Schlußbrief vom 5. Mai 1958 von einem Kauf die Rede ist, sowie davon, daß eine bestimmte Kaffeemenge und die Zeit, in der diese zu beziehen ist, angeführt ist. Denn dadurch wird nichts daran geändert, daß die Beklagten die Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug von Ware der Klägerin innerhalb eines gewissen Zeitraumes auf sich genommen haben, d. h. sich verpflichtet haben, den Bezug anderer Waren zu unterlassen. Solche Bezugsverpflichtungen, wie die aus Bierbezugsverträgen, wurden in der Rechtsprechung als Dauerschuldverhältnisse behandelt (SZ. XXXII 133, JBl. 1956 S. 617, SZ. XIII 113, auch bez.
Unterlassungsansprüchen überhaupt SZ. XXIV 168). Auf Klagen, welche die Zuhaltung solcher Bezugsverträge zum Gegenstand haben, ist nach der herrschenden Rechtsprechung die Bestimmung des § 406 ZPO. nicht anwendbar (vgl. SZ. XXIV 168, EvBl. 1961 Nr. 230). Ist aber davon auszugehen, daß mit der Klage lediglich die Zuhaltung des Vertrages begehrt wird, dann kann auch nicht gesagt werden, daß deshalb, weil im Urteilsspruch auf die bereits erbrachten Leistungen kein Bedacht genommen wurde, der Klägerin mehr zugesprochen worden sei als das, worauf sie Anspruch hat, oder daß ihr etwas zugesprochen worden sei, was noch gar nicht fällig ist. Der Urteilsspruch wurde in dieser Hinsicht noch verdeutlicht.
Was allerdings die Dauer der Bezugsverpflichtung anlangt, so ist es richtig, daß diese nicht schon aus dem Spruch des Urteiles der ersten Instanz eindeutig zu ersehen ist. Es bedürfte vielmehr in diesem Belange der Heranziehung der Entscheidungsgründe. Das angefochtene Urteil wurde daher mit der Maßgabe bestätigt, daß die Dauer der Verbindlichkeit im Urteilsspruche ausdrücklich angeführt wurde.
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