Normen
Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen §41
ABGB §879
Allgemeine Österreichische Spediteurbedingungen §41
ABGB §879
Spruch:
Kein Haftungsausschluß durch Spediteurbedingungen bei grober Fahrlässigkeit.
Entscheidung vom 22. Oktober 1968, 8 Ob 254/68.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung des (eingeschränkten) Betrages von 279.350 S s. A. mit der Begründung, die Beklagte habe 14 bei ihr zur ausschließlichen und unwiderruflichen Verfügung durch den Kläger eingelagerte Ballen Gewebe ohne Wissen und Zustimmung des Klägers an die Firma Dr. M. & Co. KG. ausgefolgt.
Die Beklagte hat zugegeben, daß die 14 Ballen Gewebe bei ihr zur ausschließlichen Verfügung des Klägers auf Grund einer Vereinbarung vom 8. Mai 1963 eingelagert gewesen seien und daß die Beklagte die 14 Ballen Gewebe am 8. Juli 1964 an die Firma Dr. M. & Co. KG. ausgefolgt habe.
Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen und ist hiebei von folgenden weiteren Feststellungen ausgegangen: Der Kläger sei mit der weiteren Lagerung der Gewebeballen bei der Beklagten einverstanden gewesen. Die Beklagte habe für die bei ihr eingelagerten insgesamt 18 Ballen Gewebe mit dem für solche Lagergeschäfte am 18. Jänner 1963 höchstmöglichen Versicherungswert von 200.000 S eine Speditionsversicherung gemäß dem die Anlage zu den §§ 39 bis 42 AÖSp. bildenden Speditionsversicherungsschein (SVS.) abgeschlossen. Die einzige Schadensmeldung, die an das Versicherungsbüro Dr. F. gelangt sei, sei am 28. November 1967 vom Angestellten der Beklagten Dr. L. zuerst mündlich vorgebracht und dann am gleichen Tage schriftlich in Form der Mitteilung erstattet worden, daß die Beklagte wegen Fehlausfolgung auf Zahlung von 379.350 S (d. i. die ursprüngliche Klagssumme) geklagt worden sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Versicherung decke auch Ansprüche, die der Versicherte nicht auf einen Verkehrsvertrag, sondern auf eine unerlaubte Handlung stützte, sofern diese Ansprüche mit einem mit dem Spediteur abgeschlossenen Speditionsvertrag unmittelbar zusammenhingen, und es sei durch die Versicherung auch der Schaden mitversichert, der durch den Vorsatz des Spediteurs, seiner gesetzlichen Vertreter, Angestellten oder Erfüllungsgehilfen herbeigeführt werde. Die Beklagte sei daher von der Haftung für den Schaden, der dem Kläger durch die weisungswidrige Ausfolgung der 14 Ballen Gewebe am 8. Juli 1964 an die Firma Dr. M. & Co. KG. zugefügt worden sei, befreit. Die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp.) samt Anlage 1 (Speditionsversicherungsschein) hätten bei dem Verkehrsvertrag (Einlagerung der Gewebeballen) zwischen der Firma Dr. M. & Co. KG. und der Beklagten als vereinbart zu gelten, weil von der genannten Firma als österreichischer Handelsgesellschaft das Wissen vorauszusetzen sei, daß die österreichischen Spediteure ausschließlich auf Grund der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen arbeiten. Diese Vereinbarung müsse auch der Kläger gegen sich gelten lassen, der sein Verfügungsrecht über die 18 Ballen Gewebe gegenüber der Beklagten aus dem Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma Dr. M. & Co. KG. ableite und mit der weiteren Lagerung des Gutes bei der Beklagten einverstanden gewesen sei.
Das Berufungsgericht hat das Ersturteil unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes aufgehoben und in rechtlicher Hinsicht ausgeführt: Die Beklagte hafte dem Kläger, der sich auf den zwischen der Beklagten und der Firma Dr. M. & Co. KG. abgeschlossenen Speditionsvertrag berufe, nur insoweit nach den Bestimmungen der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen, als die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Spediteur in Anspruch genommen werden könne. In dem Auftrag der Firma Dr. M. & Co., die von dieser eingelagerten 14 Ballen Gewebe zur ausschließlichen und unwiderruflichen Verfügung des Klägers zu stellen, sei insbesondere auch das Verbot des Auftraggebers enthalten gewesen, die bezeichnete Ware ohne Zustimmung des Klägers an irgendeine andere Person auszufolgen. Der Fall, daß ein Spediteur, wie hier, gegen den erklärten Willen des Auftraggebers, insbesondere gegen ein von diesem ausgesprochenes Verbot handle und mit dem ihm übergebenen Gut nach seiner Willkür verfahre, werde durch die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen keineswegs gedeckt. Die gegen das ausdrückliche Verbot des Auftraggebers gerichtete Handlung der Beklagten stehe in keinem Zusammenhang mit dem Speditionsauftrag selbst, weshalb sich die Beklagte auch nicht auf die Haftungsbeschränkungen der allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen und der Speditionsversicherung, bzw. deren Haftungsausschlüsse berufen könne. Es seien daher nur die einschlägigen Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches zur Entscheidung des Rechtsstreites heranzuziehen. Hiezu lägen aber keine tatsächlichen Feststellungen vor. Ebenso habe das Erstgericht keine Feststellungen in der Richtung der von der Beklagten eingewendeten Verjährung nach § 1489 ABGB. getroffen.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hob den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Ausführungen des Rekurses, mit denen die Beklagte darzutun versucht, daß bei dem zwischen der Firma Dr. M. & Co. KG. und der Beklagten abgeschlossenen Verkehrsvertrag (Lagerauftrag) die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen als vereinbart zu gelten hätten und daß daher der Kläger als Zessionar der Firma Dr. M. & Co. KG. ebenfalls nur Rechte auf Grund der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen geltend machen könne, gehen ins Leere. Denn auch das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, daß die Haftung der Beklagten grundsätzlich zunächst nach den Bestimmungen der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen zu beurteilen sei, es hat nur das Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausschluß dieser Haftung nach § 41a AÖSp. verneint, da der geltend gemachte Anspruch nicht mit dem Verkehrsvertrag unmittelbar zusammenhänge, die Versicherung daher den Anspruch nicht decke (§ 3
(2) SVS.). Diese Ansicht wird von der Beklagten im Rekurs mit Recht bekämpft. Die Beklagte hat nach der Aktenlage zunächst 18 Ballen Gewebe von der Firma Dr. M. & Co. KG. zur Einlagerung übernommen. Sie hat dann von der Firma Dr. M. & Co. den Auftrag erhalten, diese 18 Ballen zur ausschließlichen und unwiderruflichen Verfügung des Klägers zu halten. Vier Ballen sind mit Zustimmung des Klägers, 14 Ballen ohne dessen Zustimmung an die Firma Dr. M. & Co. KG. ausgefolgt worden. Die Verpflichtung der Beklagten aus dem Geschäft mit der Firma Dr. M. & Co., bzw. aus dem von der Beklagten angenommenen Auftrag dieser Firma bestand somit in der Lagerung (Aufbewahrung) und Rückstellung des Lagergutes. Die Rückstellungspflicht ist ein wesentliches Merkmal des Lagergeschäftes. Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe, bzw. auf Schadenersatz infolge der durch Nichtbefolgung der erwähnten Weisung seitens der Beklagten verursachten Unmöglichkeit der Herausgabe, hängt daher mit dem zwischen der Firma Dr. M. & Co. KG. und der Beklagten geschlossenen Verkehrsvertrag unmittelbar zusammen. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 2 Ob 244/54 = SZ. XXVII 90 = JBl. 1954 S. 489, auf die sich das Berufungsgericht stützt, kann zur Begründung des Standpunktes des Berufungsgerichtes nicht herangezogen werden. In diesem Falle hatte die dort beklagte Partei nach dem Verbleib einer Sendung zu forschen und die Beteiligten von der Ankunft der Sendung umgehend zu benachrichtigen; sie hat diesen Auftrag ausgeführt, war aber weitergegangen und hat, ungeachtet eines ausdrücklichen Verbotes, das Gut dem Empfänger zugestreift. Hiebei war das Gut beschädigt worden. Der Fall erscheint somit etwas anders gelagert, denn der Schaden steht nicht in einem so unmittelbaren Zusammenhang mit der Vertragserfüllung wie im gegenständlichen Fall. Ähnlich ist es bei dem Fall, der der Entscheidung SZ. XXI 88 zugrunde lag, in dem der Schaden am eingelagerten Gut durch einen aus Verschulden des Lagerhalters, bzw. dessen Angestellten, ausgebrochenen Brand entstanden ist.
Trotz Anwendung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen auf den vorliegenden Fall, wäre die Beklagte dem Kläger doch nach den Vorschriften des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches haftbar, wenn sie dem Kläger einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig zugefügt hätte. Denn der Anspruch auf Ersatz für eine absichtliche Schadenszufügung kann durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden (SZ. XXXI 57). Das gleiche gilt für eine grob fahrlässige Schadenszufügung (SZ. XXXVI 38). Feststellungen, die eine Beurteilung zuließen, ob die weisungswidrige Ausfolgung der 14 Ballen an die Firma Dr. M. & Co. KG. vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte, sind von den Untergerichten nicht getroffen worden, sodaß hiezu vorläufig keine Stellung genommen werden kann.
Aus all dem ergibt sich, daß die Begründung des Berufungsgerichtes, mit der dieses die Anwendung der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen auf den vorliegenden Fall abgelehnt und eine Haftung der Beklagten nach den Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches als gegeben erachtet hat, nicht stichhältig sind, wenn es auch zutrifft, daß für den Fall der Haftung des Beklagten wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schädigung des Klägers nach diesen Bestimmungen auf die Einwendung der Verjährung Bedacht genommen werden müßte.
Da jedoch der Kläger in der Berufung die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 AÖSp. auch mit dem Berufungsgrunde der unrichtigen Beweiswürdigung bekämpft und sich das Berufungsgericht damit nicht befaßt hat, war der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Hiebei wird das Berufungsgericht, falls es zu dem Ergebnis kommen sollte, daß die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen anzuwenden sind, auch auf deren § 64 Bedacht zu nehmen haben.
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