OGH 8Ob251/74

OGH8Ob251/7421.1.1975

SZ 48/3

Normen

Bundesstraßengesetz 1971 §20 Abs4
EisbEG §1
EisbEG §35 Abs1
JN §1
Bundesstraßengesetz 1971 §20 Abs4
EisbEG §1
EisbEG §35 Abs1
JN §1

 

Spruch:

Mit der Rechtskraft des Enteignungsbescheides und mit der Bezahlung oder Sicherstellung der von der Verwaltungsbehörde festgesetzten Entschädigung erlangt der durch die Enteignung Berechtigte einen vollstreckbaren Anspruch auf Einweisung in den Besitz der enteigneten Liegenschaft

Der zwangsweise Vollzug eines rechtskräftigen Enteignungsbescheides gegen den Enteigneten obliegt der Verwaltungsbehörde

Einer Klage des Berechtigten gegen den Enteigneten auf Räumung der enteigneten Liegenschaft auf Grund des rechtskräftigen Enteignungsbescheides und der Zahlung der Entschädigungssumme steht die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen

OGH 21. Jänner 1975, 8 Ob 251/74 (LG Salzburg 32 R 400/74; BG Tamsweg C 105/74 )

Text

Die klagende Partei - die Tauernautobahn AG - begehrt nach teilweiser Einschränkung des Klagebegehrens von der Beklagten Räumung der Liegenschaft EZ 81 KG Z Parzelle 42 sowie Haus Z Nr. 47. Sie brachte vor, sie sei auf Grund des rechtskräftigen Enteignungsbescheides des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 31. August 1972 Eigentümerin der Liegenschaft EZ 81 KG Z. Die im Enteignungsbescheid festgestellte Entschädigung von 108.985 S sei an die Beklagte überwiesen worden. Die Beklagte weigere sich, die Liegenschaft zu räumen.

Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage und wendete ein, die Klägerin sei zur Räumungsklage nicht aktiv legitimiert. Eigentümerin des enteigneten Grundstückes wäre die Republik Österreich, die die Klägerin zur Räumungsklage nicht ermächtigt habe. Aber auch die Republik Österreich sei noch nicht Eigentümerin der enteigneten Liegenschaft, da die Entschädigung noch nicht bezahlt worden sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt.

Die Untergerichte gingen von folgendem Sachverhalt aus:

Mit dem Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 31. August 1972 wurden Teile der Parzelle 248 und die Bauparzelle 42 mit dem Wohn- und Wirtschaftsgebäude Haus Nr. 47 der der Beklagten gehörigen Liegenschaft EZ 81 KG Z enteignet. Dieser Bescheid ist rechtskräftig. Die Enteignungsentschädigung wurde im Enteignungsbescheid mit 108.985 S festgestellt. Die Beklagte begehrte jedoch beim Bezirksgericht Tamsweg die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung. Am 17. April 1973 wurde gemäß § 20 EisenbEntG die Enteignung im Grundbuche angemerkt. Am 3. November 1972 überwies die klagende Partei im Wege der AVA-Bank in Wien die Entschädigungssumme von 108.985 S an die Beklagte auf ein Durchlauferkonto bei der Raiffeisenkasse Z. Die Raiffeisenkasse unterrichtete mit einer Verständigungskarte, auf der der überwiesene Betrag und dessen Überweiser vermerkt waren, die Beklagte vom Einlangen des Geldbetrages. Diese erklärte dem Geschäftsführer der Raiffeisenkasse Z, daß sie das Geld nicht annehme, daß es aber auch nicht zurückgeschickt werden solle. Der Geldbetrag erliegt nach wie vor auf dem Durchlauferkonto der genannten Raiffeisenkasse. Die Beklagte wußte, daß es sich bei dem überwiesenen Geldbetrag um die Enteignungsentschädigung handelte. Sie wollte den Betrag nicht annehmen, weil sie mit dessen Höhe nicht einverstanden war.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, nach dem Tauernautobahn-Finanzierungsgesetz vom 6. März 1969, BGBl. 115/69, sei die klagende Partei ein selbständiger Rechtsträger, der die für die Herstellung und Erhaltung der Tauernautobahn-Scheitelstrecke notwendigen Grundflächen für den Bund zu erwerben habe. Im Verwaltungsverfahren über die Enteignung von Grundstücken stehe der Klägerin das Antragsrecht zu. Sie sei daher auch berechtigt, in diesem Rahmen im eigenen Namen Klagen zur Durchsetzung des Eigentumsrechtes einzubringen. Der rechtskräftige Enteignungsbescheid stelle einen Titel für den Erwerb des Eigentums dar, der die Klägerin zur Erhebung der Räumungsklage berechtige. Darauf, ob die Entschädigungssumme bezahlt sei oder nicht und ob die Beklagte die Entschädigungssumme angenommen habe oder nicht, komme es nicht an. Die Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme sei nur von Bedeutung für die Vornahme von Besitzhandlungen vor der rechtskräftigen Enteignung. Nach der Rechtskraft des Enteignungsbescheides könne die Klägerin alle Handlungen auf dem enteigneten Grundstück vornehmen, die einem Eigentümer zustehen.

Das Berufungsgericht billigte die Ansicht des Erstgerichtes über die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie sei nach dem Tauernautobahn-Finanzierungsgesetz als Treuhänderin der Republik Österreich anzusehen und als solche wirkliche Eigentümerin des Treugutes. Sie sei daher zur Durchsetzung der ihr übertragenen Aufgabe nicht nur berechtigt, die erforderlichen Schritte im Verwaltungsverfahren, sondern auch vor den Gerichten zu ergreifen. Die Bestimmungen des § 35 EisbEG 1954 stunden der Räumungsklage nicht entgegen, da die Klägerin den Vollzug der Enteignung bei der Verwaltungsbehörde erst begehren könne, wenn der Räumungsklage stattgegeben würde. Die Klage sei als publizianische Klage im Sinne des § 372 ABGB zu beurteilen. Die Klägerin habe mit dem Enteignungsbescheid den gültigen Titel und die echte Art, wodurch sie zu ihrem Besitz gelangt sei, nachgewiesen. Es komme daher gar nicht darauf an, ob die Klägerin schon Eigentum an den enteigneten Grundstücken erlangt habe und ob der Beklagten die Entschädigungssumme zugekommen sei. Im übrigen sei der Beklagten der Entschädigungsbetrag auf ein Durchlauferkonto bei der Raiffeisenkasse Z, somit in einer verkehrsüblichen Weise, überwiesen worden. Da sie sich weigere, den Betrag anzunehmen, befinde sie sich im Annahmeverzug. Ungeachtet ihrer Weigerung, den Betrag anzunehmen, habe sie auch erklärt, daß der Betrag nicht an die Klägerin zurückgesendet werden soll. Er stehe ihr daher weiterhin zur Verfügung.

Der Oberste Gerichtshof hob aus Anlaß der Revision der Beklagten die Urteile der Untergerichte und das der Urteilsfällung vorangegangene Verfahren von der Zustellung der Klage an als nichtig auf und wies die Klage zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Aus Anlaß der Revision war zunächst von Amts wegen die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges für die vorliegende Räumungsklage zu prüfen (§ 42 Abs. 1 JN, § 240 Abs. 3 ZPO). Da die Untergerichte diese Frage überhaupt nicht zum Gegenstand einer Überprüfung gemacht haben, steht deren Überprüfung durch den OGH keine bindende Entscheidung der Untergerichte entgegen (vgl. JB 63 neu = SZ 28/265). Für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsweges ist die Natur des geltend gemachten Anspruches nach dem Inhalte des Klagebegehrens und des Klagssachverhaltes maßgebend (vgl. SZ 44/165 u. a.). Die Klägerin stützt den Räumungsanspruch auf den rechtskräftigen Enteignungsbescheid und auf die Zahlung der von der Verwaltungsbehörde festgestellten Entschädigung an die Beklagte. Nach § 1 Abs. 2 Tauernautobahn-Finanzierungsgesetz vom 6. März 1969, BGBl. 115/69, gelten für die Enteignung der zur Herstellung der Tauernautobahn- Scheitelstrecke notwendigen Grundstücke die Bestimmungen der §§ 12 bis 15 des BStG 1948 (nunmehr §§ 17 bis 20 BStG 1971). Da das Bundesstraßengesetz keine Bestimmungen über den Vollzug der Enteignung enthält, finden gemäß Art. 13 VEG vom 21. Juli 1925, BGBl. 277, subsidiär die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 über den Vollzug der Enteignung Anwendung. Nach § 35 Abs. 1 dieses Gesetzes steht der zwangsweise Vollzug der Enteignung, der einen rechtskräftigen Enteignungsbescheid und die Leistung oder Sicherstellung der Entschädigung voraussetzt, der Bezirksverwaltungsbehörde zu. Dieser Vollzug besteht in der zwangsweisen Einweisung des Enteigners in den Besitz der enteigneten Grundstücke (vgl. § 35 Abs. 1 erster Satz EisbEG) und deren Übergabe an den Enteigner (vgl. Wegan, ÖJZ 1961, 595). Der zwangsfreie Vollzug der Enteignung gegen den Enteigneten ist somit auf Grund der ausdrücklichen Regelung des § 35 Abs. 1 EisbEG der Kompetenz der Verwaltungsbehörde zugewiesen. Diese Bestimmung enthält eine ähnliche Regelung wie § 156 Abs. 2 EO für die zwangsweise Übergabe der versteigerten Liegenschaft an den Ersteher, die die Rechtskraft des Zuschlages und die vollständige Bezahlung des Meistbotes voraussetzt. Nach Erfüllung dieser Bedingungen hat der Ersteher bereits einen vollstreckbaren Anspruch auf Übergabe der Liegenschaft, der nach der Exekutionsordnung zu vollziehen ist, so daß der Räumungsklage die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegensteht (vgl. Heller - Berger - Stix II, 1254; SZ 8/252 u. a.). Auch der Enteigner - d. i. der Unternehmer, der die Enteignung betreibt (vgl. Ehrenzweig, I/2, 226) - erlangt bereits mit der Rechtskraft des Enteignungsbescheides und mit der Bezahlung oder Sicherstellung der von der Verwaltungsbehörde festgesetzten Entschädigung (§ 20 Abs. 4 BStG) einen vollstreckbaren Anspruch auf Einweisung in den Besitz der enteigneten Liegenschaft. Obliegt aber auf Grund der ausdrücklichen Bestimmung des § 35 Abs. 1 EisbEG der zwangsweise Vollzug dieses Anspruches der Verwaltungsbehörde, dann kann der Enteigner nur von dieser die zwangsweise Übergabe der enteigneten Liegenschaft verlangen (vgl. Klang II, 203; Ehrenzweig I/2, 229). Einer Klage des Enteigners gegen den Enteigneten, die die zwangsweise Räumung der enteigneten Liegenschaft auf Grund des rechtskräftigen Enteignungsbescheides und der Zahlung der Entschädigungssumme anstrebt, steht daher die Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen. Der Ansicht Jeschs ÖJZ 1969, 388, daß neben dem zwangsweisen Vollzug der Enteignung noch die Möglichkeit einer gerichtlichen Exekution auf Grund eines durch Klage zu erwirkenden gerichtlichen Exekutionstitels bestehe, kann sich der OGH nicht anschließen, da für die Frage, ob für die Vollstreckung der Gerichts- oder der Verwaltungsweg einzuschlagen ist, grundsätzlich die positivrechtliche Gestaltung der Zwangsvollstreckung maßgebend ist (vgl. Merkl, Allgemeines Verwaltungsrecht, 282).

Damit erweist sich der Rechtsweg für die vorliegende Räumungsklage des Enteigners gegen die Enteignete, die auf die rechtskräftige Enteignung und die Zahlung der Entschädigungssumme gestützt wird, als unzulässig.

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