OGH 8Ob215/76

OGH8Ob215/767.12.1976

SZ 49/154

Normen

ABGB §1295
ABGB §1295

 

Spruch:

Verkehrssicherungspflicht des Leiters einer motorsportlichen Veranstaltung

Die Übernahme des Sportveranstaltungen inhärenten Risikos durch die Teilnehmer entbindet den verantwortlichen Leiter nicht seiner Verpflichtung, zumutbare Sicherungsmaßnahmen zum Schutze der Zuschauer zu ergreifen

Die Bestimmungen über den Pflichtenkreis des Rennleiters im "Internationalen Automobil-Sportgesetz" der FIA stellen zwar keine Rechtsnormen dar, sondern nur ein Reglement für den Kraftfahrzeugsport, können aber für die Beurteilung der Sorgfaltspflicht eines Rennleiters herangezogen werden

OGH 7. Dezember 1976, 8 Ob 215/76 (OLG Wien 10 R 74/76; KG Krems/Donau 13 Cg 151/73)

Text

Am 10. Juni 1967 fand unter der Leitung des Beklagten auf einem 7 km langen, teils über die Bundesstraße 218, über die Landesstraße 8254 und über nicht öffentliche Straßen des Truppenübungsplatzes Allentsteig führenden Rundkurs ein vom Österreichischen Automobil-Sport-Club veranstalteter Rallyekurs statt. Als sich der Kursteilnehmer G U um zirka 10.45 Uhr beim Befahren des Rundkurses auf der Bundesstraße 218 der Kreuzung mit der Landesstraße 8254 näherte, um in diese nach links einzubiegen, liefen mehrere Personen, die um den an der Kurvenaußenseite neben seinem PKW stehenden Beklagten herumstanden, nach verschiedenen Richtungen auseinander, wobei einige die Fahrbahn der Landesstraße 8254 querten, in die G U einbiegen wollte. Dieser setzte deshalb sein Einbiegemanöver nicht fort, sondern fuhr nach rechts auf der Bundesstraße 218 weiter und stieß den in einer Lücke zwischen dem PKW des Beklagten und einem Gendarmeriepatrouillenfahrzeug stehenden Kläger nieder.

Der Kläger begehrt - nach rechtskräftiger Abweisung eines Teilbetrages von 540 S im ersten Rechtsgang - noch Ersatz eines Schadens von 50 340.40 S. Er macht geltend, der Beklagte habe als Leiter des Rallyekurses eine gefährliche Situation dadurch geschaffen, daß er seinen PKW an der Kurvenaußenseite der obangeführten Kreuzung aufgestellt und dort das Herumstehen von Kursteilnehmern um ihn geduldet habe. Dadurch habe es geschehen können, daß bei der Annäherung des von G U gelenkten Fahrzeuges herumstehende Kursteilnehmer über die Straße gelaufen seien und U zu einem Ausweichmanöver gezwungen hätten.

Der Beklagte wendete ein, durch den von ihm gewählten Standort seines PKWs sei G U in keiner Weise behindert worden. Dieser sei auch nicht durch das Verhalten von Lehrgangsteilnehmern zu einem Ausweichmanöver veranlaßt worden. Das Verschulden treffe G U, der die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren habe. Seine Haftung sei auch ausgeschlossen, weil er dem Kläger gegenüber Betriebsaufseher im Sinne des § 334 ASVG sei, als solcher nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit hafte, beides hier aber auch nicht gegeben sei. Er habe die Lehrgangsteilnehmer auch angewiesen, die Bundesstraße 218 nicht rennmäßig zu befahren und jeweils an der Landesstraße 8245 neu zu starten, so daß sich durch die Aufstellung seines PKWs keine Gefahr für die Teilnehmer oder sonstige anwesende Personen ergeben habe. Den Kläger treffe ein 50%iges Mitverschulden, weil er verspätet auf das Herannahen des PKWs des U reagiert habe.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht der Klage statt.

Die Untergerichte gingen im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der unter der Leitung des Beklagten stehende Rallyefahrer-Lehrgang umfaßte Vorträge über Theorie sowie praktische Übungen. An dem Kurs nahmen nur ausgesuchte, ambitionierte Fahrer teil, die vom ÖASC eingeladen wurden, keinesfalls Anfänger. Als Beginn und Endpunkt des Rundkurses galt die Kreuzung der Bundesstraße 218 mit der Landesstraße 8254. Die Bezirkshauptmannschaft Zwettl verfügte mit Bescheid vom 8. Juni 1967 die Sperre der Bundesstraße 218 im fraglichen Bereich am 10. Juni 1967 für die Zeit von 9 bis 11 Uhr, von 13 bis 16 Uhr und von 20 bis 24 Uhr, sowie am 11. Juni 1967 von 10 bis 12 Uhr. Eine Ausfertigung des Bescheides wurde dem Gendarmeriepostenkommando Allentsteig übermittelt, dessen Kommandant der Kläger war. Die Bundesstraße 218 verläuft im Kreuzungsbereich annähernd von Nordwesten nach Südosten, weist allerdings eine langgezogene Rechtskurve in Richtung Ottenstein auf. Diese Rechtskurve beginnt 20 m vor Beginn des Einmundungstrichters der Landesstraße 8254 und bedingt einen Fahrbahnrichtungswechsel von zirka 45 Grad. Vor dem Scheitelpunkt der Kurve an einer Stelle, am der die Richtungsänderung erst 15 Grad beträgt, zweigt die Landesstraße 8254 nach Nordosten ab. Gegenüber dieser Abzweigung beginnt ein Privatweg. Die Bundesstraße ist vor der Einmundung der Landesstraße 4.2 m breit und asphaltiert. Sie weist in Richtung Ottenstein ein Längsgefälle von 3% auf. Im Bereich der Kreuzung besteht ein Quergefälle von 4% zum Kurveninnenrand. Der Einmundungstrichter der Landesstraße ist 18 m breit und zur Gänze asphaltiert. Im weiteren Verlauf war die Landesstraße eine Sandstraße. Vom Standort des Beklagten am südöstlichen Rand des Einmundungstrichters besteht freie Sicht auf die Bundesstraße in Richtung Döllersheim über 300 m. Die Sicht für einen PKW-Lenker in die Landesstraße 8254 Richtung Franzen ist von der Bundesstraße her durch eine Kapelle und eine bis zirka 1.8 m hohe Böschung, beides nördlich der Fahrbahn, so eingeschränkt, daß die Landesstraße 25 m vor der Mitte des Einmundungstrichters nur 10 m eingesehen werden kann. Am 10. Juni 1967 herrschte zur Unfallszeit keine witterungsbedingte Sichtbehinderung. Die Asphaltfahrbahn war naß. Die Kurvengrenzgeschwindigkeit für eine Fahrt von der Bundesstraße in die Landesstraße lag unter diesen Bedingungen bei 65 km/h. Dabei ist davon auszugehen, daß die Kurve bei einem Rennen auf gesperrter Straße anders gefahren wird, als im normalen Straßenverkehr. Die erwähnte Grenzgeschwindigkeit ist dann erzielbar, wenn der Rennfahrer von einer Fahrlinie nahe dem rechten Fahrbahnrand unter Erzielung des größtmöglichen Radius den Kurvenscheitelpunkt ansteuert und die Richtungsänderung im Kurvenauslauf wieder nahe dem rechten Fahrbahnrand beendet. Durch dieses "Kurvenschneiden" wird eine wesentliche Vergrößerung des Radius der Fahrlinie und damit eine Vergrößerung der möglichen Kurvengrenzgeschwindigkeit erzielt. Am Vormittag des 10. Juni 1967 war von 9 bis 11 Uhr im Programm des Lehrganges das "Anlegen eines Gebetbuches in der Praxis" vorgesehen. Darunter ist die Herstellung einer genauen Aufzeichnung der Rallyestrecke durch die einzelnen Teilnehmer und Beifahrer zu verstehen. Zu diesem Zwecke sollten die Teilnehmer die Strecke mehrmals langsam abfahren, zunächst um die Aufzeichnung vorzunehmen, sodann um sie zu kontrollieren und erforderlichenfalls zu vervollkommnen. Ein ausgesprochen rennmäßiges Fahren war an diesem Vormittag im Programm nicht vorgesehen. Den Teilnehmern war aber die Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit nicht auferlegt. Es wurden nach Anlegung des "Gebetbuches" Vergleiche zwischen den einzelnen Teilnehmern und dem Beklagten hinsichtlich der Zeit und der Geschwindigkeit vorgenommen. Tatsächlich wurde der Rundkurs, nachdem die Teilnehmer ihr "Gebetbuch" angelegt hatten, bei den weiteren Runden von der Mehrzahl der Teilnehmer rennmäßig mit höheren Geschwindigkeiten gefahren. Mit Rücksicht auf die Sperre der Bundesstraße hielt sich auch kein Teilnehmer an die Straßenverkehrsordnung. All dies gilt auch für die Kreuzung der Bundesstraße mit der Landesstraße, an der die Teilnehmer nicht nach jeder Runde anhalten mußten, sondern sofort eine weitere Runde anschließen durften und vielfach auch tatsächlich anschlossen, zumal sie in der Trainingszeit so oft fahren durften, als sie wollten. Es war den Teilnehmern nicht aufgetragen worden, die Bundesstraße nicht rennmäßig zu befahren. Es wurde ihnen dies vom Beklagten und anderen Funktionären auch nicht abgestellt. Ebensowenig war angeordnet worden, an der Kreuzung nach jeder Runde stehenzubleiben, in der Landesstraße neu zu starten und sich vor 11 Uhr an der Kreuzung zu sammeln. Der Beklagte fuhr am Beginn des Vormittagsprogrammes mit seinem Beifahrer selbst einmal den Rundkurs ab und legte ein "Mustergebetbuch" an. Dann stellte er seinen PKW BMW im östlichen Teil des Einmundungstrichters der Landesstraße ab. Er beobachtete von diesem Standort die vorbeifahrenden Lehrgangsteilnehmer und besprach mit solchen, die nach Absolvierung einer oder mehrerer Runden bei ihm stehengeblieben waren, deren Aufzeichnungen. Der Beklagte verließ in der Folge fallweise seinen Standort, um den Kurs mit einzelnen Teilnehmern abzufahren. Ab zirka 10.30 Uhr stand der Beklagte wieder an der bezeichneten Stelle, wobei er sich an die linke, der Fahrbahn zugewandten Seite seines PKWs lehnte und zur Bundesstraße blickte. Um ihn herum standen auf der Fahrbahn im Bereich des Einmundungstrichters zum Großteil mit dem Rücken zur Bundesstraße fünf bis zehn Kursteilnehmer, mit denen der Beklagte die Aufzeichnungen besprach, während andere Rallyefahrer den Rundkurs befuhren. Knapp nachdem der Beklagte seinen Standort wieder eingenommen hatte, kam der Kläger im Dienst mit dem Patrouillenwagen aus Ottenstein. Er stellte das Fahrzeug am südwestlichen Fahrbahnrand der Bundesstraße so ab, daß zum nordöstlichen Fahrbahnrand in der Höhe des Hecks ein 3 m breiter Raum, in Höhe der Front ein 4.3 m breiter freiblieb. Die Front des Fahrzeuges befand sich etwa auf Höhe der rechten hinteren Ecke des PKWs des Beklagten, der gegenüber abgestellt war. Der Kläger hatte die Absperrungen kontrolliert und sich in seiner Eigenschaft als Straßenaufsichtsorgan an Ort und Stelle begeben, um das Ende der Veranstaltung abzuwarten. Er befand sich auch innerhalb der Absperrung im Dienst, da sich der Rayonsbereich des Gendarmeriepostens Allentsteig auch auf den Truppenübungsplatz und die Bundesstraße 218 erstreckte und von den Veranstaltern auch fallweise Nichtteilnehmer trotz der Absperrung durchgelassen wurden. Außerdem wollte sich der Kläger vergewissern, ob bei allen noch bevorstehenden Trainingsläufen die Anwesenheit von Gendarmeriebeamten erforderlich wäre. Der Kläger stand in der Folge schräg hinter dem Patrouillenwagen etwa in der Mitte der Fahrbahn der Bundesstraße neben Hubert S. Die Kursteilnehmer, die nicht auf der Strecke waren, hatten ihre PKWs teils innerhalb des nach Südwest abzweigenden Privatweges, teils auf der Landesstraße nach der Kreuzung, teils auf der Bundesstraße in Richtung Ottenstein abgestellt. Ein Wagen stand auch auf der Bundesstraße vor dem Gendarmeriefahrzeug in Richtung Döllersheim G U und seine Beifahrerin Ch U befuhren gegen 10.45 Uhr den Rundkurs und näherten sich auf der Bundesstraße der Kreuzung. Der von ihnen benützte PKW Volvo Sport war nicht das letzte Fahrzeug auf dem Kurs. G U benötigte für eine Runde zirka sechs Minuten. Zirka 400 m vor der Kreuzung überholte er einen anderen PKW. Dieser fuhr mit zirka 100 km/h, während U zirka 150 km/h einhielt.

Vor der Kreuzung bremste U bis zur Höhe der Kapelle auf zirka 60 km/h ab. Mit dieser Geschwindigkeit wollte er durch die Kurve in die Landesstraße einbiegen und ohne stehenzubleiben eine weitere Runde anschließen, was ihm gestattet war, da die Trainingszeit noch nicht beendet war. Als sich der PKW des U etwa auf der Höhe der Kapelle befand (etwa 12 m vor der Personengruppe um den Beklagten), liefen die Personen um den Beklagten, sei es durch das Bremsgeräusch, sei es durch das Motorengeräusch irritiert, nach verschiedenen Richtungen auseinander, wobei einige von ihnen die Fahrbahn der Landstraße in nördlicher Richtung überquerten und dadurch G U die Einfahrt in diese Straße versperrten. Die Personen, die auf diese Weise nach Norden liefen, hatten bis zum nördlichen Rand des Einmundungstrichters zirka 8 m zurückzulegen, wofür sie bei Einhaltung einer mittleren Laufgeschwindigkeit von 10 km/h 2.9 Sekunden, bei 12 km/h 2.4 Sekunden und bei 15 km/h 1.9 Sekunden benötigten. G U hätte mit zirka 60 km/h die Überquerungslinie dieser Personen selbst bei Annahme einer Laufgeschwindigkeit von 15 km/h vor Beendigung der Überquerung erreicht, da er bis dorthin höchstens 1 Sekunde benötigt hätte. U brach daher den Einbiegevorgang ab und fuhr geradeaus bzw. schwach rechts weiter, dorthin, wo er zwischen dem PKW des Beklagten und dem Gendarmeriefahrzeug eine freie Lücke bemerkte. Er verringerte dabei seine Geschwindigkeit über eine Strecke von 18 m bis zum Standort des Klägers auf 35 km/h und benötigte dazu 1.4 Sekunden bei einer Bremsverzögerung von 5 m/sec[2]. Der Kläger hatte den PKW des U beobachtet und auch bemerkt, daß die Personen um den Beklagten auseinanderliefen. Er hatte zunächst den Eindruck, der PKW werde auf das Fahrzeug des Beklagten zufahren, und erkannte, als sich der PKW zirka 4 m nach der Kapelle befand, daß dieser eine Wendung nach rechts auf ihn zu machte. Darauf sprang er in Richtung des nordwestlichen Fahrbahnrandes der Bundesstraße zur Seite, wurde aber noch 1/2 m vom Fahrbahnrand entfernt von der linken vorderen Ecke des PKWs am linken Oberschenkel erfaßt und mitgenommen. Der maximale Zeitraum zwischen der Richtungsänderung des PKWs in Höhe der Kapelle und dem Eintreffen beim Kläger lag bei 1.4 Sekunden, wobei die Richtungsänderung für den Kläger erst nach einer gewissen Zeit auffällig geworden sein konnte, so daß ihm für die Flucht etwa 1 Sekunde verblieb. Der PKW kam schließlich im Bereich des nordwestlichen Fahrbahnrandes der Bundesstraße mit dem linken Vorderrad bereits außerhalb zum Stillstand. Der Kläger lag daneben im Straßengraben. Vor dem Kläger hatte der PKW noch die hintere Stoßstange des PKWs des Beklagten gestreift und den Kursteilnehmer A H, der südlich des PKWs des Beklagten auf der Fahrbahn stand, niedergestoßen.

Zur Verschuldensfrage führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe dadurch, daß er sich als Leiter des Lehrganges mit mehreren Lehrgangsteilnehmern in der Kurvenaußenseite aufgestellt habe, eine Gefahrenquelle geschaffen, die in adäquater Weise Ursache für den Unfall gewesen sei. Als erfahrener Rallyefahrer habe er damit rechnen müssen, daß die noch so erfahrenen Lehrgangsteilnehmer die Kurve zu schnell oder nicht in der idealen Fahrlinie durchfahren würden, allenfalls aus der Kurve hinausgetragen werden, aber auch damit, daß die um ihn herumstehenden Teilnehmer durch Brems- und Motorengeräusche irritiert kopflos auseinanderlaufen könnten. Er habe nicht die notwendigen Vorkehrungen etwa durch die Wahl eines anderen Standortes oder durch die Anordnung des Anhaltens der Teilnehmer vor oder an der Kreuzung getroffen. Den Kläger treffe kein Mitverschulden. Er habe weder zu spät auf die Gefahr reagiert noch sich etwa in der Mitte der Bundesstraße 218 aufgestellt. Der Beklagte sei gegenüber dem Kläger auch nicht als Aufseher im Betriebe im Sinne des § 333 Abs. 4 ASVG anzusehen, da zwischen ihnen kein Verhältnis der Über- und Unterordnung bestanden habe. Ein Haftungsausschluß dieser Gesetzesstelle komme daher nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es sei offenkundig, daß für den Beklagten die Wahl eines günstigeren Standortes für die Erörterungen mit den Lehrgangsteilnehmern in dem abzweigenden Privatweg oder nach der Einmundung in die Bundesstraße 218 möglich gewesen wäre. Der Umstand, daß mit Sportveranstaltungen ein gewisses Risiko nicht vermeidbar und von den Beteiligten zu tragen sei, entbinde den Verantwortlichen nicht seiner Verpflichtung zu allen möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zwecks Abwendung derartiger Gefahren. Dem Kläger könne aus der Wahl seines Standortes kein Mitverschulden angelastet werden. Er habe sich in dienstlicher Eigenschaft an der Unfallstelle aufgehalten. Die Aufstellung auf dem von den Kursteilnehmern nicht befahrenen Straßenstück sei ihm nicht vorzuwerfen. Er habe sich auch in ausreichender Entfernung vom Rundkurs aufgehalten.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenn auch der teils auf von der Behörde für den sonstigen Verkehr gesperrten öffentlichen Straße durchgeführte Rallyelehrgang nicht in Form eines öffentlichen sportlichen Wettbewerbs abgewickelt wurde, so stellte er dennoch eine motorsportliche Veranstaltung dar, die sowohl für Zuschauer als auch für Teilnehmer mit besonderer Gefährdung verbunden war. Mit Duldung des Beklagten als Rennleiter wurde der Rundkurs von der Mehrzahl der Teilnehmer rennmäßig mit höheren Geschwindigkeiten durchfahren, und die Teilnehmer hielten sich mit Rücksicht auf die Absperrung der Bundesstraße auch nicht an die Straßenverkehrsordnung. Steht fest, daß durch die sportliche Veranstaltung ein gefährlicher Zustand herbeigeführt wurde, so sind auf Grund der aus § 1295 ABGB sich ergebenden Verkehrssicherungspflicht die für die Veranstaltung Verantwortlichen verpflichtet, die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, damit die Gefährdung des Zuschauers aus dem Sportraum nach Möglichkeit ganz vermieden oder so gering als möglich gehalten wird (vgl. Reichert, Grundriß des Sportrechtes und des Sporthaftungsrechtes, 228 und 235; Eichenberger, Zivilrechtliche Haftung des Veranstalters sportlicher Wettkämpfe, 22 und 72; Gelhaar - Thuleweit, Das Haftpflichtrecht des Straßenverkehrs, 74 und 75; BGH, NJW 1962, 1245). Auf Grund seiner Stellung als Leiter des Rallyelehrganges hatte der Beklagte während des Rennens die Aufgabe, für die Sicherheit der Rennstrecke zu sorgen. Dies ist auch für den Pflichtenkreis des Rennleiters im "Internationalen Automobil-Sportgesetz" der FIA (Art. 142; vgl. FIA-Automobilsport-Jahrbuch 1976) vorgesehen. Dessen Bestimmungen stellen zwar keine Rechtsnormen, sondern nur ein Reglement für den Kraftfahrsport dar, können aber für die Beurteilung der Sorgfaltspflicht eines Rennleiters herangezogen werden (vgl. Kammerhofer[5], 308; BGH, NJW 1975, 533). Welche Vorkehrungen im einzelnen zu treffen sind, hängt insbesondere von der von der Sportvorführung ausgehenden Gefahr ab. Bei Autorennen müssen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere zum Schutze der Zuschauer in den Kurven der Rennstrecke vorhanden sein, wozu auch die Verhinderung der Ansammlung von Zuschauern - zu denen im vorliegenden Falle auch die während der Fahrpausen zusehenden Rennteilnehmer gehören - am Fahrbahnrand solcher Kurven gehört, die durch unkontrollierbares Betreten der Rennbahn nicht nur eine Gefährdung der jeweiligen Rennteilnehmer, sondern durch dadurch ausgelöste Brems- und Ausweichmanöver des Rennteilnehmers auch eine Gefährdung der Zuschauer herbeiführen können (vgl. Reichert, 227 und 230). Der Standort, der vom Beklagten für die Beobachtung der Fahrweise der Rennteilnehmer und für die Erörterung dieser Fahrweise mit zuschauenden Teilnehmern am Fahrbahnrand der Außenseite dieser Kurve des Rundkurses ausgewählt wurde, widersprach in jeder Beziehung dem eben dargestellten Sicherheitserfordernis. Die Möglichkeit, daß insbesondere die Zuschauer, die das Geschehen auf der Rennstrecke nicht beobachtet, sondern - wie festgestellt - den Rücken der Fahrbahn zugewendet und ihre Aufmerksamkeit auf den Beklagten als Kursleiter gerichtet hatten, bei Annäherung eines Rennteilnehmers durch Brems- oder Motorengeräusch irritiert die Fahrbahn betreten, mußte der Beklagte voraussehen. Er kann sich nicht darauf berufen, daß er keine Möglichkeit gehabt habe, die Ansammlung zuschauender Lehrgangsteilnehmer in diesem Bereich zu verhindern. Als Leiter des Rennens mußte er die ihm zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung solcher Gefahren treffen. Als letzte und radikalste Maßnahme hätte er diesen Kurvenbereich für den Zutritt sperren müssen. Darum geht es aber hier gar nicht. Denn der Kläger hat durch die Wahl des Standortes die Gefahrensituation selbst herbeigeführt.

Soweit der Beklagte die Rechtswidrigkeit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit dem Hinweis zu negieren versucht, die Teilnehmer hätten durch die Teilnahme am Lehrgang Risken, die mit der Auswahl dieses zweckmäßigsten Standortes verbunden waren, in Kauf genommen, kann seiner Ansicht nicht gefolgt werden. Ganz abgesehen davon, daß die Frage der Risikoübernahme im Sport als Rechtfertigungsgrund umstritten ist (vgl. Eichenberger, 121; Petev,

Zum Problem der Rechtswidrigkeit in bezug auf die zivilrechtliche Haftung für Sportunfälle, VersR 1976, 320), könnte sich die Übernahme des der gegenständlichen Sportveranstaltung inhärenten Risikos durch die Teilnehmer nicht dahin auswirken, daß der Beklagte als verantwortlicher Leiter des Lehrgangs seiner Verpflichtung entbunden wäre, zumutbare Sicherungsmaßnahmen zum Schutze der Zuschauer, einschließlich der während der Fahrpausen zusehenden Lehrgangsteilnehmer, zu ergreifen.

Der Unfall wurde dadurch ausgelöst, daß zuschauende Kursteilnehmer, die um den Beklagten am Fahrbahnrand der Kurvenaußenseite herumstanden, plötzlich unmittelbar vor dem herannahenden PKW des Rennteilnehmers G U in die Fahrbahn gelaufen sind und diese überquert haben. U wurde dadurch zu dem festgestellten Ausweichmanöver veranlaßt. Die Gefährdung, die durch die Wahl dieses Beobachtungsstandortes innerhalb des Kurvenbereiches herbeigeführt wurde, hätte schon durch die Wahl eines Beobachtungsstandortes außerhalb der Fahrbahn mit einiger Distanz vom Fahrbahnrand und entsprechenden Anweisungen an die Zuschauer, nicht näher an das Sportgeschehen heranzutreten, leicht vermieden werden können.

Es kann auch nicht der Ansicht des Beklagten gefolgt werden, daß sich die Verkehrssicherungspflicht durch die Absperrung der Bundesstraße 218 an der Einmundung in die Bundesstraße Ottenstein-Horn auf die Teilnehmer des Lehrganges beschränkt habe. Diese Absperrung verhinderte nur die Benützung des abgesperrten Straßenteiles durch den allgemeinen Fahrzeugverkehr, nicht aber den Zutritt von fremden, das heißt nicht am Lehrgang teilnehmenden Zuschauern. Ein Verbot, der Veranstaltung zuzusehen, wurde durch die Absperrung der Straße nicht ausgesprochen. Diese Verkehrssicherungspflicht galt diesen Zuschauern gegenüber nicht minder als gegenüber den Lehrgangsteilnehmern. Der Beklagte als Leiter der Veranstaltung hatte auch gegenüber solchen Zuschauern durch zumutbare Sicherungsmaßnahmen dafür zu sorgen, daß sie durch das Sportgeschehen nicht gefährdet werden konnten (vgl. Reichert, 235; Weimar, Die Haftung bei Auto- und Motorradrennen, DAR 1974, 290). Der Kläger war schon aus diesen Gründen von der Verkehrssicherungspflicht des Beklagten nicht ausgenommen. Im übrigen ist der Kläger in seiner Eigenschaft als für den Ortsbereich zuständiger Gendarmeriebeamter zur Veranstaltung erschienen, um Aufgaben als Straßenaufsichtsorgan wahrzunehmen.

Aus zutreffenden Gründen hat das Berufungsgericht auch ein Mitverschulden des Klägers verneint. Der Standort des Klägers befand sich auf einem Straßenstück außerhalb der befahrenen Rundstrecke, mit dessen Befahren durch die Kursteilnehmer er nicht zu rechnen brauchte. Er mußte daher mit einer ernsten Gefährdung auf diesem Standorte nicht rechnen. Es ist aber Pflicht des Veranstalters, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, daß sich die mit der Durchführung des Rennens verbundenen Gefahren nicht auf Bereiche auswirken können, die nicht zur Rennbahn gehören, oder den Gefahrenraum außerhalb der Fahrbahn durch entsprechende Absperrungen abzusichern.

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