European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00020.15X.0428.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Die beiden Kinder sind die ehelichen Söhne ihrer seit November 2013 getrennt lebenden Eltern. Ein Ehescheidungsverfahren ist anhängig.
Vater und Mutter beantragten zunächst jeweils, ihnen die alleinige Obsorge für die Söhne zu übertragen. Im Laufe des Verfahrens, das von persönlichen Konflikten der Eltern deutlich geprägt ist, erklärten sie sich eventualiter auch mit der Beibehaltung der gemeinsamen Obsorge einverstanden.
Die Betreuung der Kinder erfolgt einvernehmlich derart, dass der mj A***** jedes zweite Wochenende von Donnerstag bis Montag sowie in der darauffolgenden Woche von Donnerstag bis Freitag bei der Mutter verbringt, der mj C***** verbringt jedes zweite Wochenende von Mittwoch bis Montag sowie in der darauffolgenden Woche Mittwoch bis Freitag bei der Mutter. Diese im Mai 2014 zunächst informell getroffene Regelung wird von den Eltern im Großen und Ganzen eingehalten, ebenso die vereinbarten Feiertags- und Ferienbesuchsrechte.
Mit Beschluss vom 16. 10. 2014 sprach das Erstgericht aus, dass die Obsorge für die beiden Minderjährigen den Eltern vorläufig gemäß § 107 AußStrG bis zur Rechtskraft der Entscheidung sowie endgültig gemeinsam zukomme. Der mj A***** werde hauptsächlich im Haushalt des Vaters, der mj C***** hauptsächlich im Haushalt der Mutter betreut. Darüber hinaus enthält der Beschluss des Erstgerichts eine Regelung des wechselseitigen Kontaktrechts, die den Grundsätzen der bisherigen Praxis der Eltern entspricht und im Rechtsmittelverfahren nicht strittig ist.
Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs des Vaters, mit dem er (auch) die Bestimmung der hauptsächlichen Betreuung des mj C***** im väterlichen Haushalt, in eventu den gänzlichen Entfall einer Betreuungszuweisung für mj C***** anstrebte, gab das Rekursgericht nicht Folge.
Die Entscheidung des Erstgerichts entspreche der Rechtslage, weil § 180 Abs 2 letzter Satz ABGB idF KindNamRÄG 2013 die Gerichte zur Festlegung des Haushalts, in dem das Kind hauptsächlich betreut wird, verpflichte. Darauf, ob dieser Ausspruch unter bestimmten Umständen, nämlich wenn sich die Eltern auf das Modell einer „Doppelresidenz“ verständigt hätten und die zahlreichen für das Gelingen dieser Betreuungsform erforderlichen Bedingungen erfüllt seien, im Einzelfall zum Wohl des Kindes auch entfallen könnte, komme es hier nicht an. Zwischen den Eltern herrsche nach wie vor ein erhöhtes Konfliktniveau, derzeit seien sie nicht einmal in der Lage, miteinander ein Telefonat zu führen. Nach dem Akteninhalt sei es dabei gerade der Vater, der eine adäquate Kommunikation verweigert habe. Es bestehe insgesamt keine tragfähige Grundlage für die Annahme, dass die hauptsächliche Betreuung beim Vater oder der Entfall eines Zuteilungsausspruchs dem Wohl des fünfjährigen C***** eher entsprechen würde als die Entscheidung des Erstgerichts.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob bei faktisch gleichteiliger Betreuung durch die Eltern bei einem Elternteil der überwiegende Aufenthalt festgelegt werden muss.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er (in nunmehr umgekehrter Reihenfolge) den Entfall einer Zuteilung der hauptsächlichen Betreuung für mj C***** anstrebt, in eventu den Ausspruch, dass der mj C***** im väterlichen Haushalt hauptsächlich betreut werde, ist entgegen dem Zulassungsausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig.
1. Das Rekursgericht hat sich mit dem Meinungsstand zu Vor‑ und Nachteilen des vom Rechtsmittelwerber angesprochenen Betreuungsmodells einer „Doppelresidenz“ befasst. Die im Rechtsmittel neuerlich relevierte Frage, ob der Ausspruch über die hauptsächliche Betreuung im Haushalt eines Elternteils auch entfallen könnte, wenn alle Bedingungen für das Gelingen dieses Betreuungsmodells erfüllt wären, hat es offen gelassen, weil von diesen sachlichen Voraussetzungen angesichts der ungelösten Konfliktsituation der Eltern hier keine Rede sein könne.
Auf diese Rechtsfrage kommt es aber auch im Revisionsrekursverfahren nicht an, weil Entscheidungen in Obsorgeangelegenheiten typischerweise nur nach den Umständen des Einzelfalls getroffen werden können und Einzelfallentscheidungen, sofern dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde, keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 AußStrG zukommt (RIS‑Justiz RS0115719; RS0097114; RS0007101).
Unter Berücksichtigung der festgestellten Lebensumstände der Familie ist die Entscheidung des Rekurgerichts nachvollziehbar begründet und nicht korrekturbedürftig.
2. Die im Revisionsrekursverfahren (zur Berücksichtigung von Neuerungen in Pflegschaftssachen: RIS‑Justiz RS0122192) nachgereichten Mitteilungen, und zwar eine E‑Mail der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 11. 2. 2015 und ein Schriftsatz des Vaters vom 10. 3. 2015, bestärken den Eindruck, dass die persönlichen Konflikte der Eltern nach wie vor anhalten und über die Kinder ausgetragen werden, wobei selbst in wichtigen Belangen keine adäquate Kommunikation gelingt.
Auffallend ist in diesem Zusammenhang, dass der Revisionsrekurswerber einen Entfall des Ausspruchs nach § 180 Abs 2 ABGB ausschließlich zu Lasten der Mutter für den mj C*****, aber nicht für den von ihm selbst hauptsächlich betreuten mj A***** anstrebt. Obwohl für beide Kinder in der Sache die gleichen Argumente gelten müssten, nimmt er damit eine Differenzierung vor, für die andere als eigennützig‑taktische Überlegungen nicht zu erkennen sind.
3. Die Entscheidung des Rekursgerichts, das einen Entfall des Ausspruchs über die hauptsächliche Betreuung - unbeschadet der Gesetzeslage und der vom Vater dazu vertretenen Rechtsansicht - schon aus fallbezogen sachlichen Gründen als dem Kindeswohl nicht entsprechend abgelehnt hat, bedarf daher keiner Korrektur. Eine über die Umstände des Einzelfalls hinaus bedeutende Rechtsfrage wird nicht aufgezeigt.
4. Zum Eventualbegehren des Revisionsrekurs-werbers ist festzuhalten, dass sich die beiden Kinder nach der bestehenden und von den Eltern akzeptierten Kontaktregelung zeitlich annähernd gleichteilig bei Vater und Mutter aufhalten, der mj C***** aber doch geringfügig überwiegend im Haushalt der Mutter. Die Entscheidung der Vorinstanzen spiegelt diese faktische Betreuungssituation wider und ist jedenfalls nicht unvertretbar.
Eine Begründung, weshalb ein Ausspruch der überwiegenden Betreuung (auch) des mj C***** beim Vater dem Wohl des Kindes dennoch besser gerecht würde, enthält der Revisionsrekurs nicht.
5. Ein Kostenersatz findet gemäß § 107 Abs 5 AußStrG im Verfahren über die Obsorge und persönlichen Kontakte nicht statt.
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