Spruch:
1.) Die Revision wird hinsichtlich eines Betrages von
S 9.320,-- s.A. zurückgewiesen;
2.) im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben. Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten an Kosten des Revisionsverfahrens S 5.863,71 (darin an Umsatzsteuer S 533,61) binnen 14 Tagen je zur Hälfte bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 20.Dezember 1982 kam es in Villach im Bereich der Kreuzung Ossiacherzeile-Emil von Behringstraße zu einem Verkehrsunfall, an welchem der bei der Klägerin haftpflichtversicherte PKW Mazda 323 und der bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherte Rotkreuzwagen des Zweitbeklagten beteiligt waren. Die Klägerin leistete an vier Verletzte bisher S 410.280,--. In diesem Umfang sind Ersatzansprüche auf sie übergegangen.
Die Klägerin begehrte von den Beklagten den Ersatz eines Drittels ihrer bisherigen Leistungen an die vier bei dem Unfall verletzten Personen im Betrag von S 136.760,-- s.A.; sie stellte auch ein Feststellungsbegehren für allfällige weitere Zahlungen. Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klagebegehren. Das Erstgericht erkannte der Klägerin - von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 3:1 zu ihren Lasten ausgehend - S 102.570,-- s.A. zu und gab dem Feststellungsbegehren auf der gleichen Verschuldensteilungsbasis statt. Das Mehrbegehren wies es ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren und das Feststellungsbegehren über die Regreßpflicht der Beklagten zu 1/3 abwies. Das Gericht zweiter Instanz sprach in Ergänzung (Berichtigung) seiner ursprünglichen Urteilsfassung aus, daß der Wert des nicht ausschließlich in einem Geldbetrag bestehenden Streitgegenstandes hinsichtlich eines Anspruchsteiles, der auf Leistungen an Barbara R*** beruht, S 15.000,--, jedoch nicht S 300.000,- übersteigt. Es erklärte die Revision in diesem Belang und hinsichtlich des auf Leistungen an Mathias W*** beruhenden Anspruchteiles gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist hinsichtlich eines Betrages von S 9.320,-- s.A. unzulässig.
Vorweg ist klarzustellen, daß sich das Leistungsbegehren der Klägerin aus verschiedenen Ansprüchen zusammensetzt. Von den hier bereits dargestellten Anspruchsgruppen Barbara R*** und Mathias W*** abgesehen erkannte das Berufungsgericht hinsichtlich des auf Leistungen an Rudolf L*** und Erwin S*** beruhenden Anspruchsteiles jeweils abändernd dahin, daß im Gegensatz zum Ausspruch des Erstgerichtes hinsichtlich ersterem S 7.500,-- und bezüglich letzterem S 1.820,-- abgewiesen wurden. Der Oberste Gereichtshof hat bereits in seinem zur oben dargestellten Berichtigung führenden Auftrag an das Berufungsgericht ausgesprochen, daß die Revisionszulässigkeit hinsichtlich eines jeden der hier dem Klagebegehren zugrunde liegenden Anspruchsteiles gesondert zu beurteilen ist, weil die Ansprüche mehrerer Geschädigter auch dann nicht zusammenzurechnen sind, wenn sie durch Zession auf einen Kläger übergehen (JBl 1985, 111; 8 Ob 75/86 ua). Der Beschwerdegegenstand übersteigt aber für die auf Leistungen an Rudolf L*** und Erwin S*** beruhenden Ansprüche der Klägerin jeweils nicht S 15.000,--, sodaß ihre Revision insoweit, also im Betrag von S 9.320,--, zurückzuweisen ist.
Im übrigen ist die Revision nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen im wesentlichen
von folgendem Sachverhalt aus:
Die Unfallsstelle liegt im Ortsgebiet von Villach im Kreuzungsbereich der Ossiacherzeile mit der Emil von Behringstraße. Erwin S*** war mit dem Rettungswagen des Zweitbeklagten, in dem drei Dialysepatienten nach deren Behandlung im LKH Villach mitfuhren, auf der Rückfahrt zu deren Wohnsitzen in den Raum Spittal/Drau unterwegs. Zur Unfallszeit war die Straße naß; es herrschte Dunkelheit. Erwin S*** verwendete über Auftrag seiner vorgesetzten Dienstbehörde Blaulicht. Diese Anweisung erfolgte aufgrund von möglicherweise auftretenden Komplikationen beim Transport von Dialysepatienten. Aus medizinischer Sicht wäre dies jedoch nicht erforderlich. Ein Dialysepatiententransport ist als Krankentransport anzusehen. Das Rote Kreuz hat Interesse daran, daß der Transportwagen rasch wieder an den Einsatzort zurückkommt. Die Möglichkeit einer Blutung auf dem Rücktransport kann es theoretisch geben, sie ist jedoch nicht lebensbedrohlich. Beim Rücktransport der drei Patienten traten keine Beschwerden auf.
Erwin S*** fuhr mit dem Rotkreuz-Wagen im Ortsgebiet von Villach auf der Ossiacherzeile mit einer Geschwindigkeit von 75 km/h von Süden in Richtung Norden und faßte 27,1 m vor dem Unfallspunkt bzw. 1,3 Sekunden vor dem Unfall den Entschluß zur Bremsung, als er den bei der Klägerin haftpflichtversicherten Mazda 323, der zu diesem Zeitpunkt 15,3 m vom späteren Unfallspunkt entfernt war, erstmals erblickte. Dieses Fahrzeug fuhr mit einer Geschwindigkeit von 42,7 km/h auf der Emil von Behringstraße ebenfalls auf die Kreuzung zu. Die Kollision erfolgte auf der Kreuzung in der Weise, daß der Rotkreuz-Wagen mit einer Geschwindigkeit von 68,3 km/h gegen die linke Längsseite des Fahrzeuges Mazda 323 stieß, das mit einer Geschwindigkeit von 42,7 km/h ungebremst weitergefahren war. Die Lenkerin des PKW Mazda 323 hatte den Rettungswagen beim Einfahren in die Kreuzung überhaupt nicht gesehen und daher vor der Kollision nicht reagiert. Beide Fahrzeuge waren mit Abblendlicht gefahren. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß den Beklagten "der Schuldausschließungsgrund des § 26 Abs 2 StVO" nicht zustatten käme, weil sich der Rettungswagen nicht auf Einsatzfahrt befunden habe. Die Beklagten müßten daher das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit als Mitverschulden im Ausmaß von 25 % vertreten.
Das Berufungsgericht vertrat jedoch die Auffassung, daß der Rotkreuzwagen für die Dauer seiner Verwendung als Einsatzfahrzeug anzusehen war. Er durfte daher die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit an sich überschreiten. Die Befreiungen des § 26 StVO entheben den Lenker eines Einsatzfahrzeuges zwar nicht von der allgemeinen Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr; diese Sorgfaltspflicht treffe den Lenker insbesondere dort, wo er nach den besonderen Umständen mit einer Erschwerung der Wahrnehmbarkeit der optischen oder akustischen Warnzeichen zu rechnen hat. Solche Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall aber nicht gegeben gewesen. Der Lenker des Rotkreuzfahrzeuges habe vielmehr wegen der übersichtlichen Kreuzung damit rechnen können, daß ein auf der Nachrangstraße sich nähernder Verkehrsteilnehmer das eingeschaltete Blaulicht bei der herrschenden Dunkelheit rechtzeitig sehen und auch beachten werde. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr sei nicht vorgelegen.
Demgegenüber stellt sich die Klägerin in der Revision auf den Standpunkt, daß sehr wohl von einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr und darüber hinaus von einer verbotenen Verwendung des Blaulichtes auszugehen sei. Dem ist zu erwidern:
Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr könnte nur dann angenommen werden, wenn die Gefahr, die regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges verbunden ist, durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon in dem Betrieb gegebener Umstände vergrößert und damit als Schadensursache verselbständigt wird (vgl. ZVR 1979/139; 2 Ob 263/77; 8 Ob 194/80 ua). Dementsprechend verneinte der Oberste Gerichtshof das Vorliegen einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr selbst bei einer Bremsung eines Einsatzfahrzeuges aus einer Geschwindigkeit von über 120 km/h (vgl. 2 Ob 31,32/77; 8 Ob 194/80). Umso weniger kann davon im vorliegenden Fall gesprochen werden, in welchem der mit Blaulicht fahrende Rotkreuzwagen auf der Kreuzung mit der Emil von Behringstraße eine gegenüber der hier zulässigen Geschwindigkeit von 60 km/h (S.4 des Ersturteiles) überhöhte Geschwindigkeit von bloß 75 km/h eingehalten hatte.
Dem Lenker des Rotkreuzwagens ist im übrigen die Einhaltung dieser Geschwindigkeit nicht anzulasten. Zwar erlaubt die im § 26 Abs 2 1.Satz StVO vorgesehene Entbindung des Lenkers eines Einsatzfahrzeuges von allen nicht im Abs 3 dieser Gesetzesstelle erwähnten Verkehrsverboten oder Verkehrsbeschränkungen im Hinblick auf das im § 26 Abs 2 2.Satz StVO verankerte Verbot der Gefährdung von Personen oder der Beschädigung von Sachen nicht eine völlig ungehemmte Art der Lenkung eines Einsatzfahrzeuges; auch wenn der Lenker eines solchen Fahrzeuges nicht an die Geschwindigkeitsbeschränkung des § 20 Abs 2 StVO gebunden ist, hat er dennoch die Wahl seiner Fahrgeschwindigkeit unter Bedachtnahme auf die Entbindung der Einsatzfahrzeuge von sonstigen Verkehrsbeschränkungen den konkreten Verhältnissen anzupassen (ZVR 1983/295; 8 Ob 192/77). Im vorliegenden Fall war seine Fahrweise jedoch einerseits durch die weite Erkennbarkeit des verwendeten Blaulichtes bei Dunkelheit entsprechend abgesichert und anderseits auch deshalb nicht zu beanstanden, weil ihm gegenüber der Lenkerin des PKWs Mazda aufgrund des für sie geltenden Vorrangzeichens "Vorrang geben" der Vorrang zustand. Zur Qualifikation eines Fahrzeuges als Einsatzfahrzeug ist erforderlich, daß Blaulicht oder Schallzeichen tatsächlich verwendet werden (ZVR 1970/44; 8 Ob 4,5/85 ua); welches von den einem Einsatzfahrzeug zur Verfügung stehenden Warnzeichen oder ob beide zugleich zu betätigen sind, hängt von der Lage des Einzelfalles ab; es genügt in der Regel die Verwendung eines dieser Signale (Dittrich-Veit-Schuchlenz, Straßenverkehrsordnung Anm.5 zu § 26 und Anm.66 zu § 2). Im Gegensatz zur Darstellung der Klägerin war der Erstbeklagte durchaus legitimiert, bei seiner Fahrt das Blaulicht einzuschalten. Er hatte dazu den Auftrag seiner vorgesetzten Dienstbehörde, die ihm die Anweisung deshalb gab, weil beim Transport von Dialysepatienten möglicherweise Komplikationen auftreten können. Im übrigen ist nach den Verfahrensergebnissen für das Rote Kreuz die rasche Durchführung solcher Transporte auch deshalb wichtig gewesen, weil der Einsatzwagen dann für einen weiteren Transport rascher zur Verfügung stand, was mitunter lebensrettend sein kann.
Selbst dann aber, wenn dem Lenker des Einsatzfahrzeuges aus medizinischer Sicht im nachhinein ein Ermessensfehler dahin vorzuwerfen wäre, daß der Einsatz doch nicht so dringend war, wie er dies zum Zeitpunkt seiner Fahrt beurteilte, könnte dies im vorliegenden Fall keine für die Klägerin günstigere Beurteilung der Sachlage nach sich ziehen: Der Lenkerin des bei ihr haftpflichtversicherten Fahzeuges liegen nämlich überaus gravierende Verkehrsverstöße zur Last, die sich dahin zusammenfassen lassen, daß sie das Einsatzfahrzeug nicht warhnahm, obwohl es bei Dunkelheit das weithin sichtbare Blaulicht verwendete und auch das für sie geltende negative Vorrangzeichen gänzlich unbeachtet ließ, sodaß sie mit der unverminderten Ausgangsgeschwindigkeit von 42,7 km/h reaktionslos in den Einsatzwagen hineinfuhr.
Nach ständiger Rechtsprechung kommt es im Verhältnis der Beteiligten bei eindeutigem Verschulden nicht auf die Erbringung eines Entlastungsbeweises nach § 9 EKHG, sondern darauf an, ob nach den Umständen des Falles Grund besteht, den anderen zum Ausgleich heranzuziehen (ZVR 1983/262; ZVR 1981/282 uza). Dies ist hier hinsichtlich der beiden Beklagten aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.
Der Revision der Klägerin war daher insoweit, als sie nicht ohnedies bereits zurückzuweisen war, der Erfolg zu versagen. Beim Kostenausspruch war darauf Bedacht zunehmen, daß die Beklagten in der Revisionsbeantwortung zur Frage der Zulässigkeit der Revision nicht Stellung genommen haben (§§ 43 Abs 1, 50 ZPO).
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