Spruch:
Die Erträgnisse neuer Anlagen auf der dienenden Liegenschaft, die mit Zustimmung des Eigentümers errichtet wurden, fallen im Zweifel dem Fruchtnießer zu
Entscheidung vom 28. Juni 1966, 8 Ob 164/66
I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz
Text
Die Klägerin ist die Tochter, der Erstbeklagte der Sohn und die Zweitbeklagte die Witwe nach dem mit Hinterlassung eines Testamentes am 1. Oktober 1943 verstorbenen Alfons C. Zum Erben wurde die Witwe eingesetzt. Zum Nachlaß gehörte die ideelle Hälfte der Liegenschaft EZ. 489 KG. S. Am 13. April 1944 schloß die erblasserische Witwe mit ihren damals noch minderjährigen Kindern ein pflegschaftsbehördlich genehmigtes Erbübereinkommen, nach welchem den Kindern die Liegenschaftshälfte zu je einem Viertel zufiel, der Zweitbeklagten aber an den beiden Viertelanteilen das Fruchtgenußrecht auf Lebenszeit eingeräumt wurde.
Die Klägerin begehrte von den beiden Beklagten und von der Firma Karl H. als Drittbeklagter zur ungeteilten Hand einen Betrag von
40.106.56 S.
Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte fest: Am 25. August 1949 sei von den Miteigentümern dieser Liegenschaft ein Pachtvertrag mit den Ehegatten B. geschlossen worden, in dem die Zweitbeklagte als Fruchtnießerin an der Liegenschaftshälfte nur in der für die Verbücherung des Pachtvertrages erforderlichen Aufsandungserklärung aufscheine. Im September 1963 sei es zu einem Pachtvertrag mit der Firma Karl H. (der drittbeklagten Partei) als Pächterin gekommen. In diesem Vertrag seien die Liegenschaftseigentümer als Verpächter bezeichnet, allerdings unter "Beitritt" der Zweitbeklagten als Fruchtnießerin. Auf der Liegenschaft seien inzwischen weitere Bauwerke errichtet worden, die zur Zeit der Begründung des Fruchtgenußrechtes noch nicht vorhanden gewesen seien.
Die Klägerin nehme als Mitverpächterin den anteiligen, von der Firma H. bezahlten Pachtzins, soweit dieser die Nutzung aus den neuerrichteten Bauwerken betreffe, für sich in Anspruch, während die Zweitbeklagte als Fruchtnießerin der halben Liegenschaft den anteiligen Pachtzins zur Gänze für sich beanspruche. Dem Erstbeklagten werfe die Klägerin vor, daß er den Pachtzins zu Unrecht als ihr Bevollmächtigter übernommen und sich damit bereichert habe.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, das Fruchtgenußrecht der Zweitbeklagten umfasse, zumal keine gegenteilige Vereinbarung behauptet worden sei, auch die anteilige Nutzung der nachträglich auf der Liegenschaft errichteten Bauten, die überdies nicht aus Mitteln der Klägerin stammten. Der von der Pächterin bezahlte Pachtschilling stehe der Zweitbeklagten als Fruchtnießerin zu, nicht aber der Klägerin, sodaß aus diesem Gründe die Klage gegen alle Beklagten abzuweisen gewesen sei.
Das Ersturteil wurde in Ansehung der drittbeklagten Partei (der Firma Karl H.) rechtskräftig, während es die Klägerin bezüglich der erst- und zweitbeklagten Partei, jedoch nur in Ansehung eines Betrages von 40.000 S, mit der Berufung bekämpfte.
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im angefochtenen Umfang auf und verwies die Sache an die erste Instanz zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurück. Es bestimmte, daß das Verfahren in erster Instanz erst nach Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses fortzusetzen sei (§ 519 Z. 3 ZPO.). Es hielt die Sache für noch nicht spruchreif, indem es von folgenden Erwägungen ausging:
Das Fruchtgenußrecht erstrecke sich auf den Zuwachs der Liegenschaft, sohin auch auf die nachträglich errichteten Gebäude, die gemäß § 297 ABGB. als Bestandteile der Liegenschaft zu gelten hätten. Es umfasse die gesamte, dem Fruchtnießer dienende Liegenschaft bzw. den ideellen Anteil daran, gleichgültig welchen räumlichen Umfang die Liegenschaft jeweils habe. Dies habe zu gelten, falls nicht Eigentümer und Fruchtnießer ein anderslautendes Übereinkommen getroffen hätten. Sei es zwischen den Miteigentümern und der Zweitbeklagten als Fruchtnießerin zu keiner Vereinbarung gekommen, dann stehe der Fruchtnießerin entschädigungslos der Genuß an den zugewachsenen Baulichkeiten zu, dies umso mehr, wenn die Bauführung nicht aus den Mitteln der Liegenschaftseigentümer erfolgt sein sollte. Damit sei aber im vorliegenden Fall noch nicht geklärt, ob der Klägerin oder der Zweitbeklagten der Pachtschilling zustehe. Im schriftlichen Pachtvertrag vom Jahre 1963 sei nicht eindeutig festgelegt, ob der Bestandzins den Miteigentümern als förmlichen Bestandgebern zur Gänze oder der beigetretenen Fruchtnießerin die Hälfte zukommen müsse. Der undeutlichen Formulierung des Pachtvertrages könnte zugrunde liegen, daß die Zweitbeklagte ihre Nutzungsrechte am Zuwachs oder an der gesamten Liegenschaftshälfte ihren beiden Kindern der Ausübung nach übertragen hätte. Zu einer solchen Abtretung hätte es eines Notariatsaktes entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht bedurft. Seien die Rechte aus der Fruchtnießung der Klägerin übertragen worden, so wäre diese zur Einhebung des anteiligen Pachtschillings bzw. zumindest jenes Pachtzinsteiles legitimiert, der bloß auf die zugewachsenen Baulichkeiten entfalle. Der Vertragswortlaut könne aber auch darauf zurückgeführt werden, daß die Bestandnehmerin auf 20 Jahre nicht ausschließlich die Fruchtnießerin, sondern wegen deren vorgerückten Alters und des aus diesem Gründe möglichen früheren Wegfalles des Fruchtgenußrechtes auch die Liegenschaftseigentümer vertraglich binden wollte, sodaß die Fruchtnießerin während des Bestandes ihres Fruchtgenußrechtes und erst nach deren Ableben deren Kinder zur Empfangnahme des Pachtschillings berechtigt sein sollten. Was die Parteien in dieser Hinsicht gewollt hätten, sei allein aus den Urkunden nicht zu erkennen, sondern noch mit Hilfe der angebotenen weiteren Beweise zu klären. Deshalb sei die Aufhebung des Ersturteils aus dem Gründe des § 496 (1) Z. 3 ZPO. begrundet.
Von der Beurteilung der angeführten Rechtsfragen seien auch die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten berührt, sodaß nicht schon angenommen werden könne, der gegen den Erstbeklagten erhobene Anspruch sei geradezu unschlüssig. Deshalb und weil im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten nahezu alle Feststellungen fehlten, habe auch dieser Verfahrensteil der Aufhebung zu verfallen.
Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen der klagenden Partei sowie der erst- und zweitbeklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der von der Klägerin erhobene Rekurs, der sich nur gegen eine im Aufhebungsbeschluß vertretene Rechtsansicht richtet, ist zulässig (SZ. XXIII 159 u. a.). Die Klägerin meint, es sei zwar richtig, daß sich das Fruchtgenußrecht auf den natürlichen Zuwachs erweitere, weil der Eigentümer zu letzterem selbst nichts beitrage, doch gelte dieser Grundsatz nicht für den künstlichen Zuwachs. Schaffe der Fruchtnießer selbst den Zuwachs, z. B. Zubauten, dann seien ihm auch die Früchte daraus zuzubilligen. Habe aber der Fruchtnießer dazu nichts beigetragen, dann stunden ihm die Früchte nicht zu.
Diese Begründung ist nicht schlüssig. Es ist nämlich kein Grund dafür einzusehen, in den Fällen, in denen nicht der Eigentümer den Zuwachs geschaffen hat, an den natürlichen und den künstlichen Zuwachs verschiedene Rechtswirkungen zu knüpfen und die Früchte aus dem natürlichen Zuwachs dem Fruchtnießer, jene aus dem künstlichen Zuwachs aber dem Eigentümer zuzusprechen. Daß sich die Fruchtnießung, bloß im Falle eines künstlichen Zuwachses, nur auf die zur Zeit der Einräumung des Fruchtgenusses vorhanden gewesene Sache beschränke, ist dem Gesetze nicht zu entnehmen und kann insbesondere nicht mit der Vorschrift des § 512 ABGB. begrundet werden, die sich auf die Haftung des Nutznießers nur für die zur Zeit der Bestellung der Nutznießung vorhandenen Lasten bezieht. Es ist vielmehr die vom Berufungsgericht unter Heranziehung des Schrifttums (Ehrenzweig, Sachenrecht[2], § 252 S. 328, Klang-Komm.[2] II 589 zu § 511 ABGB. Anm. 23) vertretene Ansicht zu teilen, wonach, soweit nichts anderes vereinbart wurde, die Erträgnisse neuer Anlagen auf der dienenden Liegenschaft, die mit Zustimmung des Eigentümers errichtet wurden, dem Fruchtnießer zufallen. Somit kommt den Rekursausführungen der Klägerin keine Berechtigung zu.
Der Erst- und die Zweitbeklagte treten der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes entgegen, daß eine Übertragung von Rechten der Zweitbeklagten aus dem Fruchtgenuß an die Klägerin ohne Notariatsakt rechtlich wirksam gewesen wäre, und führen aus, es komme für die Weitergabe des Fruchtgenusses der Ausübung nach nur die Form des Notariatsaktes in Frage. Abgesehen davon, daß noch zu prüfen sein wird, ob und auf welche Weise die Zweitbeklagte Rechte an die Klägerin abgetreten hat, und erst das Ergebnis die Qualifikation eines solchen Rechtsgeschäfts zulassen würde, hat das Berufungsgericht zutreffend auf die herrschende Rechtsprechung (Judikat Nr. 142) verwiesen, wonach im Falle der wirklichen Übergabe einer Forderung auch bei einer Schenkung zur Gültigkeit der Übertragung ein Notariatsakt nicht erforderlich ist.
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