OGH 8Ob162/65

OGH8Ob162/651.6.1965

SZ 38/93

Normen

ZPO §146
ZPO §465
ZPO §146
ZPO §465

 

Spruch:

Die Erhebung der Berufung für den fall der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages ist keine unzulässige, weil bedingte Prozeßhandlung

Entscheidung vom 1. Juni 1965, 8 Ob 162/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Der Kläger begehrte den Ausspruch, daß der Unterhaltsanspruch der Beklagten aus dem Scheidungsurteil des Landesgerichtes für ZRS. Wien vom 17. Jänner 1960 erloschen sei. Das Erstgericht fällte am 24. November 1964 ein Versäumungsurteil gegen die Beklagte, da laut Rückschein die Zustellung der Klage an die bei der mündlichen Verhandlung an diesem Tage nicht erschienene Beklagte durch postamtliche Hinterlegung ausgewiesen war.

Die Beklagte brachte am 19. Jänner 1965 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und in dem gleichen Schriftsatz für den Fall, daß dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben werde, eine Berufung gegen das Versäumungsurteil ein.

Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 9. Februar 1965 den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten abgewiesen (ON. 5).

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten verworfen, da sie ein bedingtes Rechtsmittel darstelle, bedingte Rechtsmittel aber unzulässig seien.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge, hab den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug dem Berufungsgericht auf, über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Ansicht, daß bedingte Prozeßhandlungen unzulässig seien (vgl. Pollak, System des Österr. ZF.-Rechtes[2], I, § 78 IV g, S. 370), , trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Das Gesetz kennt nämlich selbst bedingte Prozeßhandlungen. So gestattet § 261 (6) ZPO. dem Kläger, wenn der Beklagte die Unzuständigkeit einwendet, den Antrag, daß das Gericht für den Fall, daß es der Einrede stattgibt, die Klage an das vom Kläger namhaft gemachte Gericht überweise. Mit Recht hat auch schon Wahle in der Bemerkung zur Entscheidung Rspr. 1924, S. 15, auf die Zulässigkeit eines Eventualbegehrens, einer Eventualaufrechnung und eines mit einer Vorstellung in eventu verbundenen Rekurses sowie darauf verwiesen, daß nach der älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die eventuell eingebrachte Berufung für den Fall der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages für zulässig erachtet wurde.

Die neuere Lehre (vgl. Fasching, III, vor § 266 ff. ZPO., Anm. 15, S. 229) unterscheidet daher auch Bedingungen, die an ein außerprozessuales Ereignis geknüpft werden und allgemein unzulässig sind, sowie Bedingungen, die an innerprozessuale Tatsachen und Vorgänge geknüpft werden und zulässig sind, sofern dadurch nicht der vorhersehbare Prozeßablauf unsicher und beeinträchtigt wird. Fasching, a. a. O., führt allerdings aus, daß selbst eine Anknüpfung der Bedingung an ein innerprozessuales Ereignis unzulässig sei, wenn dadurch eine Gerichtstätigkeit in irgendeiner Instanz bedingt in Anspruch genommen werde, und leitet daraus die Unzulässigkeit der bedingten Erhebung eines Rechtsmittels ab.

Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes trifft dieser an sich richtige Grundsatz im vorliegenden Fall aber nicht zu. Die beklagte Partei war berechtigt, sowohl einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen - ob mit Aussicht auf Erfolg, ist eine andere Frage - als auch eine Berufung gegen das Versäumungsurteil vom 24. November 1964 einzubringen. Sie konnte auch den Antrag stellen, daß zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden werde. Wenn die beklagte Partei nun zwar unzulässigerweise, aber mit keiner Sanktion bedroht, Wiedereinsetzungsantrag und Berufung in einem Schriftsatz vereinigt, zuerst den Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt und daran anschließend vorgebracht hat, daß sie "für den Fall der Nichtstattgebung des Wiedereinsetzungsantrages" Berufung erhebe, dann sollte dies nichts anderes heißen, als daß sie zuerst die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag wolle und ihrer Berufung bei Stattgebung dieses Antrages die Rechtsgrundlage entzogen sei. Es liegt daher gar keine eigentliche Bedingung, sondern nur eine conditio juris vor, weil sich dieser Umstand, nämlich das Fehlen eines Berufungsinteresses der beklagten Partei bei Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages, aus dem Gesetz ergibt (vgl. für das bürgerliche Recht Gschnitzer in Klang[2], III, zu § 696 ABGB., IX 1, S. 659). Die Beifügung der völlig überflüssigen Wendung durch die beklagte Partei kann daher nicht die Rechtsfolge haben, die an eine einem Rechtsmittel hinzugefügte echte (Partei-) Bedingung geknüpft wird, sie ist vielmehr unbeachtlich. Die Zurückweisung (Verwerfung) der Berufung durch das Berufungsgericht aus dem von diesem gebrauchten Grund erfolgte daher zu Unrecht und dem Rekurs der beklagten Partei war Folge zu geben.

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