European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00013.840.0607.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Ein Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens findet nicht statt.
Begründung:
Am 9. 9. 1978 ereignete sich gegen 13:30 Uhr auf der G***** Landesstraße in der Nähe des Hauses P***** ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Fußgänger und der Erstbeklagte als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen T 122.535 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist die Halterin, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeugs. Der Erstbeklagte fuhr mit dem von ihm gelenkten LKW in Richtung A***** und stieß dabei den die Fahrbahn überquerenden Kläger nieder. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde zu 10 U 1505/78 (10 U 69/79) des Bezirksgerichts Innsbruck gegen den Erstbeklagten ein Strafverfahren eingeleitet, dem sich der Kläger (vertreten durch seinen Vater) als Privatbeteiligter anschloss. Mit rechtskräftigem Urteil vom 18. 6. 1979 wurde der Erstbeklagte freigesprochen; der Kläger wurde mit diesem Urteil gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger mit seiner am 10. 9. 1981 beim Erstgericht eingelangten Klage aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Zahlung von 50.000 S sA (das ist die Hälfte des von ihm als angemessen angesehenen Schmerzengeldes von 100.000 S); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für die Hälfte seiner künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.
Die Klage wurde, soweit sie gegen den Erstbeklagten gerichtet war, rechtskräftig zurückgewiesen.
Die Zweit‑ und die Drittbeklagte wendeten unter anderem ein, dass der Klagsanspruch verjährt sei. Der Unfall habe sich am 9. 9. 1978 ereignet. Weder gegen die Drittbeklagte noch gegen die Zweitbeklagte seien seitens des Klägers vor Einbringung dieser Klage Schadenersatzforderungen aus diesem Verkehrsunfall gestellt worden. Der eingetretene Schaden und die Personen der Beklagten seien dem rechtsfreundlich vertretenen Kläger rechtzeitig bekannt geworden. Dem gesetzlichen Vertreter des mj Klägers – seiner Mutter Carola B***** – sei der Schädiger schon im Unfallszeitpunkt bekannt gewesen. Die Klage hätte spätestens am 8. 9. 1981 eingebracht werden müssen. Da sie tatsächlich erst am 10. 9. 1981 eingebracht worden sei, sei der Klagsanspruch verjährt.
Der Kläger entgegnete dem Verjährungseinwand, dass sein gesetzlicher Vertreter erst nach dem Unfall Kenntnis von der Person des Schädigers und vom Schaden erhalten habe; es sie daher keine Verjährung eingetreten.
Das Erstgericht gab dem gegen die Zweit‑ und die Drittbeklagte gerichteten Klagebegehren statt.
Soweit für die Frage der Verjährung – nur mehr diese ist Gegenstand des Revisionsverfahrens – von Bedeutung, stellte es im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der am 19. 8. 1970 geborene Kläger erlitt bei dem Unfall vom 9. 9. 1978 unter anderem eine offene Schädeldachimpressionsfraktur links. Zur Unfallszeit lebten noch seine beiden Eltern (der Kläger ist ein eheliches Kind); der Vater ist in der Zwischenzeit gestorben. Beiden Eltern wurde die Person des Schädigers, nämlich des Erstbeklagten, erst am 10. 9. 1978 bekannt. Der Vater des Klägers war nicht an der Unfallstelle, sondern eilte von seinem Arbeitsplatz, nachdem er vom Unfall des Klägers verständigt worden war, gleich in die Universitätsklinik, in die der Kläger gebracht worden war. Er kam am Unfallstag nicht mehr so rechtzeitig zur Unfallstelle zurück, dass er hinsichtlich der Person des Schädigers Feststellungen treffen hätte können. Die Mutter des Klägers war wohl an der Unfallstelle, war aber dort damit beschäftigt, den verletzten Kläger in klinische Behandlung zu überführen, um rascheste ärztliche Versorgung des Klägers zu gewährleisten. Von der Person des Schädigers erlangte sie erst dadurch Kenntnis, dass sich der Erstbeklagte ihr am Tag nach dem Unfall vorstellte.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im Wesentlichen dahin, dass die Klagsansprüche nicht verjährt seien. Gemäß § 144 ABGB sei die gesetzliche Vertretung des Klägers seinen beiden Eltern gemeinsam zugekommen. Dies bedeute, dass beide Elternteile im Sinne des § 1489 ABGB vom Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangen mussten, um die in dieser Gesetzesstelle normierte dreijährige Verjährungsfrist in Gang zu setzen. Da die Eltern erst am 10. 9. 1978 Kenntnis von der Person des Schädigers erlangt hätten, sei die vorliegende Klage noch innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist bei Gericht eingebracht worden.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Zweit‑ und der Drittbeklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden hat, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und führte rechtlich zur Frage der Verjährung im Wesentlichen aus, nach § 1489 ABGB beginne die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Ersatzberechtigte sowohl den Schaden als auch den Schädiger kenne. Das bloße Kennenmüssen oder gar ein bloßes Vermuten dieser Umstände genüge nicht. Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist sei, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg angestellt werden könne. Inwieweit es dabei dem Geschädigten zumutbar sei, Namen und Anschrift des Ersatzpflichtigen in Erfahrung zu bringen, müsse stets nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden; die Erkundigungspflicht des Geschädigten dürfe dabei aber nicht überspannt werden.
Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls sei davon auszugehen, dass die Verjährungsfrist nicht schon am Unfallstag (9. 9. 1978) zu laufen begonnen habe, sondern frühestens am darauf folgenden Tag, nämlich am 10. 9. 1978. Der Unfall habe sich am 9. 9. 1978 gegen 13:30 Uhr ereignet. Der damals auswärts arbeitende Vater des verunglückten mj Klägers habe sich nach der Verständigung vom Unfall gar nicht an die Unfallstelle begeben, sondern sei verständlicherweise gleich in die Universitätsklinik Innsbruck zu seinem Sohn geeilt. Die – durch den Unfall ihres Kindes sicherlich mitgenommene – Mutter des Klägers sei damit beschäftigt gewesen, ihr verunglücktes Kind in klinische Behandlung zu überführen, um so rasch wie möglich seine ärztliche Versorgung zu gewährleisten. Unter diesen Umständen sei es den gesetzlichen Vertretern des mj Klägers nicht zumutbar gewesen, bereits am Unfallstag die erforderlichen Erkundigungen über die Person des Schädigers einzuziehen. Es würde eine überspitzte Forderung darstellen, wollte man verlangen, dass die Eltern des verunglückten Klägers nach dem um etwa 13:30 Uhr stattgefundenen Unfall in den noch verbleibenden wenigen Stunden des Unfalltages die erforderlichen Erhebungen hätten durchführen müssen. Die Verjährungsfrist habe daher frühestens erst an dem dem Unfallstag folgenden Tag (10. 9. 1978) zu laufen begonnen.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, dass die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, zu welcher – soweit für das Berufungsgericht überschaubar – in der Judikatur nicht volle Einheitlichkeit bestehe (Frage nach dem Beginn der Verjährungsfrist).
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Zweit‑ und der Drittbeklagten. Sie bekämpfen sie aus dem Revisionsgrund der „unrichtigen rechtlichen Beurteilung“ mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Gemäß § 508a ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden.
Im vorliegenden Fall ergibt die Prüfung der Rechtsmittelzulässigkeit, dass es an den für ihre Bejahung erforderlichen Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO mangelt, weil die Entscheidung nicht von der Lösung von Rechtsfragen abhängt, denen zur Wahrung der Rechtseinheit, der Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
Streitentscheidend ist die Frage des Beginns der im § 1489 ABGB normierten dreijährigen Verjährungsfrist im vorliegenden Fall.
Nach dieser Gesetzesstelle ist jede Entschädigungsklage in drei Jahren von der Zeit an verjährt, zu welcher der Schade und die Person des Beschädigers dem Beschädigten bekannt wurde. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es dabei nicht der Kenntnis der genauen Schadenshöhe, wohl aber der Kenntnis des Schadens, der Person des Ersatzpflichtigen und des Ursachenzusammenhangs bedarf (SZ 42/193; ZVR 1982/277 uva). Um die Frist des § 1489 ABGB auszulösen, muss dem Geschädigten der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt so weit bekannt sein, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann (SZ 40/40; ZVR 1956/127; 1 Ob 682, 683/76; 8 Ob 290/80; ZVR 1982/277 uva). Zu dieser Kenntnis gehört auch das Wissen von Namen und Anschrift des Ersatzpflichtigen (ZVR 1980/347; 8 Ob 290/80; ZVR 1982/277).
Der Geschädigte darf sich allerdings nicht einfach passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von der Person des Ersatzpflichtigen eines Tages zufällig Kenntnis erlangt. Die Absicht des Gesetzgebers geht dahin, Schadenersatzansprüche im Interesse aller Beteiligten möglichst bald einer Klärung zuzuführen. Kann der Verletzte aufgrund der ihm bekannten Umstände zumutbarerweise ohne nennenswerte Mühe Namen und Anschrift des Ersatzpflichtigen in Erfahrung bringen, so gilt die Kenntnis als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei einer entsprechenden Erkundigung zuteil geworden wäre (SZ 44/115; ZVR 1972/157; ZVR 1976/209; 8 Ob 106/78; 8 Ob 290/80; ZVR 1982/277 ua). Was dem Verletzten zumutbar ist, um Namen und Anschrift des Ersatzpflichtigen in Erfahrung zu bringen, muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden; die Erkundigungspflicht des Geschädigten darf dabei nicht überspannt werden (8 Ob 106/78; RZ 1979/27; ZVR 1980/347; ZVR 1982/277 ua).
Von dieser ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist das Berufungsgericht bei Lösung der Rechtsfrage des Beginns des Laufs der Verjährungsfrist ausgegangen.
Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen wurde den gesetzlichen Vertretern des Klägers, auf deren Kenntnis von der Person des Schädigers es ankommt (vgl § 1494 ABGB) die Person des Erstbeklagten erst am 10. 9. 1978 bekannt; dass ihnen Firma und Anschrift der Zweit‑ und der Drittbeklagten schon früher bekannt geworden wäre, ergibt sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Geht man daher von der tatsächlichen Kenntnis der Eltern des Klägers von den Ersatzpflichtigen aus, dann war die dreijährige Verjährungsfrist bei Einbringung der Klage am 10. 9. 1981 noch nicht abgelaufen.
Was aber die Erkundigungspflicht der Eltern des Klägers anlangt, so ist, wie oben dargestellt, nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls zu beurteilen, was ihnen zumutbar war, um Namen und Anschriften der Ersatzpflichtigen in Erfahrung zu bringen. Wenn nun das Berufungsgericht davon ausging, dass im Hinblick auf die im vorliegenden Fall gegebenen besonderen Umstände den Eltern des Klägers frühestens am 10. 9. 1978 zugemutet werden konnte, die erforderlichen Erkundigungen einzuziehen, sodass auch unter dem Gesichtspunkt der Erkundigungspflicht der gesetzlichen Vertreter des Klägers die Verjährungsfrist nicht früher in Lauf gesetzt werden konnte, entzieht sich diese Beurteilung einer Überprüfung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, weil lediglich zu entscheiden war, wann nach den im vorliegenden Einzelfall gegebenen Umständen den Eltern des Klägers die erforderlichen Erkundigungen zugemutet werden konnten, die Kasuistik des Einzelfalls aber in der Regel eine beispielgebende Entscheidung ausschließt (3 Ob 625/83; 8 Ob 217/83; 3 Ob 4, 5/84 ua).
Das Berufungsgericht ist somit bei seiner Lösung der entscheidenden Rechtsfrage des Beginns der Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gedeckt. Von einer Uneinheitlichkeit dieser Rechtsprechung kann keine Rede sein und es besteht auch kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Wann den gesetzlichen Vertretern des Klägers nach den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen zugemutet werden konnte, die erforderlichen Erkundigungen über die Ersatzpflichtigen einzuholen, entzieht sich einer Überprüfung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO, weil dieser Frage eine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung nicht zukommt (s dazu Petrasch in ÖJZ 1983, 177).
Es liegen somit die im § 502 Abs 4 Z 1 ZPO normierten Voraussetzungen nicht vor. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Zulässigkeit der Revision im Sinne dieser Gesetzesstelle ausgesprochen.
Die Revision der Zweit‑ und der Drittbeklagten war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kosten ihres unzulässigen Rechtsmittels haben die Revisionswerber selbst zu tragen. Dem Kläger gebührt für die erstattete Revisionsbeantwortung kein Kostenersatz, weil er den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht geltend gemacht hat (§§ 40, 41, 50 ZPO).
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