OGH 8Ob135/66

OGH8Ob135/665.7.1966

SZ 39/122

Normen

ABGB §1356
KO §14 (2)
ABGB §1356
KO §14 (2)

 

Spruch:

Durch Konkurseröffnung über das Vermögen des Hauptschuldners wird dem Bürgen gegenüber die Schuldfälligkeit nicht geändert

Entscheidung vom 5. Juli 1966, 8 Ob 135/66

I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien

Text

Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin für die durch die Liquidierung der OHG. S. & Co., auf den Liquidationskonten 22/414 bzw. 22/414-1 verbleibenden Schulden bis zu einem Betrage von 425.000 S die Ausfallsbürgschaft unter der Bedingung übernommen, daß die klagende Partei den Beklagten aus der bereits bestehenden Haftung für ein der Firma S. gewährtes Darlehen von 425.000 S entlasse, daß der vom Beklagten vorzulegende Tilgungsplan für die Schulden des genannten Sägewerkes von der Klägerin genehmigt werde und daß sich die Klägerin für den Fall der Inanspruchnahme des Beklagten aus der übernommenen Bürgschaft verpflichte, dem Beklagten ein Darlehen in der Höhe seiner Bürgschaft mit einer Laufzeit von zehn Jahren zu gewähren. Die Höhe dieser Ausfallsbürgschaft wurde mit Schriftwechsel vom 6. Juni 1962 und vom 20. Juni 1962 auf 675.000 S und die Laufzeit des dem Beklagten zu gewährenden Darlehens auf 15 Jahre erhöht.

Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. November 1965 stellten die Parteien außer Streit, daß die Bürgschaftsschuld des Beklagten auf den Fall beschränkt war, daß alle anderen Sicherungsmittel versagten.

Am 1. März 1965 wurde über das Vermögen des Konrad S. der Konkurs eröffnet. Das Konkursverfahren ist noch anhängig. Mit der am 9. Juli 1965 überreichten Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten aus dem Titel der Haftung als Ausfallsbürge die Zahlung von 675.000 S s. A. mit der Behauptung, daß die beiden Kreditkonten, für die die Ausfallsbürgschaft bestellt worden sei, am 28. April 1965 mit einem Saldo von 1.782.327.74 S ohne Zinsen ab 1. Jänner 1965 aushafteten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß der Inanspruchnahme des Beklagten die besondere Abmachung der Streitteile entgegenstehe, die die Bürgschaftsschuld auf den Fall beschränke, daß alle anderen Sicherungsmittel versagten. Es sei kein Grund zu finden, warum dafür, wann ein Versagen dieser anderen Sicherungsmittel anzunehmen sei, andere Voraussetzungen maßgebend sein sollten wie bei der Prüfung, wann der Hauptschuldner versagt habe; d. h. mit anderen Worten, daß von einem Versagen des vor dem bloß subsidiär haftenden Bürgen in erster Linie solidarisch haftenden Mitgesellschafters Franz P, vor der klagsweisen Geltendmachung der Ansprüche gegen diesen nicht gesprochen werden könne. Da die Klägerin selbst zugebe, außer dem beklagten Ausfallsbürgen bisher niemand klagsweise belangt zu haben, bestehe das Klagebegehren nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Bürge sei, wer sich für den Fall verpflichte, daß der Erstschuldner die Verbindlichkeit nicht erfülle. Daraus folge, daß die Inanspruchnahme eines Bürgen Nichterfüllung trotz Fälligkeit der Schuld voraussetze (§ 1355 ABGB.). Damit erweise sich das Erfordernis der Nichterfüllung trotz Fälligkeit der Schuld als Tatbestandsmerkmal der Bürgschaft, während sonst die mangelnde Fälligkeit nur auf Einrede zu beachten sei. Wenn Klage und Berufung wegen Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Konrad S. die Fälligkeit der Hauptschuld und deshalb den Ausnahmefall des § 1356 ABGB. und die Rechtfertigung des Klagebegehrens behaupteten, könne ihnen darin nicht gefolgt werden. Denn § 14 (2) KO. lasse eine verbürgte Forderung nur im Konkursverfahren als fällig gelten, mache sie aber deshalb noch nicht fällig. Diese Wirkung des § 14 (2) KO. erstrecke sich somit nicht auf das Rechtsverhältnis des Bürgen des Gemeinschuldners (Bartsch - Pollak, KO.[3], S. 104, Anm, 9; Klang-Komm.[2] VI 224, vor Anm. 4). Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Hauptschuldners ermögliche daher nur dann die sofortige Inanspruchnahme des Bürgen und selbst des Ausfallsbürgen, wenn die Forderung bereits fällig gewesen sei. Die Konkurseröffnung erspare somit nur die Vorausklage. Obwohl also die Fälligkeit der Hauptschuld aus § 14 (2) KO. nicht abgeleitet werden könne und sich das Erstgericht mit dieser Frage nicht auseinandergesetzt, insbesondere Feststellungen darüber nicht getroffen habe, könne diese Prüfung unterbleiben. Denn das Erstgericht habe zutreffend erkannt, daß die Inanspruchnahme des Ausfallsbürgen nach Lehre und Rechtsprechung nur dann erfolgen könne, wenn der Hauptschuldner, abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefall des § 1356 ABGB., vergeblich geklagt worden, gegen ihn fruchtlose Exekution geführt worden sei. Selbst wenn die Vereinbarung, daß die Bürgschaftsschuld des Beklagten auf den Fall beschränkt gewesen wäre, daß alle anderen Sicherungsmittel versagten, in dem in der Berufung dargelegten Sinn zu verstehen gewesen wäre, würde das Erfordernis der vorausgegangenen Klage und vergeblichen Exekutionsführung gegenüber jenen Personen fehlen, die vor dem Beklagten für die Hauptschuld hafteten. Dies zu beweisen, obliege demjenigen, der den Schadloshaltungsbürgen belange. Da die Bestimmung des § 1362 ABGB. auch auf die Ausfallsbürgschaft anzuwenden sei, hätte die klagende Partei diese Voraussetzung ihres Klagebegehrens behaupten und beweisen müssen. Sie habe jedoch zugegeben, daß außer dem Beklagten niemand geklagt worden sei. Ihre Erwägung, daß die Schuld bei niemandem einbringlich sei, greife in Anbetracht der notwendigen Vorausklage nicht durch, wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt habe. Daß aus dem Verzicht der Rechtsprechung auf eine von vornherein aussichtslose Exekutionsführung auch auf die Entbehrlichkeit der Vorausklage zu schließen sei, gehe ins Leere, weil diese Rechtsprechung zwar auf eine aussichtslose Exekutionsführung verzichte, aber an der Vorausklage festhalte.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob die untergerichtlichen Urteile auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, daß sich § 14 (2) KO. nicht auf das Rechtsverhältnis des Bürgen bezieht. Es wäre daher Sache der klagenden Partei gewesen, bereits in ihrer Klage darzutun, mit welchem Betrage die Fälligkeit der Klagsforderung gemäß den zwischen dem Hauptschuldner und der Klägerin getroffenen Vereinbarungen (dem Finanzierungsplan) eingetreten ist. Daß die gesamte Klagsforderung nicht fällig sein kann, scheint sich bereits aus dem Punkt 5 des Finanzierungsplanes zu ergeben, wonach der Hauptschuldner, normalen Geschäftsgang vorausgesetzt, im Oktober 1969 seine letzte Rate in der Höhe von 10.390 S zu erbringen gehabt hätte. Da die Fälligkeit der Hauptschuld eine der Klagsvoraussetzungen für die Geltendmachung der Forderung des Gläubigers gegen den Ausfallsbürgen ist, wäre es Sache des Prozeßrichters gewesen, auf eine Ergänzung der ungenügenden Klagsangaben hinzuwirken (§ 182 (1) ZPO.).

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist noch in einem weiteren Punkte erörterungsbedürftig. Der Schadlos(Ausfalls)bürge kann nicht schon belangt werden, wenn der Hauptschuldner zahlungsunfähig ist, sondern erst dann, wenn überdies feststeht, daß der Gläubiger infolge Versagens der sonstigen Sicherheiten einen Verlust erleidet (Ehrenzweig, System, § 308 V 2; s. auch Klang-Komm.[2] VI 239, unter I, 1). Da nach dem Wortlaut der bei der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 5. November 1965 außer Streit gestellten Vereinbarung, "die Bürgschaftsschuld des Beklagten sei auf den Fall beschränkt gewesen, daß alle anderen Sicherungsmittel versagten", zweifelhaft bleibt, ob unter "Sicherungsmittel" nur Bürgen, Pfänder u. dgl. oder auch die Mitschuld des früheren Gesellschafters P. des Hauptschuldners, der nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht aus der Haftung entlassen wurde, zu verstehen sei, und nach den Behauptungen der Klägerin P. der einzige ist, der im Rahmen der Bürgschaftsschuld des Beklagten hafte, ist die Sache auch noch in diesen Richtungen zu klären.

Das Erstgericht wird daher auf eine Ergänzung des Vorbringens der Klägerin zur Frage der Fälligkeit der Klagsforderung zu dringen haben und sodann mit den Parteien die Frage zu erörtern haben, welche Haftungen von ihnen bei Abschluß der Vereinbarung unter dem Ausdruck "alle Sicherungsmittel" verstanden wurden, insbesondere, ob es in der Absicht der Parteien lag, darunter auch die mitschuldnerische Haftung des früheren Mitgesellschafters des Hauptschuldners zu begreifen. Erst nach Ergänzung des Parteivorbringens in den aufgezeigten Richtungen wird eine Entscheidung darüber möglich sein, welche von den angebotenen Beweisen und den allenfalls noch anzubietenden Beweisen aufzunehmen und welche Feststellungen notwendig sein werden, um die Sache spruchreif zu machen.

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