OGH 8Ob132/09h

OGH8Ob132/09h19.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. S***** C***** und 2. S***** C*****, beide vertreten durch Liebscher Hübel & Lang Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. G***** F***** und 2. J***** F*****, wegen Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 8. Juli 2009, GZ 22 R 173/09m-20, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Mondsee vom 4. April 2009, GZ 3 C 123/08x-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Bürgermeister der Gemeinde I***** erteilte mit Bescheid vom 24. 2. 1959 den Rechtsvorgängern der Beklagten die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses und einer Garage auf einer Liegenschaft seiner Gemeinde. Wann der Rechtsvorgänger der Beklagten mit der Errichtung des Wohnhauses und der Garage tatsächlich begonnen hat, kann nicht festgestellt werden. Am 5. 8. 1968 teilte er der Gemeinde die Fertigstellung des Bauwerks mit und beantragte unter Bezugnahme auf die Baubewilligung vom 24. 2. 1959 die Kollaudierung. Diesem Antrag lagen Einreichpläne vom 29. 2. 1968 und eine naturschutzrechtliche Bewilligung vom 29. 4. 1968 bei.

Aufgrund dieses Antrags wurde eine Überprüfung an Ort und Stelle angeordnet, an der der Rechtsvorgänger der Beklagten, der Planerrichter sowie ein Sachverständiger aus dem Baufach teilnahmen. Mit Bescheid vom 7. 8. 1969 bewilligte der Bürgermeister dem Rechtsvorgänger der Beklagten die Bewohnung und Benützung des neu gebauten Wohnhauses. Nach der Begründung des Kollaudierungsbescheids war aufgrund der Überprüfung vom 29. 7. 1969 die Benützungsbewilligung nach den Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung zu erteilen. In der Niederschrift vom 29. 7. 1969, die einen Bestandteil des Bescheids bildete, ist festgehalten, dass der Bau „im Wesentlichen“ plangemäß und den Bestimmungen der Bauordnung entsprechend ausgeführt wurde und daher gegen seine Benützung kein Einwand besteht. Mit diesem Beisatz brachte die Gemeinde zum Ausdruck, dass aufgrund der Begehung die erteilte Wohnungs- und Benützungsbewilligung die tatsächlich vorliegenden Abweichungen der errichteten Gebäude vom Baubewilligungsbescheid deckt.

Die Beklagten hatten die Liegenschaft im Jahr 1996 gekauft und als Zweitwohnsitz benutzt. Vor dem Kauf hatte der Erstbeklagte seinen damaligen Rechtsvertreter mit der Überprüfung der Liegenschaft beauftragt, um zu eruieren, ob alles rechtens sei. Die Beklagten nahmen während der Dauer ihrer Eigentümerschaft an der gesamten Liegenschaft keine baulichen Veränderungen vor.

Die Beklagten verkauften mit Kaufvertrag vom 23. 10. 2002 die Liegenschaft samt den darauf errichteten Gebäuden an die Kläger. Im Kaufvertrag heißt es auszugsweise:

„VII.

GEWÄHRLEISTUNG

Die Käufer erklären, den Kaufgegenstand zu kennen, sie übernehmen daher das Kaufobjekt, wie es derzeit liegt und steht, im derzeitigen baulich/technischen Erhaltungszustand. [...]

Weiters haften die Verkäufer für die Rechtskraft aller zur Errichtung und Benützung des Vertragsgegenstands erforderlichen, genehmigenden behördlichen Bescheide, insbesondere von Seiten der Baubehörde. Sie haften dafür, dass hinsichtlich des Bauobjekts keine Bauaufträge oder Abbruchaufträge vorliegen oder derartige Verfahren anhängig sind; dass keinerlei eingeleitete verwaltungsbehördliche Verfahren oder bescheidmäßig bereits verfügte öffentlich-rechtliche Beschränkungen oder Belastungen in Ansehung des Kaufgegenstandes vorliegen. Ebenso wenig angekündigte oder bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten gegeben sind. [...]“

Die Kläger planten nach dem Erwerb der Liegenschaft eine bauliche Veränderung und zogen einen Baumeister bei, der feststellte, dass der der Baubewilligung zugrunde liegende Plan nicht mit dem tatsächlichen Zustand übereinstimme. Die von ihm darauf aufmerksam gemachte Gemeinde reagierte mit einem Schreiben des Bauamtsleiters, in welchem dieser die Feststellung, dass das Objekt „in natura“ mit den Plänen nicht übereinstimme mit der Begründung zurückwies, dass die Gemeinde dies nicht beurteilen könne, weil sie den Zustand „in natura“ nicht kenne. Im Übrigen verwies er darauf, dass Einvernehmen nur dahingehend bestehe, dass im Fall der Planung eines Umbaus durch die Kläger zur Erstellung der Einreichunterlagen der Baubestand genau zu erheben sei.

Die Kläger wurden bisher von der zuständigen Baubehörde weder aufgefordert, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, noch, die bauliche Anlage zu beseitigen oder gegebenenfalls den vorigen Zustand wiederherzustellen. Die zuständige Baubehörde geht vielmehr davon aus, dass kein konsenswidriger Bau vorliegt. Die Baubehörde sieht keinen Handlungsbedarf, weil nicht von einem unrechtmäßigen Bau auszugehen sei. Es ist nicht feststellbar, dass die Nebengebäude konsenswidrig errichtet wurden. Auch insoweit geht die Baubehörde von einem rechtmäßigen Bestand aus.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Feststellung, dass die Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Umstand haften, dass hinsichtlich der Liegenschaft samt den darauf errichteten Gebäuden nicht die erforderlichen genehmigenden behördlichen Bescheide vorlägen. Insbesondere fehle eine Baubewilligung. Aus einer bloßen Benützungsbewilligung könne nicht auf eine konsensmäßige Errichtung geschlossen werden. Die Beklagten hafteten aufgrund des Kaufvertrags gegenüber den Klägern für das Vorliegen rechtskräftiger Bescheide.

Die Beklagten wenden dagegen zusammengefasst ein, dass sie nur für die Rechtskraft aller zur Errichtung und Benützung des Vertragsgegenstands erforderlichen genehmigenden behördlichen Bescheide einzustehen hätten. Diese Bescheide lägen jedoch vor. Weder existierten Bauaufträge noch Abbruchaufträge, es sei kein verwaltungsbehördliches Verfahren eingeleitet worden und es existierten keine öffentlich-rechtlichen Beschränkungen oder Belastungen der Liegenschaft. Den Beklagten sei kein Sorgfaltsverstoß vorzuwerfen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus, dass weder Aufforderungen der Baubehörde zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Bauzustands ergangen seien noch ein solches Verfahren von der Baubehörde eingeleitet worden sei. Vielmehr gehe die Baubehörde von einer konsensgemäßen Errichtung aus. Ein Feststellungsinteresse der Kläger sei zu verneinen, weil die Baubehörde in Kenntnis des maßgebenden Sachverhalts davon ausgehe, dass die erteilte Bewohnungs- und Benützungsbewilligung die tatsächlich vorliegenden Abweichungen der errichteten Gebäude vom Baubewilligungsbescheid decke. Die konkrete Möglichkeit eines künftigen Schadenseintritts für die Kläger sei daher zu verneinen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger gegen dieses Urteil nicht Folge. Selbst unter Zugrundelegung des von den Klägern behaupteten Rechtsmangels treffe die Beklagten kein Verschulden an der Nichtbeseitigung dieses Rechtsmangels vor Übergabe der Liegenschaft an die Kläger oder an einer mangelnden Aufklärung der Kläger über das Bestehen eines solchen Mangels. Schon deshalb scheide eine Haftung der Beklagten für künftige Schäden der Kläger aus. Dass die Beklagten positiv vom Fehlen der erforderlichen baubehördlichen Bewilligung gewusst haben, sei auszuschließen. Das Fehlen einer baubehördlichen Bewilligung hätte ihnen auch nicht auffallen müssen, weil weder sie selbst noch der Voreigentümer seit der Erteilung der Bewohnungs- und Benützungsbewilligung eine bewilligungspflichtige Änderung an den auf der Liegenschaft errichteten Gebäuden vorgenommen hatten. Seit Erlassung des Kollaudierungsbescheids sei ein Zeitraum von mehr als 30 Jahren vergangen, ohne dass die Baubehörde tätig geworden sei. Konkrete Verdachtsmomente seien nicht vorgelegen. Selbst im Fall einer Kontaktaufnahme wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen, dass die Baubehörde den Klägern mitgeteilt hätte, dass kein Grund für die Annahme eines baukonsenswidrigen Zustands bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Veräußerer einer Liegenschaft zur Nachprüfung des Vorliegens einer Baubewilligung für auf dieser Liegenschaft errichtete Gebäude verpflichtet sei, wenn seit der - hier vor mehr als 30 Jahren erfolgten - Erteilung der Benützungsbewilligung weder er selbst noch sein Rechtsvorgänger bewilligungspflichtige Bauvorhaben auf der Liegenschaft ausführten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern, hilfsweise, es aufzuheben.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision gebunden. Die Revision ist unzulässig.

I. Der von den Revisionswerbern behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor, weil das Berufungsgericht sich mit der Mängelrüge in der Berufung der Kläger ausführlich und begründet auseinandergesetzt hat (§ 510 Abs 3 ZPO).

II. Die Kläger machen ausschließlich einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten geltend. Ein derartiger Anspruch besteht aber - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - nur im Falle eines Verschuldens der Beklagten. Ein derartiges Verschulden hat aber das Berufungsgericht verneint.

III. Die Frage, ob die Beklagten schuldhaft gehandelt haben, hier also die Frage, ob sie sich ausreichend über das Vorliegen einer den tatsächlichen Baubestand deckenden Baubewilligung informiert haben bzw ob ihnen die Nichtkenntnis vom allfälligen Fehlen einer solchen Baubewilligung vorzuwerfen ist, kann nur anhand der Umstände des konkreten Falls beurteilt werden. Der Lösung dieser Frage kommt daher keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0087606 ua).

Eine unvertretbare Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte, zeigen die Revisionswerber nicht auf.

IV. Zurecht hob das Berufungsgericht hervor, dass die Beklagten vor Erwerb der Liegenschaft einen Rechtsanwalt damit beauftragt hatten, zu prüfen, ob „alles rechtens“ sei. Zudem lag ihnen ein Baubewilligungsbescheid und auch ein Kollaudierungsbescheid vor, wobei der dem Kollaudierungsbescheid angeschlossenen Niederschrift zu entnehmen ist, dass „der Bau im Wesentlichen plangemäß und den Bestimmungen der Oberösterreichischen Bauordnung gemäß ausgeführt wurde“. Dazu kommt, dass zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft durch die Kläger das darauf befindliche Bauwerk seit mehr als 30 Jahren von der Baubehörde unbeanstandet geblieben war. Die Auffassung der zweiten Instanz, für die Beklagten, die selbst keinerlei Veränderungen am Baubestand vorgenommen hatten, habe keine Veranlassung bestanden, an der Ordnungsgemäßheit der ihnen vorliegenden Bescheide zu zweifeln, ist daher gut vertretbar. Schließlich nehmen ja auch die Kläger für sich in Anspruch, dass ihnen der von ihnen nunmehr geltend gemachte Rechtsmangel jahrelang - nämlich bis zum Jahr 2007, als sie Umbauarbeiten in Angriff nehmen wollten - nicht aufgefallen ist. Von einer die Zulässigkeit der Revision rechtfertigenden Fehlbeurteilung kann daher keine Rede sein.

V. Auf die schon vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob der behauptete Rechtsmangel überhaupt vorliegt, braucht daher ebenso wenig eingegangen zu werden, wie auf die Ausführungen der Revisionswerber zu ihrem Feststellungsinteresse.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagten wiesen nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hin, sodass sie die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen haben (RIS-Justiz RS0035979).

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