OGH 8Ob13/17w

OGH8Ob13/17w22.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** B*****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei Dr. D***** H*****, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen 13.200 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. November 2016, GZ 2 R 185/16t‑40, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 18. Februar 2016, GZ 4 Cg 160/14g‑36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00013.17W.0222.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin enthalten 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin litt an einem Karpaltunnelsyndrom im Bereich des rechten Handgelenks. Über Empfehlung der Beklagten ließ die Klägerin einen operativen Eingriff vornehmen. Die Beklagte führte den Eingriff ohne Anlegen einer Blutsperre in korrekter Operationstechnik medizinisch regelrecht durch. Dennoch kam es bei der Operation zu einer inkompletten Retinaculumspaltung im Bereich des körperfernen Anteils. Damit hat sich eine chirurgische Komplikation verwirklicht, die einen Revisionseingriff erforderlich machte. Postoperativ kam es im Zug einer schicksalshaften Narbenbildung auch zur Komplikation eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms mit Weichteilschwellungen, die auf kein medizinisches Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen ist. Die Klägerin stimmte der Operation zu. Dies hätte sie in jedem Fall gemacht, auch wenn sie die Risikoinformationen von der Beklagten in umfassender Weise erhalten hätte.

Die Klägerin begehrte 13.200 EUR sA an Schmerzengeld, Verdienstentgang und fiktiven Haushaltshilfekosten. Zudem erhob sie ein Feststellungsbegehren. Der Beklagten seien bei der Operation Kunstfehler unterlaufen. Der Befund sei mangelhaft erhoben worden. Mangels Anlegung einer Blutsperre habe die Beklagte das zu durchtrennende Retinaculum nicht gänzlich erkennen können, weshalb ein Kunstfehler unterlaufen sei. Wegen nachoperativer Behandlungsfehler sei der Operationsbereich stark angeschwollen.

Die Beklagte entgegnete, dass sie die indizierte Operation regelrecht ausgeführt habe. Der Nerv der Klägerin sei vorgeschädigt gewesen. Sie habe die Klägerin vor der Operation ausreichend aufgeklärt. Auch bei ausreichender Aufklärung, deren Nichtvorliegen bestritten werde, hätte die Klägerin in die Operation eingewilligt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil ein haftungsbegründender Behandlungsfehler der Beklagten nicht vorliege. Die aufgetretenen Komplikationen seien nicht auf ein Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen. Vielmehr habe sich ein Operationsrisiko verwirklicht. Ob die Aufklärung der Klägerin über die Operationsrisiken und Behandlungsalternativen ausreichend gewesen seien, könne dahingestellt bleiben. Es sei nämlich erwiesen, dass die Klägerin auch bei ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Aufklärung der durchgeführten Behandlung zugestimmt hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beweis‑ sowie die Mängelrüge seien nicht berechtigt. Die Rechtsrüge sei nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Klägerin von einem Wunschsachverhalt ausgehe. Den Arzt treffe zwar die Beweislast für die ausreichend und rechtzeitig erfolgte Aufklärung. Misslinge dieser Beweis, könne sich der Arzt aber durch den Nachweis befreien, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung dem Eingriff zugestimmt hätte. Dieser Beweis sei der Beklagten gelungen.

Über Antrag der Klägerin nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Beklagte, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1.1  Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass eine fehlerhafte Operationsmethode vorliege, weil durch das Nichtanlegen der Blutsperre eine mangelhafte Sicht auf das Operationsfeld bestanden habe und dies zu einer Risikoerhöhung geführt habe. Dazu liege ein Stoffsammlungsmangel durch unterlassene Beweisaufnahme vor.

1.2  Der geltend gemachte Verfahrensmangel betrifft das erstinstanzliche Verfahren. Das Berufungsgericht hat sich mit den Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt und das Vorliegen eines Verfahrensmangels verneint. Derartige Mängel können grundsätzlich nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0106371; RS0042963).

Das Berufungsgericht hat weder die Erledigung der Mängelrüge unterlassen noch diese mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verworfen. Vielmehr hat es auf die Ausführung des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen und diese korrekt wiedergegeben. Danach ist es „Geschmacksache“, ob bei Lokalanästhesie unter oder ohne Blutsperre operiert wird. In beiden Fällen bestünden Vor- und Nachteile. Das Erstgericht habe (berechtigt) davon ausgehen können, dass dem Sachverständigen der aktuelle Stand der Operationstechnik bekannt sei. Aus diesem Grund habe kein Anlass für ein amtswegiges Nachfragen bestanden. Außerdem habe der Sachverständige konkret ausgeführt, dass die gewählte Operationstechnik zu keiner Verschlechterung geführt habe. Es sei daher davon auszugehen, dass eine isolierte Risikoerhöhung nicht erfolgt sei.

Das Berufungsgericht bringt damit zum Ausdruck, dass für eine Risikoerhöhung – ohne Vorliegen eines Verfahrensmangels – keine Beweisergebnisse vorliegen. Es hat daher auch nicht einen relevanten Umstand für unerheblich gehalten oder der Erledigung der Mängelrüge eine unrichtige Rechtsansicht zugrunde gelegt.

2.1  In rechtlicher Hinsicht geht das Berufungsgericht davon aus, dass eine Behandlung auch dann nicht lege artis sei, wenn durch die gewählte (anerkannte) Operationsmethode das Operationsrisiko erheblich erhöht werde, ohne dass die gewählte Methode andere, die Risikoerhöhung in etwa aufwiegende Vorteile habe.

Nach den Feststellungen hat die Beklagte eine anerkannte Operationsmethode ausgeführt. Eine Risikoerhöhung steht – und zwar ohne Verfahrensfehler und Feststellungsmangel – nicht fest. Da es sich bei der Operation ohne Blutsperre um eine anerkannte Methode handelt, die lege artis ausgeführt wurde, sind die Feststellungen auch nicht widersprüchlich.

2.2  Mit dem Argument, die Beweislast dafür, dass durch die Wahl der Operationsmethode keine Risikoerhöhung verursacht worden sei, treffe die Beklagte, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Die Klägerin bezieht sich in dieser Hinsicht (wie in der Berufung) erkennbar auf die Rechtsprechung, dass der Arzt bei einer nicht unwesentlichen Erhöhung des Risikos durch einen Kunstfehler den Beweis führen müsse, dass der Schaden nicht durch den Eingriff verursacht worden sei (RIS-Justiz RS0026768). Ein Fehlverhalten der Beklagten liegt aber nicht vor.

3.  Für den Fall der Verletzung der Aufklärungspflicht trifft den Arzt die Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur Operation erteilt hätte (RIS-Justiz RS0038485). Dass die Klägerin der von der Beklagten durchgeführten Operation in jedem Fall zugestimmt hätte, beantwortet die Frage, wie sie sich in einer bestimmten Situation konkret verhalten hätte. Dementsprechend handelt es sich bei der Frage, ob der Patient bei ausreichender (hier umfassender) Aufklärung seine Zustimmung zum Eingriff erteilt hätte, um eine Tatfrage. Die entsprechende Feststellung hat das Erstgericht getroffen.

4.  Insgesamt zeigt die Klägerin mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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