Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.301,19 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 1.920,-- und Umsatzsteuer von S 1.125,56) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 1. Februar 1984 ereignete sich gegen 14.45 Uhr auf der Schoberpaßbundesstraße 113 beim Km 20,6 (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, an dem Otto M*** als Lenker des aus dem Sattelzugfahrzeug mit dem Kennzeichen O 126.585 und dem Sattelanhänger mit dem Kennzeichen O 986.784 bestehenden Sattelkraftfahrzeuges des Klägers und die Erstbeklagte als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen W 321.168 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Halter, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Die beiden Fahrzeuge kollidierten im Begegnungsverkehr. Dabei wurde die Erstbeklagte schwer verletzt; beide Fahrzeuge wurden beschädigt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde zu 2 U 91/84 des Bezirksgerichtes Leoben gegen die beiden beteiligten Lenker ein Strafverfahren eingeleitet; es wurde gemäß § 90 StPO eingestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 311.214,-- s.A. (Ersatz infolge des Unfalles notwendig gewordener Eigenleistung des Klägers, Fahrzeugschaden und Verdienstentgang) im wesentlichen mit der Begründung, sein Sattelkraftfahrzeug sei in Richtung Salzburg gefahren, der PKW der Zweitbeklagten in der Gegenrichtung. Plötzlich sei der PKW ohne ersichtlichen Grund über die Fahrbahnmitte geraten, sodaß der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges trotz sofort eingleiteter Reaktion (Ausweichen nach rechts und Bremsen) einen Zusammenstoß nicht mehr vermeiden habe können. Der Unfall sei ausschließlich auf das Fehlverhalten der Erstbeklagten zurückzuführen, die bei überhöhter Geschwindigkeit und mangelnder Aufmerksamkeit einen Fahrfehler begangen habe. Das vom Lenker des Fahrzeuges des Klägers schon einige Zeit vor dem Unfall beendete Überholmanöver stehe mit dem Unfallgeschehen in keinem Zusammenhang.
Der Höhe nach ist die Klagsforderung nicht mehr strittig. Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, der Unfall sei dadurch zustandegekommen, daß der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges einen vor ihm fahrenden Fahrschulwagen zu einer Zeit und an einem Ort überholt habe, als die Erstbeklagte mit ihrem PKW schon in bedrohlicher Nähe gewesen sei. Das Fahrschulfahrzeug habe eine Geschwindigkeit von 50 km/h oder mehr gehabt. Das Sattelkraftfahrzeug habe nach den Angaben des Lenkers eine Geschwindigkeit von 65 bis 70 km/h eingehalten; es habe für den Überholvorgang eine Strecke von nahezu 400 m benötigt. Der Zusammenstoß habe sich bei Km 20,6 ereignet. Bis Km 20,3 habe für das Sattelkraftfahrzeug ein Überholverbot bestanden. Da hinter dem Fahrschulfahrzeug noch ein von Josef K*** gelenkter PKW gefahren sei, müsse das Sattelkraftfahrzeug des Klägers auch dieses Fahrzeug überholt haben. Im Hinblick auf die Länge der zum Überholen benötigten Strecke habe das Überholmanöver, als das von der Erstbeklagten gelenkte Fahrzeug schon in bedrohlicher Nähe gewesen sei, noch nicht abgeschlossen sein können. Es werde daher jegliches Verschulden oder Verursachen und damit jegliche Haftung der beklagten Partei bestritten.
Schließlich wendeten die Beklagten noch Schadenersatzforderungen der Erstbeklagten aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von S 433.550,-- (Sachschaden, Verdienstentgang, Schmerzengeld) und Schadenersatzforderungen der Zweitbeklagten aus diesem Verkehrsunfall in der Höhe von S 49.014,50 (Fahrzeugschaden, Berge- und Feuerwehrkosten) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein.
Das Erstgericht entschied, daß die Klagsforderung mit S 311.214,-- s.A. zu Recht besteht und daß die eingewendeten Gegenforderungen der Beklagten nicht zu Recht bestehen. Es gab daher dem Klagebegehren (abgesehen von der Abweisung eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens) statt.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Unfallstelle befindet sich im Freilandgebiet der Schoberpaßbundesstraße 113 bei Straßenkilometer 20,6 in Liesingau, Gemeindegebiet Mautern.
Als Bezugslinie wurde eine Normale über die Bundesstraße auf Höhe des Kilometerpflocks 20,6 festgelegt.
Die Bundesstraße verläuft im Unfallsbereich grob gesehen in Ost-West-Richtung. Sie ist normalerweise in einer Breite von 7,5 m in sehr gutem Zustand asphaltiert und beidseits mit Randlinien versehen. Die lichte Weite zwischen den Randlinien beträgt 6,6 m. Im Anschluß an die Fahrbahn befinden sich beidseits durchschnittlich 50 cm breite Bankette, auf denen Plastikbegrenzungspflöcke versetzt sind. Am südlichen Fahrbahnrand folgt sodann eine abfallende Böschung zu dem darunterliegenden Wiesengelände; am nördlichen Fahrbahnrand befindet sich ein Wassergraben.
76 m ostwärts der Bezugslinie beginnt eine Fahrbahnverbreiterung, wobei sich diese Verbreiterung nur auf den nördlichen Fahrstreifen bezieht. 44 m ostwärts der Bezugslinie besteht, bezogen auf die gesamte Asphaltbreite, eine Fahrbahnbreite von 9,2 m. Auf Höhe der Bezugslinie ist die Asphaltfahrbahn 10,6 m breit. Es handelt sich sichtlich um eine Verbreiterung für eine später noch anzulegende Abbiegespur nach Liesingau. Der Einmündungstrichter nach Liesingau befindet sich mit seiner Mitte rund 20 m westlich der Bezugslinie. Auf Höhe dieses Trichters befindet sich auch eine blinkende Verkehrsampel, jedoch ohne Schutzweg. In der Fahrbahnmitte befindet sich eine Leitlinie, die auch im Bereich der Verbreiterung der Fahrbahn am nördlichen Fahrbahnrand der ursprünglichen Fahrbahnmitte folgt. Von der Bezugslinie besteht in Richtung Osten freie Sicht auf 400 m. Ab Kilometerpflock 20,2 beginnt in Richtung Osten gesehen eine unübersichtliche Linkskurve. 317 m ostwärts der Bezugslinie befindet sich ein für den Fahrzeugverkehr in Richtung Westen geltendes Verkehrszeichen "Ende des Überholverbotes". Von dieser Position aus besteht in Richtung Westen Sicht bis 300 m westlich der Bezugslinie. In Ost-West-Richtung gesehen liegt die Unfallstelle in einer ganz flachen leichten Linkskurve.
Zur Unfallszeit befuhr Otto M*** mit dem Sattelkraftfahrzeug des Klägers die Bundesstraße im Unfallsbereich von Osten nach Westen. Die Fahrbahn war feucht. Die Sicht war trotz bedeckten Wetters unbehindert. Das Sattelkraftfahrzeug war mit etwa 10 Tonnen Papier beladen. Das Gesamtgewicht betrug rund 23 Tonnen. Im unmittelbaren Unfallsbereich fuhr vor M*** ein von Ferdinand P*** gelenkter Fahrschulwagen (PKW) und hinter M*** ein von Josef K*** gelenkter PKW. M*** setzte etwa auf Höhe des Vorschriftszeichens "Ende des Überholverbotes" (317 m ostwärts der Bezugslinie) zum Überholen des zu dieser Zeit mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 km/h vor ihm fahrenden Fahrschulwagens an. Zu diesem Zweck hatte er schon einige Meter östlich davon seine ursprüngliche Fahrgeschwindigkeit von 68,7 km/h beschleunigt und seinen Abstand zum Vorderfahrzeug auf etwa 13 m verringert. Zeitlich erfolgte der Überholbeginn rund 14,6 Sekunden vor der Kollision. Im Zuge des Überholmanövers beschleunigte M*** die Fahrgeschwindigkeit zunächst in einer Zeitspanne von 9,1 Sekunden auf 78,3 km/h und in der weiteren Folge über eine Wegstrecke von 120,8 m in einer Zeit von 5,5 Sekunden auf letztlich 78,4 km/h. Dabei erzielte er zum Fahrschulwagen einen Überholgewinn von 108 m. Aus der Gegenrichtung näherte sich die Erstbeklagte mit dem von ihr gelenkten PKW mit einer Fahrgeschwindigkeit von mindestens rund 80 km/h. Als M*** sein Übrholmanöver begann, bestand ein Wegeverhältnis von 310 m Sattelkraftfahrzeug : 344 m PKW. Im Zug der Begegnung mit dem Sattelkraftfahrzeug kam die Erstbeklagte mit dem PKW aus nicht näher aufklärbarer Ursache plötzlich etwa auf Höhe der Bezugslinie ins Schleudern, geriet auf die Gegenfahrbahn und stieß dort etwa 25 m ostwärts der Bezugslinie gegen das zu dieser Zeit bereits wieder voll auf seinem Fahrstreifen eingeordnete Sattelkraftfahrzeug. Beide Fahrzeuge kamen anschließend über die südliche Straßenböschung von der Fahrbahn ab, wobei das Sattelkraftfahrzeug seitlich umstürzte.
M*** hatte sein Überholmanöver 80 bis 100 m ostwärts der Bezugslinie abgeschlossen. Er fuhr dort bereits voll eingeordnet auf seinem rechten Fahrstreifen. Als er den PKW auf seinen Fahrstreifen abkommen sah, war er so geschreckt, daß er keinerlei Reaktion setzte, sondern mit im wesentlichen beibehaltener Geschwindigkeit gegen dieses Fahrzeug stieß.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, die Erstbeklagte habe den Zusammenstoß dadurch allein verschuldet, daß sie im Zuge der Annäherung das Verkehrsgeschehen vor sich nicht ständig und ausreichend beobachtet, das in Überholstellung entgegenkommende Sattelkraftfahrzeug zu spät gesehen und eine Schreckreaktion in Form einer Überbremsung ihres PKW gesetzt habe, die zum Abkommen auf die linke Fahrbahnhälfte geführt habe. Den Lenker des Sattelkraftfahrzeuges treffe hingegen kein Verschulden, weil sein Überholmanöver bei den eingehaltenen Fahrgeschwindigkeiten und den gegebenen Sichtverhältnissen zulässig gewesen und eine Reaktion auf das unvorschriftsmäßige Entgegenkommen des PKW nicht mehr zumutbar gewesen sei.
Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten (die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens durch das Erstgericht blieb unangefochten) gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.
Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, der von der Erstbeklagten gelenkte PKW habe sich im Zeitpunkt der Kollision auf der linken Fahrbahnhälfte befunden. Es liege eine Schutznormübertretung (§ 7 Abs 2 StVO) durch die Erstbeklagte vor. In einem solchen Fall habe der Übertreter zu beweisen, daß er trotz Einhaltung der objektiven Sorgfalt in diese Situation geraten und daher daran schuldlos sei. Dieser Beweis sei nicht gelungen. Die Beklagten hätten keinen Sachverhalt beweisen können, der das Abkommen des von der Erstbeklagten gelenkten PKW auf die linke Fahrbahnhälfte gerechtfertigt hätte. In der Übertretung dieser Schutznorm liege daher das Verschulden der Erstbeklagten. Der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges des Klägers habe kein Verhalten gesetzt, daß dieses Linksabkommen der Erstbeklagten gerechtfertigt hätte. Unter Berücksichtigung der die Beklagten treffenden Beweislast für ein Verschulden auf Klägerseite sei davon auszugehen, daß das Sattelkraftfahrzeug wieder auf seiner rechten Fahrbahnhälfte eingeordnet gewesen sei, als zum Gegenfahrzeug noch ein Abstand von rund 120 m und bis zur voraussichtlichen Begegnung ein Zeitabstand von rund 2,8 Sekunden bestanden habe. In einer solchen Situation könne nicht von einem in bedrohlicher Nähe ausgeführten Überholmanöver gesprochen werden. Eine Gefährdung oder Behinderung der entgegenkommenden Erstbeklagten sei nicht gegeben gewesen. Auch die Möglichkeit einer solchen habe - verkehrsgerechtes Verhalten der Erstbeklagten vorausgesetzt - nicht bestanden. Die Erstbeklagte hätte über eine lange Strecke und durch lange Zeit die Situation abschätzen und sich auf die Begegnung einstellen können. Weder sei das Überholmanöver für sie überraschend gekommen noch sei dessen voraussichtliche Beendigung weit vor der Begegnungsstelle zu übersehen gewesen. Das Überholmanöver des Lenkers des Sattelkraftfahrzeuges des Klägers sei daher zulässig gewesen. Eine Überschreitung der höchstzulässigen Bauartgeschwindigkeit durch das Sattelkraftfahrzeug des Klägers und die Unterlassung einer Reaktion dessen Lenkers auf die Fahrbahnblockierung durch den von der Erstbeklagten gelenkten PKW seien in erster Instanz nicht als anspruchsbegründende Sachverhalte geltend gemacht worden und daher gemäß § 482 ZPO unbeachtlich.
Die Beklagten hätten daher für die Unfallsfolgen allein zu haften.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). In ihrer Rechtsrüge wenden sich die Beklagten nicht gegen die Richtigkeit der der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (siehe dazu etwa ZVR 1984/154 mwN) entsprechenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß dem Fahrzeuglenker, der die auch dem Schutz des Gegenverkehrs dienende Schutznorm des § 7 Abs 2 StVO verletzt, die Beweislast dafür obliegt, daß er dieses Schutzgesetz unverschuldet übertreten hat und daß, wenn er einen solchen Beweis nicht erbringt, davon auszugehen ist, daß diese Schutznorm schuldhaft übertreten wurde.
Die Beklagten versuchen vielmehr in ihrer Rechtsrüge darzutun, daß den Lenker des Sattelkraftfahrzeuges des Klägers deswegen ein Verschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall treffe, weil er den von ihm eingeleiteten Überholvorgang abbrechen hätte können, ohne daß es zu einer kritischen Situation gekommen wäre, weil er entgegen der Vorschrift des § 58 Abs 1 Z 1 lit a KDV eine Fahrgeschwindigkeit von zuletzt 78,4 km/h eingehalten habe und weil er auf das Abkommen des von der Erstbeklagten gelenkten PKW nach links nicht reagiert habe.
Dem ist zu entgegnen, daß sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, daß das Überholmanöver des Lenkers des Fahrzeuges des Klägers nicht der Vorschrift des § 16 Abs 1 lit a StVO widersprach. Da die Behauptungs- und Beweislast für ein die Mithaftung des Klägers für die Unfallsfolgen begründendes Verschulden des Lenkers seines Fahrzeuges die Beklagten trifft und diesbezüglich jede verbleibende Unklarheit im erhobenen Sachverhaltsbild zu ihren Lasten geht (ZVR 1976/194; ZVR 1981/84; ZVR 1985/32 uva.), ist im vorliegenden Fall bei der Prüfung eines allfälligen Verschuldens des Lenkers des Fahrzeuges des Klägers davon auszugehen, daß er bereits 100 m östlich der Bezugslinie (= 75 m vor der Kollisionsstelle) sein Überholmanöver beendet und das von ihm gelenkte Fahrzeug wieder voll rechts eingeordnet hatte. Da das Sattelkraftfahrzeug bei der festgestellten Geschwindigkeit von 78,4 km/h für die Zurücklegung einer Strecke von 75 m rund 3,5 Sekunden brauchte, ergibt sich daraus, daß das Überholmanöver rund 3,5 Sekunden vor der Begegnung der beiden Fahrzeuge vollkommen beendet war und das Sattelkraftfahrzeug 3,5 Sekunden vor der Begegnung bereits wieder voll rechts eingeordnet fuhr. Von der Möglichkeit einer Gefährdung oder Behinderung der entgegenkommenden Erstbeklagten durch dieses Überholmanöver im Sinne des § 16 Abs 1 lit a StVO kann unter diesen Umständen aber keine Rede sein, zumal die Erstbeklagte das mehr als 14 Sekunden vor der Begegnung der beiden Fahrzeuge begonnene Überholmanöver des Sattelkraftfahrzeuges während dieses ganzen Zeitraumes beobachten und ohne jede Verringerung der von ihr eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit die Begegnung mit dem entgegenkommenden Fahrzeug völlig gefahrlos bewältigen konnte. Das Überholmanöver des Lenkers des Sattelkraftfahrzeuges des Klägers widersprach unter diesen Umständen keinesfalls der Vorschrift des § 16 Abs 1 lit a StVO, brauchte daher von ihm auch nicht abgebrochen zu werden und begründete keinerlei Anlaß für die Erstbeklagte zur Setzung irgendwelcher plötzlicher Abwehrmaßnahmen.
Aus den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß der Lenker des Fahrzeuges des Klägers im Zuge seines Überholmanövers die im § 58 Abs 1 Z 1 lit a KDV vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h überschritt. Es hat jedoch bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die Prüfung des Mitverschuldens auf jene tatsächlichen Umstände zu beschränken hat, die von der beklagten Partei eingewendet wurden (SZ 37/151; ZVR 1973/1; ZVR 1985/32 uva.). Insbesondere muß das Zuwiderhandeln gegen bestimmte Schutzvorschriften schon im Verfahren erster Instanz behauptet und unter Beweis gestellt werden, wobei allerdings die Schutznorm nicht konkret bezeichnet, aber ein Sachverhalt geltend gemacht werden muß, aus dem sich ein Zuwiderhandeln gegen eine Schutzvorschrift ergibt (SZ 41/43; 5 Ob 611/81; ZVR 1983/53; 8 Ob 249/82 uva.). Die Beklagten haben aber im Verfahren erster Instanz keinerlei Tatsachenbehauptungen in Richtung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch den Lenker des Fahrzeuges des Klägers aufgestellt und ihren Verschuldensvorwurf nicht auf ein derartiges Verhalten gestützt; vielmehr haben sie in ihrer Klagebeantwortung darauf verwiesen, daß der Lenker dieses Fahrzeuges nach seinen eigenen Angaben eine Geschwindigkeit von 65 bis 70 km/h eingehalten habe und daher für sein Überholmanöver einen längeren Zeitraum benötigt haben müsse. Auf die Frage der Übertretung der Vorschrift des § 58 Abs 1 Z 1 lit a KDV durch den Lenker des Sattelkraftfahrzeuges des Klägers ist daher nicht einzugehen.
Auch einen Verschuldensvorwurf in der Richtung, daß der Lenker des Fahrzeuges des Klägers auf das Linksabkommen des von der Erstbeklagten gelenkten PKW nicht reagiert habe, haben die Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht erhoben. Im übrigen ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen, daß das Schleudern des von der Erstbeklagten gelenkten PKW auf Höhe der Bezugslinie begann und die Kollision bereits 25 m nach Überfahren der Bezugslinie durch den PKW erfolgte. Für die Zurücklegung dieser Strecke von 25 m benötigte aber der PKW bei der von der Erstbeklagten eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h einen Zeitraum von nur knapp über einer Sekunde, in dem es dem Lenker des Sattelkraftfahrzeuges des Klägers unter Zubilligung einer entsprechenden Gefahrenerkennungs- und Reaktionszeit gar nicht möglich war, irgendwelche wirksame Abwehrmaßnahmen zu setzen.
Unter diesen Umständen sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, daß im Sinne des § 11 Abs 1 EKHG kein Anlaß und keine Möglichkeit besteht, den Kläger zum Schadensausgleich heranzuziehen bzw. die ihm zustehenden Ersatzansprüche zu kürzen. Der Revision der Beklagten mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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