OGH 8Ob12/22f

OGH8Ob12/22f30.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Richard Benda, Dr. Christoph Benda, Mag. Stefan Benda, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Divitschek Sieder Sauer Peter Rechtsanwälte GesbR in Deutschlandsberg, wegen 120.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 107.940 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 4. Jänner 2022, GZ 3 R 131/21s‑49, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00012.22F.0330.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Parteien lebten von 1992 bis 1. 1. 2019 in einer Lebensgemeinschaft und waren von 2004 bis zur Scheidung im Juni 2019 miteinander verheiratet. In den Jahren 1994 bis 1999 renovierten sie unter Mithilfe von Verwandten ein altes Bauernhaus auf einer im Miteigentum der Eltern des Beklagten stehenden Liegenschaft, um sich ein Wohnhaus zu schaffen. Der Wert der Um- und Ausbaumaßnahmen (einschließlich des verwendeten Materials) betrug zum damaligen Zeitpunkt rund 126.000 EUR. Die Streitteile wendeten insgesamt 230.100 EUR an Geldmittel auf. Der Restnutzen dieser Baumaßnahmen zum 1. 1. 2019 betrug 269.850 EUR. Die Liegenschaft wurde 1999 ins Alleineigentum des Beklagten und 2007 – während aufrechter Ehe – zur Hälfte ins Miteigentum der Klägerin übertragen. Im Zuge des gerichtlichen Aufteilungsverfahrens schlossen die Streitteile einen Vergleich, mit dem ua das Hälfteeigentum der Klägerin an der Liegenschaft wiederum ins Alleineigentum des Beklagten übertragen wurde und der Beklagte sich zu einer Ausgleichszahlung von 100.000 EUR an die Klägerin verpflichtete. Die in den Jahren 1994 bis 1999 im Zusammenhang mit der Renovierung des alten Bauernhauses erbrachten Leistungen der Klägerin und ihrer Verwandten waren nicht Gegenstand des Aufteilungsverfahrens.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem auf Ersatz für diese Leistungen gerichteten Klagebegehren mit einem Betrag von 107.940 EUR statt. Nach der – vom Berufungsgericht gebilligten – Einschätzung des Erstgerichts (§ 273 ZPO) betrug der Anteil der Klägerin und ihrer Verwandten an den gesamten Baumaßnahmen rund 40 %.

[3] Der Beklagte richtet sich in seiner außerordentlichen Revision gegen die seiner Ansicht nach unbillige Ausmittlung des Bereicherungsanspruchs der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die Anwendung des § 273 ZPO hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab und hat daher keine über diesen hinausgehende Bedeutung (RIS‑Justiz RS0121220 [T1]). Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Revisionswerber im Anlassfall nicht auf.

[5] 2. Er behauptet, es sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, dass die Klägerin über Jahre hindurch im gemeinsam renovierten Haus gewohnt habe.

[6] Bereits die Vorinstanzen haben dem Rechtsmittelwerber – im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung – entgegengehalten, dass die Klägerin nur den (per 1. 1. 2019 verbleibenden) Restnutzen (der ihr zurechenbaren Baumaßnahmen) ersetzt erhält, sodass sie die Wohnung nicht wirklich unentgeltlich benützte (RS0033921; 3 Ob 223/18t mwN).

[7] 3. Daran ändert auch nichts, dass die Klägerin während aufrechter Ehe den Hälfteanteil an der Liegenschaft übereignet erhielt, den sie mittlerweile an den Beklagten rückübertragen hat.

[8] Eine doppelte Bereicherung der Klägerin durch die Übertragung des Hälfteanteils bzw durch die anlässlich der Rückübertragung vom Beklagten geleistete Ausgleichszahlung einerseits und den Zuspruch eines Bereicherungsanspruchs andererseits hat der Beklagte in erster Instanz nie behauptet. Vielmehr haben die Parteien ausdrücklich außer Streit gestellt, dass die Leistungen in den Jahren 1994 bis 1999 von der Ausgleichszahlung nicht berührt sind.

[9] Der Einwand des Beklagten in der Revision, es sei gar keine Zweckverfehlung eingetreten, weil die Klägerin Miteigentum an der Liegenschaft erhalten habe und im Rahmen der nachehelichen Aufteilung mit 100.000 EUR abgefertigt worden sei, ist eine unzulässige Neuerung (vgl RS0042025).

[10] 4. Auch die Kritik des Beklagten, dem Bereicherungsanspruch sei ein vermeintlich völlig überhöhter Stundenlohn zugrunde gelegt worden, geht an der zuletzt geltend gemachten und zugesprochenen Abgeltung für den – in dritter Instanz bindend – festgestellten Restnutzen der Baumaßnahmen vorbei. Der Ansatz, hier nicht von einer Dienst‑, sondern von einer Werkleistung auszugehen, wird von der Revision nicht substantiiert bekämpft.

[11] Soweit der Beklagte die Berechnung des Restnutzens durch den vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen bezweifelt, ist ihm zu erwidern, dass die Vollständigkeit und Schlüssigkeit eines Sachverständigengutachtens in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Beweiswürdigung fallen (RS0113643 [T7]).

[12] 5. Darüber hinaus kritisiert der Beklagte, dass die Arbeitsleistungen der Verwandten der Klägerin bei Ausmittlung ihrer Quote zu ihren Gunsten berücksichtigt wurden. Unbeanstandet lässt er aber, dass umgekehrt die Arbeitsleistungen seiner Familienangehörigen – worauf ihn schon das Berufungsgericht hingewiesen hat – seinem Anteil zugeschlagen wurden. Von einem „Ermessensexzess“ zu seinen Lasten kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein.

[13] Im Übrigen entspricht die Vorgangsweise der Vorinstanzen den Wertungen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Aufteilungsverfahren, wonach Arbeitsleistungen von Verwandten eines Ehegatten im Zweifelsfall jenem Ehegatten zuzurechnen sind, zu dem die Verwandtschaft besteht (vgl RS0057458).

[14] 6. Nicht nachvollziehbar ist der Vorwurf des Beklagten, das Klagebegehren wäre unschlüssig, zumal die Klägerin – entgegen seiner Behauptung – sowohl die einzelnen von ihr und ihren Angehörigen beim Umbau erbrachten Leistungen als auch einen daraus resultierenden Restnutzen konkret zur Darstellung gebracht hat.

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