OGH 8Ob118/65

OGH8Ob118/6527.4.1965

SZ 38/69

Normen

ABGB §1166
ABGB §1166

 

Spruch:

Zur Abgrenzung des Werkvertrages vom Kaufvertrag

Entscheidung vom 27. April 1965, 8 Ob 118/65

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien

Text

Die klagende Partei begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von 3000 S s. A. als vereinbarten Preis für eine bei ihr bestellte Blitzschutzanlage. Sie stützte die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes auf eine in dem Auftragsschein enthaltene Gerichtsstandvereinbarung.

Der Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit mit der Begründung, es habe sich um ein Ratengeschäft gehandelt.

Das Erstgericht verwarf die Einrede des Beklagten, da es sich bei dem Geschäft zwischen den Streitteilen nicht um einen Kaufvertrag, sondern um einen Werkvertrag gehandelt habe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge und wies die Klage zurück. Es führte in rechtlicher Beziehung aus: Aus dem von der klagenden Partei vorgelegten Auftragsschein ergebe sich, daß darin als Kontrahent des Beklagten die "Ö. Ges." genannt sei. Dieser Name sei groß und fett gedruckt, darunter befinde sich ganz klein gedruckt der Vermerk "Bauabteilung der W. Ges. m. b. H.", sodaß er leicht übersehen werden könne, was offenbar auch beabsichtigt sei. Die "Bauabteilung" der W. Ges. m. b. H. sei aber keine juristische Person. Mit ihr habe der Beklagte keine Gerichtsstandvereinbarung im Sinne des § 104 (1) JN. abschließen können. Gehe man aber davon aus, daß die "Ö. Ges." eine selbständige Gesellschaft sei, welcher Eindruck auf dem Auftragsformular jedenfalls erweckt werde, so könne die abgeschlossene Gerichtsstandvereinbarung ebenfalls nicht zwischen dem Beklagten und der klagenden Partei gelten. Eine dem Gesetz entsprechende Gerichtsstandvereinbarung zwischen der klagenden Partei und dem Beklagten liege somit nicht vor.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der klagenden Partei Folge, hob die untergerichtlichen Beschlüsse auf und trug dem Erstgericht neuerliche Beschlußfassung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Aus der von der klagenden Partei mit der Klage vorgelegten Urkunde geht die Gerichtsstandvereinbarung zwischen den Streitteilen hervor. Eine amtswegige Überprüfung dieser Urkunde auf ihre Tauglichkeit zur Begründung der Zuständigkeit nach § 104 JN. durch das Rekursgericht war nicht zulässig (Fasching zu § 240 ZPO., Anm. 3, III, 167). Der vom Rekursgericht herangezogene Grund für die Zurückweisung der Klage ist daher nicht gegeben.

Da nach § 12 RatenG. 1961 der Käufer aus einem Abzahlungsgeschäft nur bei dem Gericht geklagt werden kann, in dessen Sprengel der Wohnsitz, der gewöhnliche Aufenthalt oder der Ort der Beschäftigung des Beklagten liegt, und eine Vereinbarung, durch die ein anderer Gerichtsstand festgelegt wird, gemäß § 15 (1) Z. 12 RatenG. 1961 rechtsunwirksam ist, war auch im Verfahren über den Revisionsrekurs zu prüfen, ob es sich bei dem Geschäft zwischen den Streitteilen um ein Ratengeschäft im Sinne des RatenG. 1961 handelt. Diese Frage ist nicht hinreichend geklärt. Bei der Bestellung, die der Beklagte mit dem Auftrage vom 24. Juli 1964 vorgenommen hat, handelt es sich um die Errichtung einer Blitzschutzanlage für das Haus, in dem der Beklagte wohnte. Es ist richtig, wie das Erstgericht sagt, daß es sich bei dem Rechtsgeschäft zwischen den Streitteilen nicht um den Kauf eines Serienerzeugnisses handelt; es ist auch richtig, daß in allen Fällen, in denen es sich um die Herstellung von Sachen handelt, die nach den besonderen Bedürfnissen und Wünschen des Bestellers individualisiert sind, ein Werkvertrag vorliegt, auch wenn der Unternehmer den Stoff beistellt (Adler - Höller in Klang[2], V, zu § 1166 ABGB., S. 387). Die Arbeit des Unternehmers wird aber nur dann für den rechtlichen Charakter des Rechtsgeschäftes entscheidend sein, wenn sie im Vordergrunde steht. Dies ist bei der Anbringung einer Blitzschutzanlage nicht ohne weiteres selbstverständlich. Wenn jemand beim Schneider aus dem von diesem beigestellten Stoff einen Anzug nach Maß anfertigen läßt, dann ist die Arbeitsleistung des Schneiders, nämlich die Herstellung des Anzuges für die bestimmte Person, das Wesentliche; dieser Anzug ist für eine andere Person unverwendbar, worin die Individualisierung im obigen Sinn zu erblicken ist. Nun muß auch eine Blitzschutzanlage dem Hause, auf dem sie errichtet wird, in gewisser Beziehung angepaßt werden, da sie die Größe, Höhe usw. des Hauses berücksichtigen muß. Ob aber diese Anpassung an das Haus im vorliegenden Falle das Wesentliche war, steht nicht fest. Es wird also darauf ankommen, ob der von der klagenden Partei zu erbringenden Arbeitsleistung, d. h. der Anbringung der Blitzschutzanlage am Hause, oder dem dabei verwendeten Material überwiegende Bedeutung bei dem zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Rechtsgeschäft zukommt. Um dies entscheiden zu können, wird nicht nur das Verhältnis des Materialwertes zu dem Arbeitsaufwand, sondern auch - allenfalls durch Vernehmung eines Sachverständigen - festzustellen sein, ob eine solche Blitzschutzanlage ohne wesentliche Veränderung von einem Hause auf ein anderes übertragen werden kann.

Ist dies der Fall und machen, wie der Kläger behauptet, die Kosten des Materials einen bedeutenden Teil des vereinbarten Preises von 3000 S aus, dann wird gemäß § 1166 ABGB. ein Kaufvertrag und somit ein Abzahlungsgeschäft im Sinne des RatenG. 1961 vorliegen, sodaß die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des Beklagten begrundet wäre.

Da über diese Umstände die entscheidenden Feststellungen fehlen, war die Aufhebung beider untergerichtlichen Beschlüsse erforderlich.

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