Spruch:
Prozeßzinsen gebühren bei Klagsänderung durch Änderung des Klagegrundes erst ab dieser Klagsänderung
OGH 3. Februar 1970, 8 Ob 11/70 (OLG Wien 2 R 190/69; HG Wien 9 Cg 7/64)
Text
Die Klägerin war Inhaberin eines Gewerbebetriebes als Kleider- und Wäschemacherin in Wien, S-Straße 46, der Beklagte Inhaber eines Modewarengeschäftes in Wien, N-Gasse 31. Seit 1958 stand die Klägerin mit dem Beklagten in Geschäftsverbindung. Die Streitteile beschlossen sodann eine engere Zusammenarbeit, weshalb die Klägerin im Jahre 1960 ihr Unternehmen veräußerte und mit 1. Juli 1960 in die Räumlichkeiten des Beklagten zog. In der Zeit vom 1. Juli 1960 bis 31. Oktober 1961 bestand sodann zwischen den Streitteilen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes. Anschließend arbeitete die Klägerin im Lokal in Wien, N-Gasse 31, allein weiter, räumte das Lokal jedoch nach einem vom Beklagten angestrengten Räumungsprozeß am 30. Jänner 1963 und übergab es dem Beklagten.
Die Klägerin begehrte nach wiederholten Einschränkungen und Ausdehnungen ihres Klagebegehrens und einer Klagsänderung dahin, daß sie entgegen ihrem ursprünglichen Prozeßstandpunkt, sie habe dem Beklagten Waren geliefert und mit ihm später einen Pachtvertrag abgeschlossen, mit einem am 28. Juni 1965 überreichten Schriftsatz behauptete, zwischen 1. Juli 1960 und 31. Oktober 1961 habe mit dem Beklagten ein Gesellschaftsverhältnis bestanden, die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 129.639.27 S s A.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Bezahlung von 116.588.04 S samt 5% Zinsen seit 8. Mai 1962 als dem ursprünglichen Klagstag, wies die Klage hinsichtlich eines Betrages von 433.48 S wegen Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung zurück und das Klagebegehren hinsichtlich eines Betrages von 12.402.55 S ab. Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Beklagten mit Teilurteil die Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von 66.588.04 S samt 5% Zinsen seit 8. Mai 1962, wogegen es im übrigen unter Rechtskraftvorbehalt mit Beschluß das erstgerichtliche Urteil aufhob und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwies. Der Aufhebungsbeschluß blieb von bei den Parteien unangefochten.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Teilurteil in Ansehung des Zinsenzuspruches dahin ab, daß das Begehren auf Bezahlung der 5% Zinsen aus 66.588.04 S für die Zeit vom 8. Mai 1962 bis 27. Juni 1965 abgewiesen wurde. Im übrigen gab er der Revision nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vertritt die Revision zunächst den Standpunkt, daß der Anspruch der Klägerin auf Bezahlung von 66.128.40 S verjährt sei, da die Klägerin am 18. März 1965 eine Klagsänderung vorgenommen habe, an diesem Tage aber bereits mehr als drei Jahre seit dem 31. Oktober 1961 verstrichen gewesen seien. Der Revisionswerber übersieht hiebei aber die bindende Feststellung der Untergerichte, daß die Klägerin ihre Forderung ans den Warenlieferungen in die Gesellschaft eingebracht hatte. Damit hörte die Forderung der Klägerin aber auf, eine solche für Lieferung von Sachen aus einem gewerblichen oder kaufmännischen Betrieb im Sinne des § 1486 Abs 1 ABGB zu sein. Bei Auflösung der Gesellschaft hatte vielmehr eine Teilung des Gesellschaftsvermögens nach den Bestimmungen über die Teilung einer gemeinschaftlichen Sache (§ 1215 ABGB) stattzufinden. Für die Verjährung von Forderungen aus einer solchen Teilung enthält das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, von der für solche Ansprüche nicht in Betracht kommenden Bestimmung des § 1481 ABGB, die die Verjährung sogar überhaupt ausschließt, abgesehen, keine Sonderbestimmung. Es gilt daher die allgemeine Verjährungszeit von dreißig Jahren. Der Anspruch der Klägerin kann demnach nicht verjährt sein.
Die Revision hielt den Zuspruch von 5% Zinsen für die Zeit vom 8. Mai 1962 bis 27. Juni 1965 für unberechtigt. Die Klägerin begehrte diese Zinsen ab dem ursprünglichen Klagstage, dem 8. Mai 1962. Mit ihrem am 28. Juni 1965 überreichten Schriftsatz hat die Klägerin aber den bisher auf Warenlieferungen und einer Unternehmenspacht gestützten Rechtsgrund ihrer Klage dahin abgeändert, daß sie nunmehr das Bestehen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes in der Zeit vom 1. Juli 1960 bis 31. Oktober 1961 behauptete und ihre Forderungen darauf grundete, daß Wiese Gesellschaft aufgelöst worden sei. Die Klägerin hat damit die rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen sie ihr Klagebegehren ableitete, durch andere ersetzt (Fasching III 117 Anm 5, Neumann[4], 909). Wird aber das Klagebegehren auf einen neuen Rechtsgrund gestützt und die Klagsänderung zugelassen, tritt an die Stelle der ursprünglichen Klage eine neue Klage (Fasching III 108). Der Zweck des § 235 ZPO liegt, wie sich aus dessen Abs 3 ergibt, nur darin, die bis zur Klagsänderung aufgewendete Arbeit der Parteien und des Gerichtes für die Prüfung der geänderten Klage auszunützen, wenn dies nach der Sachlage möglich ist (Neumann 911 vor Anm 13). Daraus ergibt sich aber, daß die Klägerin Prozeßzinsen für ihr neues Begehren erst ab dem Zeitpunkt der Klagsänderung, also ab 28. Juni 1965, beanspruchen kann. Vor diesem Tage war im übrigen auch noch keine Fälligkeit des Anspruches eingetreten, die Voraussetzung eines Zinsenbegehrens ist. Der sich aus der Bestimmung des § 1215 ABGB ableitende Anspruch ergibt sich nämlich erst aus einer Verrechnung der beiderseitigen Ansprüche (vgl Wahle in Klang[2] V 675). Vor dieser Verrechnung kann die Fälligkeit des Anspruches nicht angenommen werden. Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 28. Juni 1965, in dem sie erstmals den Standpunkt begrundete, es habe eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes bestanden, war aber die erste (später korrigierte) Verrechnung der Klägerin. Von einem früheren Zeitpunkt am kann sie Zinsen, die ab 28. Juni 1965 auch der Höhe nach von der Revision nicht bestritten werden, nicht verlangen. Insoweit die Revision beantragt, daß der Zinsenzuspruch erst ab 28. Juni 1965 zulässig sei, ist die Revision daher berechtigt.
Zuletzt macht die Revision noch geltend, daß die Klägerin im Schriftsatz vom 28. Juni 1965 Gegenforderungen des Beklagten in der Höhe von 93.908.62 S ausdrücklich anerkannt habe, sodaß von den Forderungen der Klägerin dieser Betrag in Abzug zu bringen sei. Der Beklagte übersieht hiebei aber, daß die Klägerin am 28. Juni 1965 ihre eigenen Forderungen mit insgesamt 246.211.54 S bezifferte und erst von diesem Betrag 93.908.62 S abzuziehen bereit war, insgesamt daher 152.302.92 S beanspruchte. Sie hat später auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen Dkfm Paul L ihr Begehren neu formuliert und ist dabei zu anderen Berechnungsgrundlagen gekommen, die, wie das Berufungsgericht bereits dargestellt hat, ohnehin die am 28. Juni 1965 anerkannten Gegenansprüche durch Minderung ihrer eigenen Ansprüche berücksichtigte. Dem derzeit zu beurteilenden Sachverhalt liegt darüber hinaus aber das Klagebegehren zugrunde, wie es von der Klägerin schließlich, auf die Zusammenstellung durch den Sachverständigen, Dkfm Paul L gestützt, formuliert und zuletzt in der Tagsatzung vom 28. November 1967 auf 129.639.27 S eingeschränkt worden war. Seiner juristischen Natur nach ist aber das gerichtliche Tatsachengeständnis eine Prozeßhandlung; um ein solches Tatsachengeständnis handelt es sich im Zweifel bei einer Außerstreitstellung von Gegenforderungen - als Geständnis von diese Gegenforderungen begrundenden Tatsachen und als bloße Wissenserklärung - (EvBl 1960/143; vgl Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, 298); sein Widerruf bis zum Verhandlungsschluß ist daher möglich (EvBl 1961/123); dieser Widerruf kann auch in der Form erfolgen, daß die Partei Tatsachen vorbringt, die mit den zugestandenen Tatsachen in unlösbarem Widerspruch stehen (Fasching 247 Anm 7). Das Vorbringen in dem am 28. Juni 1965 überreichten Schriftsatz konnte daher nicht mehr Grundlage der Entscheidung der Untergerichte sein. Allein darauf kann also der Beklagte sein Begehren auf Abweisung des vom Berufungsgericht mit Teilurteil zugesprochenen Klagsanspruches nicht ableiten.
Der Revision ist daher, vom erwähnten Zinsenteilanspruch abgesehen, ein Erfolg zu versagen.
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