Spruch:
Das konstitutive Anerkenntnis unterscheidet sich vom Vergleich nur durch die Unentgeltlichkeit
Entscheidung vom 19. April 1966, 8 Ob 111/66
I. Instanz: Kreis- als Handelsgericht Krems a. d. Donau; II.
Instanz: Oberlandesgericht Wien
Text
Der Beklagte, der beim Kläger beschäftigt gewesen ist, hat am 5. Juli 1964 mit dem dem Kläger gehörigen VW-Bus eine Schwarzfahrt unternommen und das Fahrzeug bei dieser Gelegenheit so beschädigt, daß eine Reparatur sich als unwirtschaftlich herausgestellt hat. Am 7. Juli 1964 hat sich der Beklagte dem Kläger gegenüber bereit erklärt, den Schaden zu ersetzen. Am folgenden Montag (13. Juli 1964) hat der Kläger ihm einen Betrag von 20.000 S als Schadenssumme genannt und betont, daß das Fahrzeug mehr wert sei. Die Parteien sind hierauf übereingekommen, daß der Beklagte einen Wechsel über 20.600 S unterfertigt, wobei mit dem Teilbetrag von 600 S die Eskomptespesen abgegolten sein sollten. Der Beklagte hat diesen Wechsel sodann unterschrieben. Vor der Unterfertigung des Wechsels hat er das beschädigte Fahrzeug von einem Mechaniker besichtigen lassen, der ihm erklärte, daß eine Reparatur unwirtschaftlich wäre.
Der Zeitwert des Wagens vor der Beschädigung hat 8000 S betragen, den Motor hat der Kläger ausgebaut und für einen anderen Wagen verwendet.
Die Kosten des Transportes der Arbeiter haben sich mit dem dem Kläger gehörigen LKW um 3 S pro Kilometer höhergestellt als mit dem VW-Bus. Diese Mehrkosten betrugen für 9 Tage insgesamt 3240 S. Nach dem 5. Juli 1964 hat der Kläger einen VW-Pritschenwagen Baujahr 1961 erstanden, wofür er 17.364.30 S, an Zoll 10.008 S, an Überstellungskosten 3000 S bezahlen mußte. Diesen Wagen hat er ab 17. Juli 1964 für den Transport seiner Arbeiter eingesetzt.
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag vom 30. Oktober 1964 über 20.000 S samt 6% Zinsen seit 16. Oktober 1964, Protestspesen von 237.65 S und Kosten von 799.81 S aufrecht.
Der Beklagte habe nicht nur den Zeitwert des Fahrzeuges, sondern darüber hinaus auch den Schaden zu ersetzen, der dem Kläger durch den Transport der Arbeiter entstanden sei; ferner habe er für die Bergungskosten aufzukommen. Der vereinbarte Pauschalbetrag sei daher nicht ungewöhnlich hoch gewesen. Bei Abschluß des Vergleiches habe der Kläger weder den Leichtsinn noch eine Zwangslage noch auch eine Gemütsaufregung oder Unerfahrenheit des Beklagten ausgebeutet; der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vergleich sei daher nicht als nichtig anzusehen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Aus den Feststellungen des Erstgerichtes geht hervor, daß der Beklagte Zweifel an der Höhe des vom Kläger als Vergütung für den erlittenen Schaden genannten Betrages gehabt hat und daß er der Meinung war, der Schaden sei geringer, als ihn der Kläger beziffere. Das Erstgericht stellt nämlich fest, daß der Beklagte den Wechsel erst unterschrieben hat, nachdem der Kläger neuerlich verneint hatte, daß ein Schadensbetrag von 20.000 S zuviel sei. Ob ein konstitutives Anerkenntnis vorliegt, wie das Berufungsgericht meint, oder ein Vergleich, wie das Erstgericht meint, ist unentscheidend, weil das konstitutive Anerkenntnis sich vom Vergleich nur durch die Unentgeltlichkeit unterscheidet, im übrigen aber die gleiche Wirkung wie ein Vergleich hat (JBl. 1958 S. 44 u. a.). Jedenfalls bestanden vor Abschluß des Vergleiches oder Abgabe des Anerkenntnisses bei den Parteien Zweifel über die Höhe des dem Kläger zu ersetzenden Schadenersatzanspruches. Der Beklagte vertritt in seiner Revision die Ansicht, es sei kein Vergleich zustande gekommen, weil der Kläger unter dem erlittenen Schaden etwas anderes verstanden habe als er, es liege daher ein echtes Mißverständnis vor. Abgesehen davon, habe der Kläger den Irrtum des Beklagten, der Betrag von 20.000 S sei der wirklich erlittene Schaden des Klägers, schuldhaft veranlaßt, weil der Beklagte habe annehmen müssen, der Kläger sei acht Tage nach dem Unfall über den erlittenen Schaden bereits ausreichend informiert. Hätte aber der Kläger diesen Irrtum arglistig herbeigeführt, sei die Abmachung ungültig. Der Kläger hat vom Beklagten den Betrag von 20.000 S zur Abgeltung des durch die schuldhafte Handlung des Beklagten erlittenen Schadens begehrt. Der Beklagte hat sich zur Zahlung dieses Betrages nach geäußerten Zweifeln über die Angemessenheit der begehrten Summe verstanden und den geforderten Betrag anerkannt. Von einem Mißverständnis kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil der Kläger weder erklärt hat, er beziffere den Zeitwert des Wagens mit dem angegebenen Betrag, noch der Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, daß er nur den Zeitwert des Wagens zu ersetzen bereit sei. Soweit daher die beiden Willenserklärungen vorliegen, sind sie als übereinstimmend festgestellt. Nach der Vertrauenstheorie kann eine nicht zum Ausdruck gebrachte Absicht, ein mit der Äußerung des Erklärenden nicht übereinstimmender Wille, nicht berücksichtigt werden. Ein durch den Kläger beim Beklagten veranlaßter Irrtum, der in einem Mißverständnis liegen konnte (vgl. Ehrenzweig, System[2] S. 240, bei § 94 unter II), ist - den Fall der Arglist ausgenommen - auf die Gültigkeit des Vergleiches oder konstitutiven Anerkenntnisses ohne Einfluß (vgl. JBl. 1958 S. 44 u. a.), Nun hat allerdings der Beklagte in seinen Einwendungen gegen den Wechselzahlungsauftrag vorgebracht, der Kläger habe ihn durch die Behauptung, ein Sachkundiger hätte das Fahrzeug mit 23.000 S bis 25.000 S bewertet, zum Anerkenntnis und zur Unterschrift des Wechsels veranlaßt. Diese Behauptung ist aber nach den Feststellungen der Untergerichte nicht erwiesen. Was schließlich die Einwendung der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes nach § 879 Z. 4 ABGB. betrifft, haben sich die Untergerichte mit den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle eingehend befaßt. Die Unerfahrenheit des Beklagten im Zeitpunkte der Abgabe seiner Verpflichtungserklärung hat das Erstgericht mit Recht unter Hinweis darauf verneint, daß der Beklagte vor Abgabe seiner Erklärung einen Mechaniker beigezogen hat. Auch die durch den Unfall verursachte Gemütsaufregung des Beklagten war am 13. April 1964 nicht mehr in einem solchen Ausmaß vorhanden, daß sie auf die Handlungen des Beklagten von entscheidendem Einfluß hätten sein können. Jedenfalls kann nach den Feststellungen der Untergerichte nicht gesagt werden, daß der Kläger die Gemütsaufregung oder Unerfahrenheit des Beklagten bei der Erwirkung des Anerkenntnisses oder Vergleiches oder bei der Unterfertigung des Wechsels ausgenützt habe.
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