European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080NC00040.21F.0803.000
Spruch:
Der Akt wird dem Bezirksgericht Leibnitz zurückgestellt.
Begründung:
[1] Die Österreichische Gebietskrankenkasse beantragte am 8. 1. 2021 beim Landesgericht Innsbruck die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der laut Firmenbuch in Tirol ansässigen Schuldnerin, einer GmbH.
[2] Nachdem Ladungen und Versuche einer Vorführung der (Geschäftsführerin der) Schuldnerin zur Einvernahme durch das Landesgericht Innsbruck ohne Erfolg geblieben waren und eine Information vorlag, dass die Geschäftsführerin der Schuldnerin jüngst in den Sprengel des Bezirksgerichts Leibnitz verzogen sei, wurde dieses vom Landesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 21. 4. 2021 um Ladung und Einvernahme der Antragsgegnerin (Schuldnerin) zu den Insolvenzvoraussetzungen, bei Nichterscheinen auch um deren Vorführung ersucht. Über Ersuchen des Bezirksgerichts Leibnitz vom 5. 5. 2021 ergänzte das Landesgericht Innsbruck am 17. 5. 2021 sein Rechtshilfeersuchen durch Nachreichung von Unterlagen.
[3] Nachdem die Schuldnerin trotz erfolgter Ladung auch vor dem Bezirksgericht Leibnitz nicht erschienen war, stellte dieses am 16. 6. 2021 den Akt dem Landesgericht Innsbruck unerledigt mit dem Bemerken zurück, eine Vorführung der Geschäftsführerin der Schuldnerin sei [im Gesetz] nicht vorgesehen; zur Begründung fügte das Bezirksgericht „ Übertsroider in Konecny , Insolvenzgesetze § 70 IO Rz 119“ an.
[4] Mit Beschluss vom 24. 6. 2021 ersuchte das Landesgericht Innsbruck das Bezirksgericht Leibnitz um zwangsweise Vorführung und Einvernahme der Schuldnerin zu den Insolvenzvoraussetzungen. Es führte dabei – unter Berufung auf mehrere Entscheidungen – aus, warum eine Vorführung statthaft sei.
[5] Das Bezirksgericht Leibnitz stellte am 1. 7. 2021 den Akt dem Landesgericht Innsbruck unter ausdrücklicher „Ablehnung des Rechtshilfeersuchens wegen Unerlaubtheit“ unerledigt zurück. Es wiederholte – unter Anfügung weiterer Zitate – seinen Standpunkt, die Erzwingung des Erscheinens des Antragsgegners sei im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht vorgesehen.
[6] Das Landesgericht Innsbruck übermittelte am 12. 7. 2021 den Akt dem Bezirksgericht Leibnitz „mit dem neuerlichen Ersuchen um zwangsweise Vorführung und Einvernahme der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zur amtswegigen Abklärung des Vorhandenseins von kostendeckendem Vermögen“, dies unter Ergänzung seiner rechtlichen Ausführungen zur Statthaftigkeit einer Vorführung und Anfügung weiterer Zitate.
[7] Das Bezirksgericht Leibnitz legte den Akt dem Obersten Gerichtshof „zur Entscheidung gemäß § 37 Abs 6 JN“ mit einer Stellungnahme vor, in der es seinen Rechtsstandpunkt zur Frage der Statthaftigkeit einer Vorführung darlegte.
Rechtliche Beurteilung
[8] Diese Aktenvorlage ist verfehlt.
[9] 1. Wird einem Ersuchen auf Rechtshilfe eines inländischen Gerichts nicht oder nicht vollständig entsprochen oder entstehen sonstige Meinungsverschiedenheiten, so ist gemäß § 37 Abs 6 HalbS 1 JN die Vorschrift des § 40 JN sinngemäß anzuwenden. Zur Entscheidung ist gemäß § 37 Abs 6 HalbS 2 JN das beiden Gerichten übergeordnete Gericht berufen.
[10] 2.1. Bei Streitigkeiten über Rechtshilfeleistung zwischen zwei Gerichten verschiedener Oberlandes-gerichtssprengel entscheidet somit der Oberste Gerichtshof (RS0046222).
[11] 2.2. Aus dem sinngemäß anzuwendenden § 40 JN ergibt sich, dass nur das ersuchende Gericht berechtigt ist, um Entscheidung des Rechtshilfestreits zu ersuchen (Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 37 JN Rz 4; vgl auch ErläutRV 65 BlgNR 26. GP 156).
[12] 3. Es liegt daher hier allein am Landesgericht Innsbruck zu entscheiden, ob es den Obersten Gerichtshof iSd § 37 Abs 6 JN anruft. Eine andere Abhilfe als die Anrufung des übergeordneten Gerichts nach § 37 Abs 6 (iVm § 40) JN sieht das Gesetz für den Fall, dass einem Rechtshilfeersuchen nicht oder nicht vollständig entsprochen wird (oder sonstige Meinungsverschiedenheiten entstehen), nicht vor. Schon zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen – wie sie der vorliegende Fall zeigt – ist ein wiederholtes Insistieren auf der Rechtshilfe gegenüber dem ersuchten Gericht, nachdem dieses bereits ausdrücklich die Rechtshilfe verweigert hat, im Gesetz nicht festgelegt.
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