European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080NC00031.15Y.0625.000
Spruch:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 12. Februar 2015, GZ 10 Pu 22/14y‑43, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Hernals wird genehmigt.
Begründung
Mit Beschluss vom 12. Februar 2015 zu 10 Pu 22/14y‑43 übertrug das Bezirksgericht Villach gemäß § 111 JN die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache des mj C***** an das Bezirksgericht Hernals, weil sich der Minderjährige jetzt ständig in ***** aufhalte. Dieser Beschluss erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Das Bezirksgericht Hernals verweigerte die Übernahme mit dem Hinweis darauf, dass der kopierte Akt unvollständig, unübersichtlich und verwirrend sei und Ordnungsnummern fehlten; außerdem werde ein Geschwisterakt getrennt, obwohl die Eltern die gemeinsame Obsorge hätten und die Mutter ihren Wohnsitz nach wie vor in Kärnten habe (ON 45 und ON 50).
Das übertragende Gericht legte daraufhin die Akten dem Obersten Gerichtshof (irrtümlich zur „Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt“) vor.
Die Übertragung ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nach Abs 2 dieser Bestimmung ist die Übertragung nur dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt oder im Falle der Weigerung des anderen Gerichts eine Genehmigung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht ‑ dies ist hier der Oberste Gerichtshof - erfolgt.
Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist immer das Kindeswohl (RIS‑Justiz RS0047074). Nach ständiger Rechtsprechung wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RIS‑Justiz RS0047300 uva). Offene Anträge sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, sofern nicht dem übertragenden Gericht für die ausstehende Entscheidung besondere Sachkenntnis zukommt (RIS‑Justiz RS0047032).
Der mj C***** (15 Jahre alt) befindet sich nach der Aktenlage seit April 2014 (wieder) im Haushalt seines Vaters G*****, der nun seit Februar 2015 in *****, wohnt. Der rund zwei Jahre ältere Bruder des Minderjährigen, A*****, lebt seit Jänner 2015 (nach vorherigem Aufenthalt in einer Wohngemeinschaft) wieder im Haushalt der Mutter C*****. Den Eltern kommt die gemeinsame Obsorge für beide Minderjährigen zu. Seit Mai 2014 ist die Mutter (wieder) zur Unterhaltleistung für C***** verpflichtet.
Der Lebensmittelpunkt des Minderjährigen sowie der von dessen Vater liegt nun im Sprengel des Bezirksgerichts Hernals und das Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 14, 15, 16, hat die Weiterführung der Vertretung in Unterhaltsangelegenheiten des mj C***** übernommen. Dies ist im Sinn der dargelegten Erwägungen ausschlaggebend, zumal keine Umstände erkennbar sind, aus denen auf eine „besondere Sachkenntnis“ des übertragenden Gerichts für die ausstehende Entscheidung über den derzeit offenen Antrag der Mutter auf Herabsetzung ihres bisher zu leistenden monatlichen Unterhaltsbetrags zu schließen ist. Dass die Aufteilung einer für Geschwister geführten Pflegschaftssache im Allgemeinen als nicht zweckmäßig anzusehen ist (RIS‑Justiz RS0047074 [T8]), trifft zwar zu, spielt aber hier keine Rolle: Beide Minderjährigen befinden sich bereits im fortgeschrittenen Alter, ihre Wohnsitze (und die ihrer Eltern) sind ohnedies getrennt und das im Jahr 2007 begonnene Verfahren betraf bisher ausschließlich Fragen der (Weiter‑)Gewährung von Unterhaltsvorschüssen und die Unterhaltsverpflichtungen der beiden Elternteile, sodass die Notwendigkeit eines wechselseitigen Abstimmens von Maßnahmen oder ein besonderer Informationsaustausch nicht im Vordergrund steht.
Dass der Akt übersichtlich, geordnet und nicht verwirrend zu sein hat, versteht sich von selbst und wird vom übertragenden Gericht sicherzustellen sein. Mit der Frage, ob die Übertragung der Zuständigkeit dem Kindeswohl entspricht, hat dies aber nichts zu tun.
Die Übertragung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht des Aufenthaltsorts des Kindes ist daher zu genehmigen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)