European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080NC00002.16K.0219.000
Spruch:
Die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. H***** ist als Mitglied des 1. Senats im Revisionsverfahren zu AZ ***** ausgeschlossen.
Der Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. S***** und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. B*****, Mag. W***** und Mag. Dr. W***** sind als Mitglieder des 1. Senats im Revisionsverfahren zu AZ ***** befangen.
Begründung
Bei dem zugrunde liegenden Verfahren handelt es sich um ein Amtshaftungsverfahren. Der Kläger leitet die geltend gemachten Amtshaftungsansprüche aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen im September 2011 und das dadurch erloschene Recht zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ab. Er bezieht sich dabei sowohl auf die Entscheidung des Handelsgerichts Wien (3 S *****) als auch auf die bestätigende Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht (28 R *****) im Insolvenzverfahren.
Im zugrunde liegenden Amtshaftungsverfahren hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Das Oberlandesgericht Linz hat der Berufung des Klägers nicht Folge gegeben. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die außerordentliche Revision des Klägers gegen diese Entscheidung.
Für die Behandlung der außerordentlichen Revision ist nach den Bestimmungen der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs der 1. Senat zuständig. An der inkriminierten Rekursentscheidung im Insolvenzverfahren wirkte Dr. H***** als Berichterstatterin mit. Sie ist zwischenzeitlich Mitglied des 1. Senats des Obersten Gerichtshofs. Diesem Senat gehören zudem der Senatspräsident Hon.‑Prof. Dr. S***** und die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. B*****, Mag. W***** und Mag. Dr. W***** als weitere Mitglieder an.
Hofrätin Dr. H***** zeigte mit Note vom 7. 1. 2016 ihre Ausgeschlossenheit, in eventu ihre Befangenheit an. Aufgrund des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs stehe sie zur beklagten Partei im Verhältnis einer Regresspflichtigen. Aufgrund ihrer persönlichen Betroffenheit sehe sie sich auch nicht in der Lage, objektiv und unbefangen zu urteilen.
Der Senatsvorsitzende und die übrigen Mitglieder des 1. Senats zeigten mit späterer Note ihre Befangenheit an. Sie würden sich zwar ungeachtet der Mitwirkung ihrer Senatskollegin an der inkriminierten Rekursentscheidung imstande sehen, das Rechtsmittel im Amtshaftungsverfahren objektiv zu beurteilen. Eine Befangenheit könne aber insoweit vorliegen, als bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein ihrer Voreingenommenheit entstehen könnte.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
1. Nach § 20 Abs 1 Z 1 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramts in bürgerlichen Rechtssachen ausgeschlossen, in denen sie selbst Partei sind, oder in Ansehung deren sie zu einer der Parteien im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen stehen.
Im Fall einer erfolgreichen Amtshaftungsklage kann der Schadenersatz leistende Rechtsträger gemäß § 3 Abs 1 AHG vom handelnden Organ unter bestimmten Voraussetzungen Rückersatz verlangen. Hofrätin Dr. H***** kommt daher die Stellung als potentiell Regresspflichtige zu. Diese Qualifikation schließt sie nach der zitierten Gesetzesstelle von der Mitwirkung an der Entscheidung über die außerordentliche Revision im Amtshaftungsverfahren aus (vgl 9 Nc 34/12t).
2. Auch die Befangenheitsanzeigen sind berechtigt.
Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dafür genügen Tatsachen, die ‑ bei objektiver Betrachtungsweise ‑ auch nur den Anschein einer Voreingenommenheit hervorrufen können. In dieser Hinsicht kommen vor allem persönliche Nahebeziehungen und private Kontakte zu einer Prozesspartei als Befangenheitsgründe in Betracht. Das Gleiche gilt für solche Kontakte zum Rechtsvertreter einer Partei, die über einen rein kollegialen Kontakt hinausgehen (8 Nc 42/15s; 8 Nc 48/15y).
Im Sinn des § 20 Abs 1 Z 1 JN wird zwischen der Stellung als Verfahrenspartei und jener als Regresspflichtiger einer Verfahrenspartei wertungsmäßig kein Unterschied gemacht. Dies bedeutet, dass auch eine besondere Nahebeziehung eines Richters zu einem potentiell Regresspflichtigen einer Verfahrenspartei als Befangenheitsgrund in Betracht kommt. Wird etwa dem Kläger bekannt, dass über die von ihm geltend gemachten Amtshaftungsansprüche gerade die Senatskollegen jener Richterin zu entscheiden haben, aus deren Tätigkeit die Ansprüche abgeleitet werden, so kann für ihn zumindest der Anschein entstehen, dass die Entscheidung über die Amtshaftungsansprüche auch von der Rücksichtnahme auf die Senatskollegin beeinflusst ist. Die kontinuierliche enge Zusammenarbeit in einem Senat, die von regelmäßigen Diskussionsprozessen geprägt ist, kann von Außenstehenden demnach als besondere, über ein gewöhnliches kollegiales Verhältnis hinausgehende Nahebeziehung aufgefasst werden, die sich unsachlich auf die Entscheidungsfindung im Amtshaftungsprozess auswirken kann. Auch wenn subjektiv keine Befangenheit besteht, muss angesichts des anzulegenden strengen Maßstabs schon der Anschein der Voreingenommenheit ausgeschlossen sein. Senatspräsident Hon.‑Prof. Dr. S***** sowie die übrigen Stammmitglieder des zur Entscheidung berufenen 1. Senats waren daher im Sinn des § 19 Z 2 JN für befangen zu erklären (vgl ebenfalls 9 Nc 34/12t).
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