European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E129636
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Beklagte errichtete im Objekt * Wien, * mehrere Dachgeschosswohnungen im Wege eines „Dachgeschossausbau leicht“. Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 21. 3. 2014 132/4331 Anteile an der Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top 21 und mit Kaufvertrag vom 14. 7. 2014 97/4331 Anteile verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top 20. Die beiden Kaufverträge enthielten jeweils folgende Passagen im Abschnitt „Gewährleistung“.
„6.4 Für die sonstige (bauliche) Beschaffenheit des eigentlichen Vertragsgegenstands (…) haftet die Verkäuferin im Rahmen der Bestimmungen des Vertrags sowie der einschlägigen gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen. Insbesondere steht sie dafür ein, dass der Bau durch hierzu befugte Gewerbsleute nach den anerkannten Regeln der Bautechnik durchgeführt wird. (…).
Die den Verträgen jeweils beigefügte Bau‑ und Ausstattungsbeschreibung beschreibt die Konstruktion als Dachgeschossausbau 'leicht' Stahlkonstruktion nach statischen Erfordernissen.“
Der jedenfalls einzuhaltende Trittschallpegel nach ÖNORM B 8115 beträgt 48 dB (Standard‑Klasse C). Bei Übergabe der Wohnungen an den Kläger (Top 21 am 31. 7. 2014 und Top 20 am 31. 10. 2014) war der Fußbodenaufbau in der darüber liegenden Wohnung Top 23 noch nicht hergestellt. Nunmehr – nach Fertigstellung und Übergabe der Wohnung Top 23 an die Käuferin – wird der Trittschallgrenzwert von 48 dB in manchen Räumen der Wohnungen des Klägers überschritten. Grund dafür ist, dass die Käuferin der Wohnung Top 23 vor der Schüttung ihres Fußbodens Leerverrohrungen bzw Kabel in einem außergewöhnlich großen und so von der Beklagten zunächst nicht vorgesehenen Umfang verlegen ließ und dabei auch die vertraglich vereinbarte Schnittstelle zwischen den Gewerken (etwa den vereinbarten Leitungsvorrang) verletzte. Die Beklagte ließ daher zunächst die Bauarbeiten einstellen und beauftragte die Nebenintervenientin mit einer ergänzenden Beurteilung. Diese schlug eine Reihe ergänzender Maßnahmen vor (welche auch umgesetzt wurden), um etwa mit zusätzlichem bzw schwererem Füllmaterial die Masse wieder einzubringen, die durch die Verrohrung verloren wurde, um damit die Trittschallwerte einzuhalten. Ohne das von der Käuferin der Wohnung Top 23 eingebrachte, unerwartet große Ausmaß an Leitungen und Verrohrungen würde der Grenzwert für den Trittschallpegel von ≤ 48 dB eingehalten werden.
Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, eine Verbesserung der Trittschalldämmung in der Wohnung Top 23 vorzunehmen, sodass ein Geräuschpegel mit dB‑Werten von LnTw≤ 38 dB [in eventu 43 dB, in eventu 48 dB] in den Wohnungen Top 20 und 21 erreicht wird (Punkt 1.); hilfsweise eine Verbesserung der Trittschalldämmung in den Wohnungen Top 20 und Top 21 vorzunehmen, sodass ein Geräuschpegel mit dB‑Werten von LnTw≤ 38 dB [in eventu 43 dB, in eventu 48 dB] erreicht wird (Punkt 2.); hilfsweise eine Verbesserung der Trittschalldämmung in der Wohnung Top 23 vorzunehmen, sodass ein Geräuschpegel mit dB‑Werten LnTw ≤38 dB [in eventu 43 dB, in eventu 48 dB] in den Wohnungen Top 20 und 21 durch näher genannte Verbesserungsarbeiten an der Decke/am Boden zwischen diesen Wohnungen, erreicht wird. Wiederum hilfsweise begehrte der Kläger die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm 610.540 EUR sA aus dem Titel der Preisminderung zu zahlen. Die Beklagte habe mangelhaft geleistet, weil sie den für das Luxusobjekt schlüssig vereinbarten erhöhten Schallschutz von 38 dB, in eventu von 43 dB, in eventu den jedenfalls geschuldeten Wert von 48 dB verfehlt habe. Die Beklagte habe die über den Wohnungen des Klägers liegende Wohnung Top 23 ca ein Jahr lang nach der Übergabe der Wohnung an den Kläger ausgebaut. Bereits in diesem Jahr sei es regelmäßig zu übermäßiger Schallübertragung in die Wohnungen des Klägers gekommen. Dem Kläger sei zwar bekannt gewesen, dass es aufgrund des zeitversetzten Ausbaus der Wohnung Top 23 zunächst noch zu Lärmbelästigungen kommen würde, diese seien auch nicht Gegenstand des Verfahrens. Jedenfalls sei die Beklagte verpflichtet gewesen, nach Übergabe der Wohnungen an den Kläger den Bodenaufbau in der Wohnung Top 23 so herzustellen, dass die Wohnungen des Klägers den vertraglich zugesicherten Zustand hinsichlich der (Tritt‑)Schalldämmung erreichen.
Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Die vom Kläger behaupteten Mängel seien bei der Übergabe der Wohnungen nicht vorhanden gewesen. Soweit minimale Überschreitungen des Grenzwerts für Trittschall gemessen worden seien, liege dies daran, dass der Eigentümer der Top 23 die von ihm ausgeführten Fertigstellungsmaßnahmen nicht ordnungsgemäß erbracht habe, indem er den Boden ohne vorgesehene Fugen/Unterbrechung verlegt und schwere (teilweise die zulässige Punktlast überschreitende) Möbelstücke aufgestellt sowie mit der Wand befestigt habe. Allenfalls liege auch eine verschmutzte Estrichrandfuge vor. All dies sei nicht der Beklagten, sondern dem Eigentümer der Wohnung Top 23 zuzurechnen und habe bei der Übergabe der Wohnungen noch nicht bestanden.
Die Nebenintervenientin schloss sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Beklagten an.
Das Erstgericht wies das Haupt‑ und die Eventualbegehren ab. Die Einhaltung eines strengeren als vorgeschriebenen (48 dB‑)Grenzwerts sei aufgrund der Herausforderungen für den Schallschutz im Leichtbau generell unüblich. Unabhängig von der allfälligen Vermarktung der Wohnungen als „Luxusobjekt“ sei daher von einem vertraglich geschuldeten Grenzwert von 48 dB auszugehen. Allerdings habe die Beklagte den Fußbodenaufbau oberhalb der Wohnungen des Klägers erst nach Übergabe der Wohnungen an ihn hergestellt. Damit fehle eine wesentliche Voraussetzung für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen, nämlich dass der Mangel bei Übergabe schon vorhanden gewesen sei. Auch handle es sich um keinen schon latent angelegten Mangel, da im Übergabezeitpunkt noch ein sach‑ und normgerechter Trittschallschutz geplant und erst durch die unerwarteten Modifikationen im Fußbodenaufbau nicht mehr in dieser Form umsetzbar gewesen sei. Der Kläger habe sich daher an den Eigentümer der über ihn gelegenen Wohnung – allenfalls unter Einbindung der Eigentümergemeinschaft – zu halten.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Entscheidungswesentlich sei die geschuldete Eigenschaft des Vertragsobjekts im Zeitpunkt der Übergabe. Wenn die Streitteile für den Zeitpunkt der Übergabe der Wohnung Top 20 und 21 auch schon die Fertigstellung der darüber gelegenen Wohnung, insbesondere die Fertigstellung des dortigen Fußbodenaufbaus, vereinbart hätten, hätte die Beklagte ihre dem Kläger geschuldeten Schallschutzmaßnahmen schon im Übergabszeitpunkt verfehlt, sodass insofern ein Gewährleistungsansprüche auslösender Mangel vorgelegen wäre. Bei Vereinbarung einer auf die Übergabe der Kaufgegenstände Top 20 und 21 erst nachfolgenden Fertigstellung der darüber gelegenen Wohnung Top 23 hätten die dem Kläger verkauften Wohnungen vorerst noch gar keines Trittschallschutzes bedurft; mangels jeglicher Trittschallbelastung vor dem Ausbau hätten sie diesfalls im Übergabezeitpunkt die vereinbarten Eigenschaften ohne weiteres aufgewiesen. Ansprüche aus dem Titel der Gewährleistung hätten später nicht mehr entstehen können.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin begehren in den ihnen freigestellten Revisionsbeantwortungen jeweils, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Die Sachlegitimation des Klägers zur Geltendmachung der vorliegenden Gewährleistungsansprüche aus seinen individuellen Verträgen mit der Beklagten wurde im erstgerichtlichen Verfahren nicht bestritten.
2.1 Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, leistet Gewähr, dass sie dem Vertrag entspricht. Er haftet also dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat, dass sie seiner Beschreibung, einer Probe oder einem Muster entspricht und dass sie der Natur des Geschäfts oder der getroffenen Vereinbarung gemäß verwendet werden kann (§ 922 Abs 1 ABGB).
2.2 Eine Leistung ist dann mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB, wenn sie qualitativ oder quantitativ hinter dem vertraglich Geschuldeten zurück bleibt. Der geschuldete Vertragsgegenstand wird durch die gewöhnlich vorausgesetzten oder die ausdrücklich oder stillschweigend zugesicherten Eigenschaften bestimmt (RS0018547 [T5]). Ob eine Eigenschaft als gewöhnlich vorausgesetzt anzusehen ist, hängt dabei nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben aus der Erklärung des Vertragspartners erschließen durfte. Seine berechtigte Erwartung ist an der Verkehrsauffassung zu messen (RS0114333). Die Mangelhaftigkeit eines Leistungsgegenstands ist allerdings nicht abstrakt, sondern immer aufgrund des konkreten Vertrags zu beurteilen (RS0107680, RS0126729). Ein Kaufgegenstand muss demnach der Natur des Geschäfts oder der geschlossenen Verabredung entsprechend benützt und verwendet werden können (RS0114333 [T3]). Die Vertragsparteien können daher eine Sache, die objektiv gesehen mangelhaft ist, durchaus als vertragsgemäß ansehen. Nur wenn eine Vereinbarung über die geschuldeten Eigenschaften des Leistungsgegenstands fehlt, sind die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften der veräußerten Sache maßgebend (RS0107681).
2.3 Gemäß § 924 ABGB leistet der Übergeber nur für Mängel Gewähr, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Auch § 924 Satz 2 ABGB berührt allerdings in keiner Weise die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels an sich, die Beweislast dafür, dass die übergebene Sache bzw Leistung aus Werkvertrag überhaupt mangelhaft ist, trägt somit weiterhin der Übernehmer der Sache (RS0124354). Will sich der Übernehmer auf die widerlegliche Gesetzesvermutung berufen, hat er somit die (nunmehrige) Mangelhaftigkeit der Sache und das Hervorkommen eines Mangels innerhalb der Frist von sechs Monaten zu beweisen (RS0124354 [T6]).
3. Unstrittig ist mittlerweile, dass hinsichtlich beider Wohnungen des Klägers die Herstellung einer Trittschalldämmung derart geschuldet ist, dassein Trittschallpegel von 48 dB nicht überschritten wird.
3.1 Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt es für die Frage des Vorliegens des Mangels nicht auf eine tatsächliche 48 dB übersteigende Trittschallemission in den Wohnungen des Klägers an, sondern darauf, ob aufgrund der Bauweise der genannte Trittschallpegel ≤ 48 dB eingehalten wird. Dass zum Zeitpunkt der Übergabe der Wohnungen an den Kläger die vertraglich geschuldete Trittschalldämmung überhaupt fehlte, begründet an sich den geltend gemachten Baumangel.
3.2 Richtig ist, dass der Kläger vorbrachte, ihm sei bekannt gewesen, dass es aufgrund des zeitversetzten Ausbaus der Wohnung Top 23 zunächst noch zu Lärmbelästigungen kommen würde, jedoch sei die Beklagte verpflichtet gewesen, nach Übergabe der Wohnungen an ihn den Bodenaufbau in der Wohnung Top 23 so herzustellen, dass in seinen Wohnungen der vertraglich zugesicherte Zustand hinsichtlich der Trittschalldämmung erreicht werde.
3.3 Dieses Vorbringen könnte dahin verstanden werden, dass der Leistungszeitpunkt für die bauliche Herstellung der Trittschalldämmung nicht mit der tatsächlichen Übergabe der Wohnungen an den Kläger, sondern erst mit dem Zeitpunkt des erfolgten Ausbaus der Wohnung Top 23 festgelegt wurde. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung hätte die Beklagte dann die Einhaltung des höchstzulässigen Trittschallpegels von ≤ 48 dB mit diesem Zeitpunkt geschuldet. Läge eine solche Vereinbarung vor, wäre für diesen Teil der Gesamtleistung von einem späteren Übergabszeitpunkt auszugehen und zu prüfen, ob zu diesem Zeitpunkt die behaupteten Mängel vorlagen oder nicht.
3.4 Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien die Frage des Übergabszeitpunkts im Zusammenhang mit der Trittschalldämmung zu erörtern haben. Bleibt es beim ursprünglichen Übergabszeitpunkt der Wohnungen, dann läge der Mangel bereits darin, dass zu diesem Zeitpunktdie baulichen Maßnahmen für die geschuldete Trittschalldämmung ≤ 48 dB überhaupt fehlten. Wäre durch eine – bisher von keinen Feststellungen getragene – Vereinbarung der Übergabszeitpunkt für die Trittschalldämmung hinausgeschoben worden, dann bedürfte es Feststellungen, die die Beurteilung zulassen, ob in dem dann vereinbarten Übergabszeitpunkt für die Trittschalldämmung der geltend gemachte Mangel vorlag.
3.5 In diesem Zusammenhang ist es auch unerheblich, ob der Wohnungseigentümer der Wohnung Top 23 die mangelhafte Trittschalldämmung durch die Verlegung von Leerverrohrungen und Kabel im Fußbodenaufbau (mit‑)verursachte. Besteht der Mangel bereits im Fehlen der entsprechenden Trittschalldämmung zum Zeitpunkt der Übergabe der Wohnungen, dann kommt es schon aus diesem Grund nicht auf allfällige vom Eigentümer der Wohnung Top 23 nachträglich gesetzte Maßnahmen an. Wurde der Übergabszeitpunkt hinsichtlich der Trittschalldämmung hinausgeschoben, dann wäre es Sache der Beklagten gewesen, einen durch Komplettierungsarbeiten des Wohnungseigentümers der darüber liegenden Wohnung verursachten Mangel an der dem Kläger geschuldeten Trittschalldämmung zu verhindern bzw zu sanieren. Relevanz käme den von diesem Wohnungseigentümer gesetzten Maßnahmen lediglich dann zu, wenn die Trittschalldämmung von der Beklagten zum Zeitpunkt ihrer Übergabe ordnungsgemäß erbracht war, und erst danach durch die vom Wohnungseigentümer der Top 23 gesetzten Maßnahmen eine nachteilige Veränderung erfuhr.
4. Der Revision war daher Folge zu geben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
5. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
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