OGH 7Ob81/97f

OGH7Ob81/97f21.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anita E*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Schiestl und Dr.Karl Janowsky, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Werner K*****, und 2.Ing.Peter K*****, beide vertreten durch Dr.Markus Zoller, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung (Streitwert S 160.000,-- sA), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Jänner 1997, GZ 3 R 218/96z-34, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.August 1996, GZ 8 Cg 278/95y-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Berufungsurteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 26.853,78 (darin S 4.475,60 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 23.782,-- (darin S 1.534,50 USt und S 14.575,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Mutter der Streitteile hat mit Übergabsvertrag vom 6.9.1990 der Klägerin ihren (geschlossenen) Hof in A***** ins Eigentum übertragen, wobei sie sich ein Wohnrecht an den bisher von ihr benützten Räumen vorbehielt. Damals wie heute lebten bzw leben dort der Ehegatte der Mutter und Vater der Streitteile sowie der Erstbeklagte. Die Brüder der Klägerin, so auch die beiden Beklagten, haben im Zusammenhang mit der Übergabe teilweise auf ihren Pflichtteil verzichtet. Ihre Pflichtteile wurden im Grundbuch mit je S 100.000,-- sichergestellt. Zweck des Übergabsvertrages war es, der damals mit ihrem Ehegatten in beengten finanziellen Verhältnissen lebenden Klägerin eine neue wirtschaftliche Basis zu verschaffen. Geplant war der Umbau des geschlossenen Hofes in ein Appartementhaus. Aus diesem Grund wurde im Übergabsvertrag auch vereinbart, daß in einem neu zu errichtenden Gebäude der Mutter der Streitteile wieder das Wohnrecht einzuräumen ist und sie während der Bauzeit Anrecht auf eine Ersatzwohnung hat. Im Übergabsvertrag wurde festgehalten, daß die Liegenschaft frei von jeglichen Bestand-, Wohn- und Fruchtgenußrechten ist. Vertragserrichter war der Innsbrucker Notar Dr.Z*****. Der Erstbeklagte hat bis 1993 stets sein Auto vor dem Hof auf hofeigenem Grund geparkt, der Zweitbeklagte stellt bei Besuchen seiner Mutter ebenfalls sein Auto dort ab. Im Zuge der Scheidung der Ehe der Klägerin und ihrer Rückkehr in das elterliche Haus kam es zu Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und ihrer Mutter, die die Klägerin in der Folge aus dem Hause verwies. Daraufhin untersagte die Klägerin den beiden Beklagten die Benützung des Hofes als Parkplatz.

Mit der vorliegenden Unterlassungsklage behauptet die Klägerin, die Beklagten hätten keinerlei Rechte an der ihr allein gehörenden Hoffläche. Die Erstbeklagte wohnte titellos in der Wohnung ihrer Mutter. Hätte die Mutter die Übergabe von einer Rechtseinräumung an die beiden Beklagten abhängig gemacht, hätte die Klägerin den Übergabsvertrag nicht abgeschlossen.

Die Beklagten beantragten die Klagsabweisung und wendeten ein, daß sich die Mutter bei der Übergabe das Recht vorbehalten habe, von Familienangehörigen mit dem PKW besucht zu werden. Im übrigen sei der Mutter kein Wohn-, sondern ein Fruchtgenußrecht eingeräumt worden. Der Mutter seien alle bewohnbaren Teile des Hauses ohne Einschränkung zur Benützung überlassen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es kam aufgrund der Aussage des Vertragserrichters Dr.Z***** zur Feststellung, daß bei den zum Übergabsvertrag führenden Besprechungen ausdrücklich erwähnt wurde, daß "punkto Benützung alles beim alten bleibe" (vgl. S 14 der Urteilsausfertigung = AS 205). Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß die laut Übergabsvertrag wohnberechtigte Mutter aufgrund des Zugeständnisses der Klägerin, daß alles beim alten zu bleiben habe, berechtigt gewesen sei, den beiden Beklagten das Parken im Hof in Form einer leihweisen Überlassung der Parkfläche zu gestatten. Die Zusage der Klägerin, daß alles beim alten zu bleiben habe, inkludiere auch für den Erstbeklagten ein Wohnrecht. Von einer Bittleihe sei nicht auszugehen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil mit der angefochtenen Entscheidung in eine Klagsstattgebung ab. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand als mit S 50.000,-- übersteigend und sprach aus, daß eine ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Es kam nach einer Beweiswiederholung zu folgenden vom Erstgericht abweichenden Feststellungen:

Es ist nicht erwiesen, daß in dem zwischen der Klägerin und der Mutter der Streitteile über die erwähnte Liegenschaft geschlossenen Übergabsvertrag oder aus Anlaß dieses Vertrages ein den Beklagten hinsichtlich dieser Liegenschaft zukommendes Nutzungsrecht irgendeiner Art vereinbart wurde. Von dem im Übergabsvertrag zugunsten der Mutter der Streitteile vereinbarten "Wohnungsrecht" sollten nach dem übereinstimmenden Willen der Klägerin und ihrer Mutter lediglich die damals von letzterer bewohnten Teile des Gebäudes, welches auch aus unbewohnbaren sonstigen Räumen besteht, umfaßt sein. Nicht erwiesen ist, daß dieses "Wohnungsrecht" von der Klägerin und der Mutter der Streitteile bei Abschluß des Übergabsvertrages in Form eines Wohnungsfruchtgenußrechtes vereinbart wurde.

Bei Würdigung der Beweismittel führte das Berufungsgericht aus, daß es den Beklagten nicht gelungen sei, eine über den Inhalt der Vertragsurkunde hinausgehende Rechtseinräumung nachzuweisen.

Rechtlich folgerte das Berufungsgericht, daß es sich beim vereinbarten Wohnrecht um ein bloßes Wohngebrauchsrecht handle; diese Rechtsfigur erlaube keine Ausdehnung des Benützungsrechtes auf Hofflächen zum Garagieren von PKWs. Landwirtschaftlich genützte Grundstücke wie vorliegend der Hof könnten schon nach ihrer Art nicht Gegenstand eines Wohnungsfruchtgenußrechtes sein.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von den Beklagten erhobene Revision ist zulässig und berechtigt.

Soweit in der Verlesung der Aussage des Zeugen Dr.Z***** vor dem Berufungsgericht ein Verfahrensverstoß gesehen werden sollte, kommt diesem keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Die Klägerin hat sich bei Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellung, daß trotz Abschluß des Übergabsvertrages mit ihrer Mutter "alles beim alten zu verbleiben hat", nur dagegen gewandt, daß aus Anlaß dieses Vertragsabschlusses den beiden Beklagten keine Rechte gleich jenen, die ihrer Mutter darin eingeräumt worden sind, zugestanden worden sind (vgl. AS 213 f in ON 29). Sie ließ aber die in dieser Feststellung enthaltene weitere Feststellung, daß ihr die bisherigen Benützungsverhältnisse in den von der Mutter bewohnten Räumen bekannt waren (vgl. AS 199 in ON 28), unbekämpft. Sie hat dazu weder vorgebracht noch bewiesen, daß sie mit dem Abschluß des Übergabsvertrages diese Benützungssituation verändern oder beenden wollte; vielmehr sagte sie zur Wohnsituation ihres Vaters aus, daß sie gegen ihn, obwohl er kein Recht habe, nichts unternehmen werde, "weil er zur Mutter gehöre" (vgl AS 173 in ON 27). § 863 ABGB iVm §§ 870 ff und § 914 ABGB zeigen, daß es für das Vorliegen ebenso wie für die Bedeutung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung nicht primär auf den Willen des Erklärenden, sondern vielmehr auf das Verständnis ankommt, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat. Die Einschränkung, daß der Gegner auch wirklich vertraut hat, gilt jedenfalls dann, wenn der Erklärende selbst nicht vom "objektiven" Sinn seiner Erklärung ausgegangen ist. Sie folgt aus richtigem Verständnis der Vertrauenstheorie, die nicht abstrakt den "Verkehr", sondern das Vertrauen eines konkreten Erklärungsempfängers schützt. Negativ bedeutet diese Auffassung beim Vertragsabschluß, daß ein "objektiver" Vertragsinhalt, der von den Partnern übereinstimmend nicht gewollt ist, auch nicht auf ihren Willen zurückgeführt werden kann, demzufolge auch nur insoweit gilt, als eine entsprechende Vertragsergänzung zulässig und geboten ist (vgl Rummel in Rummel ABGB2 § 863 Rz 8 mwN). Von dieser Sachlage aus beurteilt wurde bei Abschluß des Übergabsvertrages auch von der Klägerin stillschweigend vom Weiterbestehen der bisher bestandenen Benützungssituation durch ihren Vater und durch ihre Geschwister ausgegangen. Es bedurfte daher gar keiner Einräumung eines besonderen Rechtes zugunsten der beiden Beklagten bzw des Vaters, weil die Klägerin nicht übersehen konnte, daß diese Personen trotz Übergabe der Liegenschaft von der Mutter auf sie in der Wohnung der Mutter weiter wohnen und auch den Parkplatz weiter wie bisher benützen werden und daß dies auch der Wille der den Hof übergebenden Mutter war. Die Klägerin hätte, falls sie mit der Beibehaltung der bisherigen Benützungssituation nicht einverstanden gewesen wäre, ausdrücklich verlangen müssen, daß der Vater bzw ihre Geschwister aus den Räumen der Mutter ausziehen müssen bzw der Zweitbeklagte beim Besuch seiner Mutter den Parkplatz nicht mehr benützen darf. Dies hat die Klägerin nicht getan, vielmehr hat sie diesen Personen durch den Vertragsabschluß in Kenntnisnahme der bestehenden Benützungssituation ein von der Zustimmung ihrer Mutter abhängiges familienhaftes Mitbenützen der von ihrer Mutter benützten Räume bzw Flächen stillschweigend zugestanden. Insoweit steht die im Übergabsvertrag aufgenommene Bestimmung, daß die Liegenschaft bestand bzw belastungsfrei sei, dazu nicht im Widerspruch. Geht man aber davon aus, dann bedurfte es keiner zusätzlichen Zusage, wie sie das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz im Rahmen der Beweiswiederholung verneint hat.

Da sich sohin das Begehren der Klägerin als unberechtigt erweist, war der Revision der Beklagten Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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