OGH 7Ob7/84

OGH7Ob7/8411.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef A*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Heinz Oppitz, Rechtsanwalt in Linz, wegen 344.940 S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. November 1983, GZ 2 R 213/83‑17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 21. Juni 1983, GZ 7 Cg 187/83‑11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00007.840.1011.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 13.225,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.880 S Barauslagen und 940,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war am 20. 10. 1981 bei der beklagten Partei mit dem Neuwert seines Hauses in N***** gegen Feuer versichert. Die vereinbarten Versicherungs‑Sonderbedingungen enthalten, anders als etwa die Sonderbedingungen für die Neuwertversicherung von Landwirtschaften, keine ausdrückliche Bestimmung, dass Fremdleistungen wie Leistungen eines Selbsthilfevereins, welche der Versicherungsnehmer aus Anlass des Schadensfalles erhält, die Versicherungsleistung mindern. Die beklagte Partei hat nach dem Brand den Neuwert des versicherten Objekts abzüglich jener Leistungen ersetzt, die der „Selbsthilfeverein nach Brandfällen der Gemeinde N*****“ für den Kläger erbracht hat. Diese Differenz bildet den Klagsbetrag.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt, nachdem das Bundesministerium für Finanzen als Versicherungsaufsichtsbehörde aufgrund einer Anfrage nach umfangreich durchgeführten Erhebungen zur Ansicht gelangt war, dass der Selbsthilfeverein nach Brandfällen der Gemeinde N***** keine Versicherungsgeschäfte betreibt und auch nicht als kleiner Versicherungsverein im Sinne des § 62 VAG, BGBl 1978/569, anzusehen ist. Der Erstrichter vertrat aufgrund des dargestellten Sachverhalts die Rechtsansicht, dass eine Berechtigung des beklagten Versicherers zur Minderung der Versicherungsleistung im Umfange von Fremdleistungen eines Selbsthilfevereins nicht vereinbart worden sei, eine Doppelversicherung infolge der durch die Versicherungsaufsichtsbehörde vorgenommenen negativen Qualifikation des Vereins als Versicherungsverein nicht vorliege und das Klagebegehren auch nicht gegen das Bereicherungsverbot der §§ 55 und 59 VersVG verstoße. Auf den von der beklagten Partei behaupteten Handelsbrauch, Leistungen von Selbsthilfevereinen bei Berechnung der Entschädigung anzurechnen, sei nicht einzugehen gewesen, weil es gegen Treu und Glauben verstoße, sich auf einen Handelsbrauch zu berufen, um sich dadurch einer Vertragspflicht zu entziehen. Es fehle aber auch an einem konkreten Vorbringen der beklagten Partei, dass sich alle oder doch die meisten Versicherungsunternehmungen so wie behauptet verhielten.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat auf der dargestellten Tatsachengrundlage die Rechtsansicht, dass aus dem Vergleich der verschiedenen Sonderbedingungen für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen sei, sondern die strittige Rechtsfrage der Anrechenbarkeit der Leistungen des Selbsthilfevereins unmittelbar aus dem Gesetz gelöst werden müsse. Nach § 55 VersVG sei der Versicherer nicht verpflichtet, dem Versicherungsnehmer mehr als den Betrag des Schadens zu ersetzen. Auch Ansprüche gegen einen Dritten auf Ersatz eines Sachschadens dürften zu keiner Befriedigung über den Betrag des Schadens führen. Nur rein freiwillige Zuwendungen brauche sich der Versicherungsnehmer nicht anrechnen zu lassen. Der Kläger habe aber als Mitglied des Selbsthilfevereins einen nach Maßgabe der Statuten durchsetzbaren rechtlichen Anspruch auf Hilfs‑ und Ersatzleistungen gehabt. Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb sich jene Mitglieder dieses Vereins, die Besitzer einer Landwirtschaft sind, nach den für diese Kategorie geltenden Sonderbedingungen sogenannte Fremdleistungen des Selbsthilfevereins anrechnen lassen müssten, andere Mitglieder desselben Vereins jedoch nicht. Eine solche Differenzierung könne weder Absicht des Gesetzgebers des Versicherungsvertragsgesetzes gewesen noch bei Verfassung der verschiedenen Sonderbedingungen Bedacht worden sein. Zur Anrechenbarkeit der Leistungen des Selbsthilfevereins gelange man übrigens auch bei wörtlicher Interpretation der für das Versicherungsverhältnis der Streitteile anzuwendenden Sonderbedingungen. Nach deren Punkt IV erwerbe der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung nur in dem Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert sei. Auch darin komme das gesetzliche Bereicherungsverbot des § 55 VersVG zum Ausdruck. Da der Kläger nach der in der Berufungsverhandlung erfolgten Außerstreitstellung das abgebrannte Gebäude inzwischen wieder hergestellt habe, sei ihm diese Wiederherstellung offensichtlich aufgrund der Leistung des Selbsthilfevereins in Verbindung mit der bisherigen Leistung der beklagten Partei möglich gewesen. Würde er den Klagsanspruch durchsetzen können, dann wäre er in der Höhe dieses Betrags, den er nicht mehr wiedmungsgemäß zur Wiederherstellung des abgebrannten Gebäudes benötige, bereichert.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Das Fehlen einer ausdrücklichen Bestimmung zu der strittigen Frage in den hier vereinbarten Versicherungsbedingungen mag, wie es das Berufungsgericht annimmt, darin seinen Grund haben, dass Selbsthilfevereine außerhalb der landwirtschaftlichen Betriebe nicht üblich sind. Dieses Fehlen einer ausdrücklichen Regelung hat aber zur Folge, dass der zusätzliche Inhalt anderer Versicherungsbedingungen auch nicht analog gilt, sondern die von der beklagten Partei gewünschte Berücksichtigung der Abzugspost nur stattfinden kann, wenn sie sich aus dem Gesetz oder aus anderen Punkten der Versicherungsbedingungen ergibt. Letzteres ist aber mit dem Berufungsgericht zu bejahen. Nach Punkt IV. der hier maßgebenden Sonderbedingungen erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teils der Entschädigung nur insoweit, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung den Wiederherstellungsaufwand nicht übersteigt, und in dem Umfange, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist. Wohl ist unter dem Wiederherstellungsaufwand nicht bloß jener Teil der Kosten zu verstehen, den der Geschädigte von der Versicherung erhält oder aus eigenen Mitteln aufbringt. Es spielt daher insoweit noch keine Rolle, dass nach der Außerstreitstellung der Parteien (S 13) die bisherigen Leistungen der beklagten Partei erst zuzüglich jener Leistungen, die der Selbsthilfeverein erbracht hat, den Ersatz des gesamten Schadens ausmachten, den der Kläger erlitten hat. Von entscheidender Bedeutung ist aber die in den Versicherungsbedingungen vereinbarte Beschränkung der Versicherungsleistung auf den Umfang, in dem die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle gesichert ist. Das bedeutet einerseits, dass die Wiedererrichtung des zerstörten Objekts nicht fraglich sein darf. Allerdings müssen nicht geradezu jene Beträge, die der Versicherungsnehmer vom Versicherer erhält, unmittelbar zum Wiederaufbau verwendet werden. Hätte etwa der Versicherungsnehmer den Wiederaufbau vorschussweise aus eigenen Mitteln finanziert, so würde dennoch die Versicherungsleistung mittelbar zur Wiederherstellung an der bisherigen Stelle dienen und letztere wäre auch so gesichert. Im vorliegenden Fall steht aber nicht nur außer Streit, dass der Kläger das abgebrannte Gebäude inzwischen wiederhergestellt hat (S 65), sondern überdies die Erbringung der über die bisherigen Leistungen des Versicherers hinaus notwendigen Leistungen zum Wiederaufbau durch den Selbsthilfeverein (S 13). Die vom Kläger begehrte weitere Versicherungsleistung der beklagten Partei würde bei dieser Sachlage in keiner Weise mehr dem Wiederaufbau des Objekts dienen, sondern dem Kläger unabhängig von den Wiederaufbaukosten zur freien Verfügung zukommen. Die Verwendung der Versicherungsleistung wäre nicht einmal mittelbar für die Zwecke des Wiederaufbaus gesichert oder erfolgt. Es kommt dann aber nicht mehr darauf an, dass die hier maßgebenden Versicherungsbedingungen nicht auch noch ausdrücklich eine Minderung der Versicherungssumme um die vom Selbsthilfeverein erbrachten Leistungen vorsehen. Schon die angeführte Verwendungsklausel schließt eine Deckungspflicht im strittigen Umfang aus.

Bei dieser Rechtslage kommt es auf eine Verletzung des Bereicherungsverbots des § 55 VersVG ( Prölss‑Martin , VVG 23 322) nicht mehr an. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang eine Bereicherung des Klägers durch die Leistungen der übrigen Mitglieder des Selbsthilfevereins erfolgt oder wegen seiner hypothetischen zukünftigen Gegenleistungen an andere Vereinsmitglieder nicht erfolgt ist.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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