Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Aufhebungsbeschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Die Entscheidung des Erstgerichtes wird dahin abgeändert, daß sie zu lauten hat:
Das Klagebegehren des Inhalts, das alleinige Verschulden an der mit Urteil des Gemeindegerichtes Kucevo, Jugoslawien, vom 17. Jänner 1996, GNr 12/96, anerkannt in Österreich durch Bescheid des Bundesministeriums für Justiz vom 14. Februar 1997, GZ 250.291/1‑I 9/1997 erfolgten Ehescheidung (Eheschließung vor dem Standesamt G***** bei München zu Nr 08/1993 am 19. März 1993) treffe die beklagte Partei, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit S 26.530,40 (hierin enthalten S 3.518,40 USt und S 5.420,‑- Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten aller drei Instanzen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Beide Parteien stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien (Serbien), sind jedoch österreichische Staatsbürger und schlossen am 19. 3. 1993 vor dem Standesamt G***** bei München in Deutschland zu Nr 08/1993 die Ehe. Ihr letzter gemeinsamer Wohnsitz war in Wien, M*****. Durch die Eheschließung wurden zwei Kinder (geboren 1990 und 1992) legitimiert.
Mit Urteil des Gemeindegerichtes Kucevo, Serbien, vom 17. 1. 1996, GNr 12/96, wurde diese Ehe im Einvernehmen der Streitteile gemäß § 84 Abs 1 des (serbischen) Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen rechtskräftig geschieden und die Pflege, Obsorge und Erziehung der Kinder dem Vater zugesprochen. Das österreichische Bundesministerium für Justiz erkannte mit Bescheid vom 14. 2. 1997, GZ 250.291/1‑I 9/1997, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung dieser Scheidung des Gemeindegerichtes Kocevo nach § 24 Abs 1 der vierten Durchführungsverordnung zum EheG gegeben sind (wobei zufolge eines offenkundigen Schreibfehlers in der Bescheidausfertigung das Datum des ausländischen Ehescheidungsurteiles statt richtig: 17. 1. 1996 die Jahreszahl „1997“ aufweist: ON 11).
Mit der am 18. 10. 1996 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten aus dessen Alleinverschulden nach § 49 EheG.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren, stellte einen Mitverschuldensantrag und wandte im übrigen - unter Hinweis auf das Scheidungsurteil des Gemeindegerichtes Kocevo - entschiedene Rechtssache ein. Nachdem das Bundesministerium für Justiz den bereits erwähnten Anerkennungsbescheid erlassen hatte, schränkte die Klägerin ihr Klagebegehren dahin ein, auszusprechen, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe den Beklagten allein treffe. Ein eventualiter gestelltes Unterhaltsbegehren wurde später wiederum zurückgezogen.
Das Erstgericht erkannte im Sinne dieses eingeschränkten Klagebegehrens und wies den Antrag des Beklagten, ein Mitverschulden der Klägerin auszusprechen, ab. Den in den Seiten 3‑5 der Urschrift (AS 73 ff) festgestellten und für die weitere Beurteilung nicht entscheidungswesentlichen - daher auch nicht weiter wiedergegebenen (§ 510 Abs 3 1. Satz ZPO) - Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, daß das jugoslawische Scheidungsurteil ohne Verschuldensausspruch erfolgt sei und sich dessen bescheidmäßige Anerkennung und damit Wirkung des Urteils in Österreich nur auf den Ausspruch der Scheidung als solche beziehe, sodaß der Einwand der res iudicata verfehlt sei. Zufolge böswilligen, heimtückischen Verlassens der Klägerin unter Mitnahme des gesamten Geldes und umgehender Aufnahme ehewidriger Beziehungen zu einer anderen Frau treffe das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe gemäß § 49 EheG den Beklagten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung und Verhandlung nach Verfahrensergänzung; der Rekurs gegen diesen Beschluß an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Auch wenn in der Judikatur für zulässig angesehen werde, daß in Österreich ein Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG nachgetragen werde, wenn ein ausländisches Gericht die Ehe wegen Getrenntlebens der Ehegatten ohne Verschuldensausspruch geschieden habe, könne dies nach Meinung des Berufungsgerichtes nicht für jenen Fall gelten, in dem der nunmehr klagende Ehegatte im Ausland einen solchen Scheidungsantrag gestellt habe, der auch bei Anwendung österreichischen Rechts zu einer Scheidung ohne Verschuldensausspruch geführt hätte. Die Frage, ob dann, wenn die klagende Partei selbst im Ausland einen Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung stellte, ihr dennoch in Österreich die Möglichkeit offenstehe, den Nachtrag des Verschuldensausspruches unter Anwendung österreichischen Rechtes zu begehren, sei vom Erstgericht nicht erörtert worden und hätten die Parteien daher keine Möglichkeit gehabt, zu dieser Frage und den zugrundeliegenden Tatsachen Stellungnahmen abzugeben. Darin sei im Ergebnis eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens gelegen, weil die Parteien durch die Berufungsentscheidung nicht mit einer nicht in Erwägung gezogenen Rechtsansicht konfrontiert werden sollten. Dies müsse zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Rückverweisung der Sache an das Erstgericht führen.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde zugelassen, weil zur Frage, ob eine Scheidungsergänzungsklage auf Ausspruch des Verschuldens des Beklagten auch dann zulässig sei, wenn die im Ausland erfolgte Scheidung im wesentlichen einer nach österreichischem Recht ebenfalls vorgesehenen einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG vergleichbar sei, soweit überblickbar oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte ordentliche Revisionsrekurs (richtig: Rekurs - § 519 Abs 1 Z 2 ZPO) der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat eine („Revisions‑“)Rekursbeantwortung (§ 521a Abs 1 Z 2 ZPO) erstattet, in welcher beantragt wird, dem Rechtsmittel der Gegnerin keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt, wenngleich zum Nachteil der Rechtsmittelwerberin, weil in der Sache selbst Spruchreife vorliegt und die unter Hinweis auf das Vorliegen einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ausgesprochene Zulassung des Rekurses die Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in jeder Richtung ermöglicht, wobei das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 519; 4 Ob 595/95; 7 Ob 2253/96s, 7 Ob 370/97f).
Vorauszuschicken ist, daß die vorliegende Rechtssache - wovon beide Vorinstanzen und auch die Parteien übereinstimmend ausgehen - zutreffend nach österreichischem Recht beurteilt wurde (§ 20 Abs 1 iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG). Die gesonderte Entscheidung über die Verschuldensfrage richtet sich nach dem Scheidungsstatut, für das wiederum das gemeinsame österreichische Personalstatut der Ehegatten maßgeblich ist (SZ 68/57; Hoyer in ZfRV [Glosse] 1987, 154 [155]).
Die Judikatur hat seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im Judikat 57 neu (SZ 25/331) im Hinblick auf die Ablehnung der Einheitlichkeit des Scheidungsverfahrens in der österreichischen Rechtsprechung die Möglichkeit einer (nachträglichen) Ergänzung des Verschuldensausspruches einer mit rechtskräftigem Urteil geschiedenen Ehe unter bestimmten Voraussetzungen bejaht (JBl 1991, 50; SZ 67/45) und die Lehre hat dem zugestimmt (Fasching IV 500 Anm 8 zu § 530; ders Lehrbuch2 Rz 2365; Jelinek, Die Wiederaufnahmsklage wegen neuer Tatsachen und Beweismittel im Eheprozeß, JBl 1968, 510 [514 f]). Eine solche Ergänzungsklage dient, wie schon ihr Name sagt (Jelinek aaO bezeichnet sie als „Schuldausspruchsänderungsklage“), der Nachholung oder Korrektur eines Schuldausspruches, der mangels Ausschöpfung vorhandener prozessualer Gestaltungsmöglichkeiten im Urteil des Vorprozesses nicht enthalten oder unvollständig geblieben ist. Ebenfalls bereits mehrfach - und wiederum gebilligt von der Lehre (Pichler in Rummel, ABGB II2 Rz 5 zu § 61 EheG) - wurde vom Obersten Gerichtshof auch ausgesprochen, daß dann, wenn ein ausländisches Gericht die Ehe wegen Getrenntlebens der Ehegatten ohne Verschuldensausspruch geschieden hat, in Österreich ein Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 3 EheG nachgetragen werden kann (SZ 59/124 [Canada]; SZ 68/57 [BRD]), wobei die sechsmonatige Frist des § 57 Abs 1 EheG auch für solche Klagen gilt und mit der österreichischen Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteils zu laufen beginnt (SZ 68/57; RIS‑Justiz RS0057271, RS0057254). In der Entscheidung 2 Ob 502/85 (= EFSlg 48.801) wurde diese Möglichkeit allerdings für den Fall einer Ehescheidung im Einvernehmen nach § 55a EheG abgelehnt, weil es der durch diese Gesetzesstelle geschaffenen Möglichkeit der einvernehmlichen Scheidung und einvernehmlichen Regelung der Scheidungsfolgen widersprechen würde, einem Ehegatten nach rechtskräftiger Auflösung der Ehe die Möglichkeit zu geben, eine dem Einverständnis des anderen Gatten nicht entsprechende ergänzende Entscheidung herbeizuführen (RIS‑Justiz RS0008475; Hopf/Kathrein, Eherecht Anm 4 zu § 226 AußStrG).
Nichts anderes kann für den hier zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt gelten: Wie sich aus dem in Original und beglaubigter Übersetzung vorliegenden Scheidungsurteil des Gemeindegerichtes Kucevo, dessen Echtheit von den Parteien in der Berufungsverhandlung ausdrücklich zugestanden wurde, ergibt, erfolgte die Ehescheidung der Parteien vor diesem Gericht zufolge einverständlichen Scheidungsantrages sowie einvernehmlicher Einigung darüber, daß die Ehe (mangels zugestandener Aussicht, sie wiederherzustellen) geschieden werden solle und die Kinder dem Vater zugesprochen werden sollten. Das Gemeindegericht Kucevo sprach demgemäß die Scheidung der Ehe gemäß Art 84 Abs 1 des Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen aus. Dieses hier maßgebliche Gesetz vom 5. Juni 1980 (in deutscher Übersetzung abgedruckt in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Serbien/engeres Serbien - Jugoslawien), kennt - so wie das österreichische Recht - die Beendigung der Ehe aufgrund des Einvernehmens beider Ehegatten (Art 84) oder durch Erhebung der Klage insbesondere wegen ernsthafter und dauerhafter Zerrüttung der Ehebeziehungen (Art 83, 85 Abs 1 erster Satz leg cit). Die Bestimmung des vom Gemeindegericht Kucevo angewandten Art 84 entspricht hinsichtlich ihrer Voraussetzungen weitestgehend der österreichischen Regelung des § 55a EheG: Auch nach Art 84 leg cit bedarf es eines einvernehmlichen Antrages beider Ehegatten, welchem eine schriftliche Vereinbarung über die Scheidungsfolgen (Obhut, Erziehung und Unterhalt gemeinschaftlicher Kinder sowie Art und Weise der Unterhaltung persönlicher Beziehungen zu diesen) beizufügen ist. Weitergehende Voraussetzungen müssen nicht erfüllt sein. Daraus folgt jedoch - auf den vorliegenden Fall bezogen ‑, daß es (wie der Oberste Gerichtshof bereits in der zitierten Entscheidung 2 Ob 502/85 ausgesprochen hat) auch bei nach dieser ausländischen Norm geschiedenen Eheleuten dem Grundsatz der Einvernehmlichkeit und Parteiendisposition zur einvernehmlichen Regelung der Ehescheidung widersprechen würde, einem der beiden Ehegatten nach rechtskräftiger Auflösung der Ehe die Möglichkeit zu geben, eine dem Einverständnis des anderen Gatten widersprechende ergänzende Entscheidung nachträglich herbeiführen zu können. Dieses Ergebnis steht damit auch in Übereinstimmung zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 545/88 (EvBl 1989/28), in der ausgesprochen wurde, daß im Fall einer nach materiellem jugoslawischen Recht (in concreto ebenfalls nach Art 83 ff des zitierten Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen) zu beurteilenden Scheidung ein Ausspruch des Verschuldens eines Ehegatten an dieser zufolge Fehlens einer Norm in der anzuwendenden jugoslawischen Rechtsordnung, auf welche der Ausspruch eines Verschuldens des Ehegatten an der Ehescheidung gegründet werden könnte, zur Gänze zu entfallen habe; dies muß jedenfalls dann gelten, wenn der Ehescheidung der betroffenen Ehegatten keine (streitige) Klage, sondern ein einvernehmlicher Scheidungsantrag zugrundeliegt und sie sich dem aufgrund dieses ergangenen Spruch ihres Heimatgerichtes unterwarfen und diesen in Rechtskraft erwachsen ließen.
Aufgrund dieser rechtlichen Beurteilung bedarf es nicht der vom Berufungsgericht für erforderlich erachteten Erörterungen und Verbreiterungen; vielmehr ist die Rechtssache bereits jetzt im Sinne einer Abweisung des (eingeschränkten) Klagebegehrens spruchreif.
Die Entscheidung über die Kosten sämtlicher drei Instanzen beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat zufolge ihres gänzlichen Unterliegens dem Beklagten die tarifmäßigen Kosten zu ersetzen. Für den Berufungsschriftsatz gebührt dabei, weil kein Fall des § 23 Abs 9 RATG idF Art XVII WGN 1997 BGBl I 1997/140 vorliegt, nur der einfache Einheitssatz (in der von der beklagten Partei selbst beantragten Berufungsverhandlung erfolgte eine Ergänzung des Beweisverfahrens durch Urkundenvorlage); in einem solchen Fall ist für die Berufung nur der bereits bisher gebührende (einfache) Einheitssatz sowie die gesonderte Honorierung der Berufungsverhandlung zuzusprechen (RV 898 BlgNR 20. GP, 53). Im Kostenverzeichnis erster Instanz unterlief dem Beklagtenvertreter ein Rechenfehler dahin, daß der 60%ige Einheitssatz richtig S 2.538,‑- anstatt S 2.438,‑- beträgt; da diese Minderverzeichnung ihre Ursache jedoch nur in einem Rechenfehler des Antragstellers hat, die einzelnen Ansätze der Kosten jedoch richtig verzeichnet, aber letztlich eine falsche Endsumme errechnet wurde, konnte ihm dennoch ohne Verstoß gegen die Vorschrift des § 405 ZPO der richtige Gesamtbetrag (S 8.201,60) zuerkannt werden (10 Ob 509/96).
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