OGH 7Ob76/64

OGH7Ob76/6418.3.1964

SZ 37/41

Normen

Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §11 Z4
Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrversicherung §11 Z4

 

Spruch:

Jedem von mehreren Versicherungsnehmern steht ein eigener unabhängiger Versicherungsanspruch gegen den Versicherer zu.

Entscheidung vom 18. März 1964, 7 Ob 76/64. I. Instanz:

Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger und L. P. kauften im Jahre 1959 gemeinsam einen Personenkraftwagen. Beide Käufer waren als Versicherungsnehmer bei der beklagten Partei haftpflichtversichert. Nur der Kläger besaß einen Führerschein und war allein berechtigt über das Fahrzeug zu verfügen. Am 15. August 1960 verschuldete der Kläger mit dem Kraftwagen einen Unfall, wobei der mit ihm fahrende L. P. tödliche Verletzungen erlitt. Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, bei der P. sozialversichert war, zahlte dessen Witwe eine Hinterbliebenenrente. Der Kläger wurde verurteilt, dieser Versicherungsanstalt die bereits bezahlte Rente im Betrag von 21.891.16 S zu ersetzen. Weiter wurde festgestellt, daß er für alle Pflichtaufwendungen der Pensionsversicherungsanstalt an die Witwe hafte. Der verunglückte L. P. war seiner Gattin gegenüber unterhaltspflichtig und hat ihr den gesetzlichen Unterhalt geleistet.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von seiner Haftpflichtversicherungsanstalt den Ersatz des an die Pensionsversicherungsanstalt zu leistenden Betrages und die Festellung, daß die Haftpflichtversicherungsanstalt für alle Pflichtaufwendungen, die von ihm auf Grund des gegen ihn ergangenen Urteiles zu erbringen sein werden, hafte. Die beklagte Partei wendete ein, daß gemäß § 11 Z. 4 AKB. Haftpflichtansprüche aus Schadensfällen von Angehörigen des Versicherungsnehmers, denen dieser auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, von der Versicherung ausgeschlossen seien. Der Kläger mache indirekt die Ansprüche der Witwe des tödlich Verunglückten geltend, solche Ansprüche stunden der Witwe aber nicht zu.

Das Erstgericht gab dem Klagsbegehren statt. Es führte aus, jedem von mehreren Versicherungsnehmern stehe aus der Haftpflichtversicherung ein eigener unabhängiger Anspruch gegen den Versicherer zu. Die Ansprüche der Versicherungsnehmer gegeneinander würden von den Bestimmungen des § 11 Z. 3 AKB. nicht getroffen, denn diese Bestimmungen bezögen sich auf die Ansprüche Mitversicherter nach § 10 (2) AKB., was weder der Verunglückte noch dessen Witwe gewesen seien. Die Bestimmungen des § 11 Z. 4 AKB. kämen nicht zur Anwendung, weil der getötete Versicherungsnehmer nicht als sein eigener Angehöriger angesehen werden könne und sein Tod nicht ein Schadensfall seiner Angehörigen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wie die beklagte Partei selbst ausführt, handelt es sich bei dem Anspruch der unterhaltsberechtigten Witwe nach § 1327 ABGB. nicht um einen dem Getöteten zustehenden Schadenersatzanspruch, der auf die Witwe übergegangen, also vom Getöteten abgeleitet ist, sondern um einen der Witwe unmittelbar entstandenen Schaden, den sie gegen den Schädiger geltend machen kann. Es kann daher unerörtert bleiben, ob dem Getöteten selbst gegen den Kläger ein Schadenersatzanspruch zugestanden wäre und ob die beklagte Partei hiefür aufzukommen hätte (§ 11 Z. 3 AKB.). Wie bereits die Untergerichte zutreffend ausgeführt haben, steht nach ständiger Rechtsprechung und Lehre (Stiefel - Wussow, Kraftfahrversicherung[5], zu § 11 Anm. 4, Vers. R. 1956, S. 799) jedem von mehreren Versicherungsnehmern ein eigener unabhängiger Versicherungsanspruch gegen den Versicherer zu. Wie in der Revision ausgeführt wird, ist das Betriebsrisiko versichert. Wird durch das Fahrzeug ein Schaden verursacht, so hat jeder einzelne Versicherungsnehmer, der für den Schaden haftet, Anspruch, ihn vom Versicherer ersetzt zu bekommen, ohne Rücksicht darauf, wieviel Personen den Versicherungsvertrag gleichzeitig als Versicherungsnehmer abgeschlossen haben. Andernfalls würde der Zweck dieser Zwangsversicherung vereitelt werden. Es kommt also nicht darauf an, ob Ansprüche eines anderen Versicherungsnehmers aus der gleichen Versicherung ausgeschlossen sind, sondern darauf, ob ein solcher Ausschluß dem Versicherungsnehmer gegenüber vorliegt, der die Ansprüche geltend macht. Wie bereits ausgeführt wurde, käme nur ein Ausschluß nach § 11 Z. 4 AKB. in Betracht. Zutreffend hat hiezu das Berufungsgericht ausgeführt, daß die Witwe des Getöteten kein Angehöriger des Klägers ist. Daß sie eine Angehörige eines weiteren Versicherungsnehmers im Sinne des § 11 Z. 4 AKB. ist, muß außer Betracht bleiben, denn es werden nicht die Ansprüche dieses Versicherungsnehmers auf den Versicherungsvertrag geltend gemacht, sondern die selbständigen Ansprüche des Klägers.

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