OGH 7Ob731/88

OGH7Ob731/8819.1.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dieter G***, Angestellter, Wien 7., Halbgasse 6/25, vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

  1. 1.) Friederike R***, Hauseigentümerin, Wien 8., Florianigasse 10,
  2. 2.) Marcel B***-G***, Hauseigentümer, Wien 7., Museumstraße 3 b, beide vertreten durch Dr. Friedrich Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 28. September 1988, GZ 48 R 352/88-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 4. Februar 1988, GZ 47 C 808/86-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für das Revisionsverfahren wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger mietete von den Beklagten die Wohnung Nr. 25 im dritten Stock des Hauses der Beklagten in Wien 7., Halbgasse 6. Der § 2 des schriftlichen Mietvertrages hat folgenden wesentlichen Wortlaut:

"Das Mietverhältnis beginnt am 10. Juli 1984 und wird auf die Dauer von sechs Monaten abgeschlossen. Es endet daher am 10. Jänner 1985, ohne daß es einer weiteren Aufkündigung bedarf". Mit prätorischem Vergleich vom 14. Dezember 1984 verpflichtete sich der Kläger, die obgenannte Wohnung den Beklagten bis längstens 1. Dezember 1988 geräumt zu übergeben und für die Zeit bis zur Übergabe eine Benützungsentschädigung in der Höhe des bisherigen Mietzinses zu bezahlen.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der Räumungsanspruch der Beklagten aus dem Vergleich vom 14. Dezember 1984 nicht zu Recht bestehe. Der Räumungsvergleich sei abgeschlossen worden, um zwingende Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes zu umgehen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen wollte der Kläger ursprünglich einen längeren als mit sechs Monaten befristeten Mietvertrag. Die Zweitbeklagte, die das Haus verwaltet, war dazu jedoch nicht bereit, da sie jederzeit über die Wohnung verfügen wollte, um sie bei Gelegenheit mit einer anderen Wohnung zusammenlegen zu können. Kurz vor Beendigung des Mietverhältnisses fragte die Zweitbeklagte den Kläger, wann er die Wohnung übergeben wolle. Nachdem der Kläger erklärt hatte, er wolle noch einige Zeit in der Wohnung bleiben, war die Zweitbeklagte bereit, mit dem Kläger eine Verlängerung der Benützungsmöglichkeit zu vereinbaren. Sie schlug daher vor, zum Bezirksgericht zu gehen und einen Räumungsvergleich abzuschließen.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei durch den Abschluß des Räumungsvergleiches der bisherige Mietvertrag nicht verlängert worden. Das Bestandverhältnis unterliege somit nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes habe der ursprünglich zwischen den Streitteilen abgeschlossene, dem Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Z 3 MRG entsprechende Mietvertrag eine vollständige Ausnahme vom Mietrechtsgesetz bewirkt. Durch die Einigung der Parteien, daß die Wohnung über den bestimmten Endtermin dem Kläger weiterhin zum Gebrauch gegen Entgelt überlassen werde, sei der Mietvertrag einvernehmlich verlängert und die obgenannte Ausnahme vom Mietrechtsgesetz beseitigt worden. Es sei zwar grundsätzlich zulässig, daß der Mieter vor Ablauf des Mietvertrages die Verpflichtung übernehme, das Mietobjekt zu einem bestimmten Termin zu räumen. Die Absicht des Gesetzes gehe jedoch dahin, den Mieter gegen eine einseitige willkürliche Auflösung des Mietvertrages durch den Vermieter sowie gegen alle Umgehungshandlungen, mit denen dasselbe Ergebnis erreicht werde wie z.B. den Abschluß eines Räumungsvergleiches vor Abschluß des Mietvertrages oder gleichzeitig mit diesem zu schützen. Im vorliegenden Fall sei der Kläger bei der vereinbarten Verlängerung des Mietvertrages mit bestimmtem Endtermin in der gleichen Zwangslage gewesen wie sonst ein Mieter der vor oder gleichzeitig mit dem Abschluß eines Mietvertrages einen Räumungsvergleich eingehe. Durch den im Zusammenhang mit der Verlängerung des Mietverhältnisses abgeschlossenen Räumungsvergleich würden die zwingenden Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes über den Kündigungsschutz umgangen, sodaß der Räumungsvergleich unwirksam sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist unzulässig.

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs. 3 ZPO nicht gebunden (§ 508 a Abs. 1 ZPO). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes (bzw. nunmehr des Mietrechtsgesetzes) nicht durch eine vor oder gleichzeitig mit Abschluß des Mietvertrages getroffene Räumungsverpflichtung umgangen werden können und daß derartige Verpflichtungen unwirksam sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung (MietSlg. 35.343, 34.508, 32.432, 30.271, 13.137 ua). Daß dies auch dann gilt, wenn wie im vorliegenden Fall, die Räumungsverpflichtung im Zusammenhang mit der Verlängerung eines gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 MRG vom Mietrechtsgesetz vollständig ausgenommenen Mietverhältnisses mit bestimmtem Endtermin getroffen wird, kann nicht zweifelhaft sein und wurde vom Berufungsgericht richtig erkannt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes liegt dann aber eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vor. Eine solche kann auch die Revision nicht aufzeigen. Insoweit die Revision eine vergleichbare Zwangslage wie bei oder vor Abschluß eines Mietvertrages verneint, übersieht sie die Wirkung des bestimmten Endtermins im ursprünglichen Mietvertrag. Mit der Behauptung, der Räumungsvergleich sei lediglich zum Zwecke der Vermeidung eines langdauernden Räumungsprozesses abgeschlossen worden, entfernt sich die Revision vom festgestellten Sachverhalt. Der Vorwurf, das Berufungsgericht sei vom festgestellten Sachverhalt ohne Beweiswiederholung bzw. Beweisergänzung abgewichen, ist unzutreffend, weil die Frage, ob eine Verlängerung des Mietvertrages zustandegekommen ist, der rechtlichen Beurteilung zugehört. Auch ein rechtliches Interesse des Klägers hat das Berufungsgericht im Sinne der Lehre und Rechtsprechung zu Recht bejaht. Die Beklagten stehen auf dem Standpunkt der Wirksamkeit des Räumungsvergleiches. Für die Gefährdung der Rechtsstellung des Klägers genügt, daß er in seiner Bewegungsfreiheit im Rechtsleben oder in der Vornahme wirtschaftlicher Maßnahmen behindert wird (Fasching III 67; SZ 46/89; 7 Ob 205/66 ua). Entgegen der Meinung der Beklagten muß der Kläger auch nicht erst eine Exekutionsführung abwarten (SZ 54/85).

Demgemäß ist die Revision zurückzuweisen.

Da der Kläger die Unzulässigkeit der Revision nicht geltend machte, hat er auch keinen Anspruch auf Kostenersatz (§§ 41, 50 ZPO).

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