OGH 7Ob731/87

OGH7Ob731/8721.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wilfried H***, Rechtsanwalt in Salzburg, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Franz G***, Gastwirt und Hotelier, Salzburg-Hallwang, Esch Nr.5, wider die beklagte Partei Emilia G*** Gesellschaft m.b.H., Salzburg-Hallwang, Esch Nr.5, vertreten durch Dr. Gerhard Hickl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 21.Oktober 1987, GZ 32 R 49/87-11, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 10.Dezember 1986, GZ 13 C 1185/86-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Über das Vermögen des Franz G*** wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 28.8.1986, S 67/86, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt. Franz G*** war Inhaber des Hotels "B***" in Salzburg-Hallwang, Esch Nr.5. Dieses Unternehmen hat er der Beklagten mit Stichtag 27.1.1986 zu einem jährlichen Pachtzins von 120.000 S zuzüglich Mehrwertsteuer verpachtet, wobei der Pachtzins in monatlichen Raten von 5.000 S für die Monate 1 bis 5 und 11 bis 12 sowie von 17.000 S für die Monate 6 bis 10 im vorhinein zu entrichten ist.

Mit der Behauptung, der am 15.9.1986 fällig gewesene Bestandzins für September 1986 sei von der Beklagten trotz Mahnung nicht bezahlt worden, kündigte der Kläger das Bestandverhältnis zum 31.1.1987 gerichtlich auf. Die Beklagte wendete ein, sie habe auf Grund einer "Assignation" des Franz G*** bereits zahlreiche Zahlungen an Gläubiger des Verpächters geleistet, wodurch eine Vorauszahlung des Pachtzinses bis einschließlich Juni 1987 erfolgt sei. Das Erstgericht hat die Aufkündigung aufgehoben und hiebei festgestellt, daß die Beklagte allen ihren Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag nachgekommen sei und darüber hinaus eine Pachtschillingvorauszahlung bis Juni 1987 geleistet habe. Demnach sei der Kündigungsgrund nicht gegeben.

Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und hiebei ausgesprochen, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt. Es hat ausgeführt, daß es sich bei der "Feststellung" des Erstgerichtes betreffend eine Pachtschillingvorauszahlung bis Juni 1987 in Wahrheit um eine rechtliche Beurteilung handle. Zur Überprüfung dieser Beurteilung erforderliche Feststellungen fehlten jedoch, weil nicht erkennbar sei, welche Zahlungen wann und zu welchem Zweck geleistet worden seien. Insbesondere müsse beachtet werden, daß die Beklagte im Pachtvertrag in mehrere Verpflichtungen des Verpächters eingetreten sei, sodaß Zahlungen auf Grund dieser Verpflichtungen nicht als Pachtzinszahlungen gewertet werden könnten. Schließlich habe das Erstgericht seine wiedergegebene "Feststellung" auf von der Beklagten vorgelegte Urkunden gestützt, deren Echtheit und Richtigkeit vom Kläger bestritten worden seien. Im Falle der Bestreitung der Echtheit einer Urkunde sei es Sache desjenigen, der sich auf diese Urkunde beruft, die Echtheit zu beweisen. Eine Feststellung des Erstgerichtes über die Echtheit der Urkunden fehle. Insbesondere habe das Erstgericht sich aus diesen Urkunden ergebende Widersprüche weder aufgezeigt noch aufgeklärt.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers hat das Berufungsgericht mit Recht eine Bewertung der Streitsache vorgenommen. Diese Notwendigkeit ergibt sich schon aus § 500 Abs2 Z 3 ZPO, weil dort festgehalten ist, daß die in § 49 Abs1 Z 5 JN genannten Streitigkeiten, zu denen auch der vorliegende Kündigungsprozeß gehört, jedenfalls mit einem 15.000 S übersteigenden Betrag zu bewerten sind. Eine solche Bestimmung wäre überflüssig, falls eine Bewertung der in § 49 Abs1 Z 5 JN genannten Streitigkeiten nicht vorzunehmen wäre. Ist aber eine solche Bewertung vorzunehmen, so kann der diesbezügliche Ausspruch gemäß § 500 Abs4 ZPO nicht wirksam bekämpft werden.

Richtig ist, daß das Berufungsgericht nicht berechtigt wäre, die erstgerichtliche Entscheidung nur wegen Bedenken gegen die Beweiswürdigung aufzuheben. In diesem Zusammenhang ist hier entscheidend, ob es sich bei den Ausführungen des Erstgerichtes, die Beklagte sei all ihren Verpflichtungen aus dem Bestandvertrag nachgekommen und habe eine Pachtschillingvorauszahlung bis Juni 1987 geleistet, um eine Tatsachenfeststellung oder um eine rechtliche Beurteilung handelt. Richtig hat das Berufungsgericht jedenfalls erkannt, daß, wenn die Wendung des Erstgerichtes als rechtliche Beurteilung aufzufassen wäre, die hiefür erforderlichen Feststellungen jedoch fehlten, Feststellungsmängel vorlägen und solche Mängel keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, sondern unrichtige rechtliche Beurteilung begründen würden (Fasching, Zivilprozeßrecht Rdz 1774).

Der Vorwurf einer Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens durch Änderung der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ohne Beweiswiederholung ist schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil das Berufungsgericht die erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen nicht durch eigene Feststellungen ersetzt, sondern die vorhandenen Feststellungen als zur rechtlichen Beurteilung nicht ausreichend bezeichnet hat. Zu einer solchen Vorgangsweise ist das Berufungsgericht auch ohne Beweiswiederholung berechtigt. Was nun die entscheidende Frage anlangt, ob die vorgenannten erstgerichtlichen Ausführungen als Tatsachenfeststellung oder als rechtliche Beurteilung anzusehen sind, ist dem Rekurs allerdings darin beizupflichten, daß im allgemeinen die Wendung, eine bestimmte Zahlung sei entrichtet worden, als Feststellung der Tatsache einer solchen Zahlung zu werten ist. Die Wendung, eine Partei sei allen ihren Verpflichtungen aus einem Vertrag nachgekommen, ist dagegen lediglich eine Schlußfolgerung aus bestimmten Tatsachen, nämlich daraus, was zwischen diesen Parteien vereinbart wurde und welche Leistungen auf welche Weise erbracht worden sind. Letzten Endes gilt dies aber auch von der Ausführung, ein Pachtschilling sei bis zu einem bestimmten Zeitpunkt entrichtet worden. Auch hier sind die entscheidenden Tatsachen, was zwischen den Parteien bezüglich des Pachtschillings vereinbart wurde und wer auf welche Weise welche Leistungen erbracht hat. Aus diesen Tatsachen ergibt sich die rechtliche Schlußfolgerung, ob eine Pachtschillingforderung befriedigt worden ist. Natürlich wird die Reduktion auf die bloß rechtliche Schlußfolgerung dann als Tatsachenfeststellung genügen, wenn nur strittig ist, ob eine an sich ihrer Form nach unbestrittene Leistung überhaupt erbracht wurde oder nicht, wenn also zum Beispiel der Schuldner Barzahlung behauptet und der Gläubiger ohne weitere Behauptungen die Barzahlung bestreitet. Ist dagegen neben der Frage der Erbringung von Leistungen überhaupt strittig, was geleistet wurde und inwieweit derartige Leistungen auf eine Schuld anzurechnen sind, so stellt der Satz, die vertraglichen Leistungen seien erbracht worden, nur eine rechtliche Schlußfolgerung aus den entscheidenden Tatsachen dar. Wird diese Schlußfolgerung wiedergegeben, ohne entsprechende Tatsachen eindeutig festzustellen, so liegen Feststellungsmängel vor, die eine unrichtige rechtliche Beurteilung begründen.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß nicht nur die Tatsache strittig ist, ob der Schuldner dem Gläubiger den vereinbarten Geldbetrag übergeben hat oder nicht, sondern auch welche Verpflichtungen die Beklagte überhaupt hatte, welche Leistungen sie im einzelnen erbrachte und inwieweit diese Leistungen auf die Pachtzinsschuld Anrechnung finden konnten. Letzteres ist eine Rechtsfrage, die aber nur auf Grund eindeutiger Feststellungen gelöst werden kann. Hier weist das Berufungsgericht zutreffend auf widersprüchliche Feststellungen hin. Schließlich wird auch vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt, daß sowohl die Echtheit als auch die Richtigkeit einer Reihe vorgelegter Urkunden bestritten worden ist und daß diesbezüglich die Beweispflicht denjenigen trifft, der sich auf diese Urkunden beruft. Im Falle einer solchen Bestreitung können solche Urkunden der Entscheidung nur dann zugrundegelegt werden, wenn und insoweit das Gericht eindeutig nicht nur die Echtheit, sondern auch ihre Richtigkeit feststellt. Eine solche Feststellung fehlt im vorliegenden Fall. Da sohin die vom Berufungsgericht aufgezeigten Feststellungsmängel vorliegen und diese Mängel von entscheidender Bedeutung für die Sachentscheidung sind, erweist sich die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles durch das Berufungsgericht als richtig.

Richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß, falls wirksame Vorauszahlungen auf den Pachtschilling geleistet worden wären, unerörtert bleiben könnte, wer diese Zahlungen geleistet hat und ob er dazu durch die Beklagte bevollmächtigt war. Unbestritten ist nämlich, daß allfällige Zahlungen mit Zustimmung des Gläubigers erfolgt sind. Mit Zustimmung des Gläubigers können aber dritte Personen auch gegen den Willen des Schuldners leisten (Koziol-Welser I8, 261 ua). Warum dies bei Vorauszahlungen auf erst entstehende Schulden anders sein soll, ist nicht ersichtlich. Grund für die wiedergegebene Rechtsansicht ist, daß, sieht man von Leistungen höchstpersönlicher Natur ab, der Gläubiger Interesse nur an der Befriedigung seiner Forderung haben kann, nicht aber daran, wer die Befriedigung vornimmt. Vorauszahlungen stellen nichts anderes als eine vorweggenommene Befriedigung von Gläubigerforderungen dar, weshalb die Interessenlage nicht anders ist als bei der Zahlung bereits fälliger Schulden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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