OGH 7Ob73/10a

OGH7Ob73/10a30.6.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Nusterer & Mayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei Dr. W***** S*****, vertreten durch Poinstingl & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 37.109,87 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2010, GZ 11 R 87/09h-16, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 9. März 2009, GZ 20 Cg 217/08s-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.468,08 EUR (darin enthalten 244,68 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war Absonderungsgläubigerin in einem Schuldenregulierungsverfahren, in dem der Beklagte zum Masseverwalter bestellt war. Die Schwester der Schuldnerin bot an, die zur Konkursmasse gehörende Liegenschaft zu einem Kaufpreis von 245.000 EUR zu kaufen. Das zu Gunsten der Klägerin einverleibte Pfandrecht überstieg den Kaufpreis. Der Beklagte informierte die Klägerin über das Kaufanbot und diese stimmte einer Lastenfreistellung der Liegenschaft „für einen Nettoverkaufspreis in der Höhe von 245.000 EUR“ zu. Der Beklagte verstand den Begriff „Nettoverkaufspreis“ als Preis ohne Steuern und Gebühren. Ohne weitere Informationen bei der Klägerin einzuholen, erklärte er der Interessentin, mit dem Verkauf der Liegenschaft um 245.000 EUR einverstanden zu sein, „sofern der Kaufpreis plus 3,5 % Grunderwerbssteuer sowie 1 % Grundbuchseintragungsgebühr“ bis spätestens 3. 4. 2006 auf seinem Anderkonto eingehe. Die Interessentin erklärte daraufhin, aus familiären Gründen vom Kaufanbot zurückzutreten. Der Beklagte erwiderte, den Rücktritt mangels rechtlicher Grundlage nicht zu akzeptieren und das Anbot, die Liegenschaft um 245.000 EUR zu kaufen, bedingungslos anzunehmen. In einem weiteren Schreiben gewährte er der Interessentin eine Zahlungsfrist und kündigte für den Fall der Nichtzahlung den Rücktritt vom Vertrag und die Geltendmachung der durch die verschuldete Nichterfüllung entstehenden Ansprüche an. Der Kaufpreis wurde nicht geleistet. Bei der zwangsweisen Verwertung der Liegenschaft wurde ein Meistbot von 216.000 EUR erzielt, wovon der Klägerin ein Betrag von 205.203,94 EUR zugewiesen wurde.

Der Beklagte vertrat in seinem Bericht an das Konkursgericht und der Klägerin gegenüber die Rechtsansicht, dass der Klägerin durch das vertragswidrige Verhalten der Interessentin ein Schaden in der Höhe von 25.016 EUR entstanden sei. Als Masseverwalter im Schuldenregulierungsverfahren trat er der Klägerin diesen Schadenersatzanspruch ab. Der von der Klägerin gerichtlich geltend gemachte zedierte Anspruch wurde rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagte das gültig und ernst gemeinte Anbot der Interessentin nicht angenommen, sondern vielmehr ein neues Anbot gestellt habe, das die Interessentin ihrerseits nicht angenommen habe. Der Klägerin entstanden in diesem Verfahren Kosten in der Höhe von 12.093,87 EUR.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Bezahlung von 37.109,87 EUR. Es habe nur mehr ein um 25.016 EUR niedrigerer Kaufpreis erzielt werden können, weil der Beklagte das Kaufanbot der Interessentin nicht angenommen habe. Die Klägerin habe mit dem Ausdruck „Nettopreis“ gemeint, dass im Kaufpreis keine Umsatzsteuer enthalten sein dürfe. Mit dem Abzug der Grunderwerbssteuer und der Eintragungsgebühr von diesem Betrag sei sie aber einverstanden gewesen. Die Klägerin habe entsprechend dem Bericht des Masseverwalters den abgetretenen Anspruch gegen die Interessentin geltend gemacht und sei unterlegen. Der Beklagte habe ihr die Prozesskosten zu ersetzen.

Der Beklagte bestreitet das Klagebegehren. Es sei ihm bei der Verwertung der Liegenschaft kein Fehler unterlaufen. Er habe im Interesse aller Gläubiger versuchen müssen, einen Kaufpreis zu erzielen, in dem die Grunderwerbssteuer und die Eintragungsgebühr nicht inkludiert sei und habe überdies sicherstellen müssen, dass der Kaufpreis möglichst schnell einlange, um noch die Versteigerung absetzen zu können. Die Klägerin wäre mit einer Lastenfreistellung nicht einverstanden gewesen, wenn mit dem Kaufpreis nicht auch die Grunderwerbssteuer und die Eintragungsgebühr gedeckt hätte werden können. Der Beklagte habe die Klägerin über sämtliche Umstände des Verkaufsversuchs informiert und ihr ohne jede Bedingung die Forderung abgetreten. Die Masse habe nicht für die Richtigkeit der Forderung zu haften. Die Klägerin habe die Kosten des von ihr eingeleiteten Rechtsstreits selbst zu tragen. Bei der Schadensberechnung habe die Klägerin die Grunderwerbssteuer und die Eintragungsgebühr nicht berücksichtigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung des Mehrbegehrens mit 26.084,87 EUR sA statt. Der Beklagte habe dadurch, dass er das einzige Anbot eines freihändigen Verkaufs nicht angenommen, sondern nur ein Gegenanbot gestellt habe, gegen die Interessen der Klägerin gehandelt. Durch die falsche Geschäftsführung sei der Klägerin ein Schaden in der Höhe der Verfahrenskosten und der Differenz zum geringeren Kaufpreis entstanden. Die Klägerin habe bei ihrer Berechnung des Schadens allerdings verabsäumt, die Grunderwerbssteuer und die Eintragungsgebühr vom angebotenen Kaufpreis in Abzug zu bringen, was auch im Fall der vorbehaltlosen Annahme geschehen wäre.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils gerichteten Berufung des Beklagten Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Der Masseverwalter sei nach § 81 Abs 3 KO allen Beteiligten für Vermögensnachteile verantwortlich, die er ihnen durch die pflichtwidrige Führung seines Amts verursacht habe. Die Haftung greife aber nur bei einer Verletzung konkursspezifischer Pflichten ein. Gegenüber Absonderungsgläubigern treffe den Masseverwalter die Verpflichtung, deren Recht auf vorzugsweise Befriedigung (§ 48 KO) zu wahren. Ihm sei es aber nicht vorzuwerfen, wenn er das einzige Kaufanbot für das Sicherungsgut nicht unverzüglich annehme. Es liege vielmehr grundsätzlich im Gläubigerinteresse, wenn er vor dem Vertragsabschluss noch eine Einigung über das Zahlungsziel sowie darüber zu erzielen versuche, dass der Käufer auch die Nebengebühren übernehme. Dies sei im vorliegenden Fall schon im Hinblick auf die Stellungnahme der Klägerin, die einen „Nettoverkaufspreis“ erzielen habe wollen, geboten gewesen. Unter „Nettopreis“ sei nach allgemeinem Sprachverständnis jener Preis zu verstehen, von dem kein Abzug mehr möglich sei. Die Verwendung dieses - in seiner Bedeutung keineswegs auf Abzüge bestimmter Art beschränkten - Begriffs erlaube durchaus die Annahme, dass es der Klägerin darauf angekommen sei, dass vom Kaufpreis keinerlei Abgaben und Belastungen mehr zu tragen seien. Die Verhandlung über ein Zahlungsziel sei im Hinblick auf den bereits angesetzten Versteigerungstermin durchaus gerechtfertigt gewesen. Eine Verletzung des Gebots der bestmöglichen Verwertung komme allenfalls in Betracht, wenn das Kaufangebot aus ökonomischer Sicht - etwa bei der Versteigerung - nicht oder kaum zu überbieten gewesen wäre. Die Klägerin habe aber nicht einmal behauptet, dass mit der Erzielung eines besseren Kaufpreises nicht zu rechnen gewesen sei. Der Beklagte hafte auch nicht für die Prozesskosten. Es sei zwar als Sorgfaltsmangel einzustufen, dass der Beklagte bei der unstrittigen Sachlage eine unrichtige Rechtsansicht vertreten habe. Er sei aber der Klägerin gegenüber nicht zur Abgabe eines Rechtsgutachtens verpflichtet gewesen, geschweige denn dazu, diese rechtlich zu beraten, zumal im Hinblick auf den Streitwert ohnedies Anwaltspflicht bestand. Es sei allein Sache der anwaltlich vertretenen Klägerin gewesen, auf der Grundlage des ihr bekannt gegebenen Sachverhalts das Prozesskostenrisiko abzuschätzen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Haftung des Masseverwalters für eine - gegenüber dem Konkursgericht und dem Absonderungsgläubiger erklärte - unrichtige rechtliche Beurteilung des Bestands einer an letzteren abgetretenen Forderung nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Gemäß § 81 Abs 3 KO ist der Masseverwalter allen Beteiligten für Vermögensnachteile, die er ihnen durch pflichtwidrige Ausführung seines Amts verursacht, verantwortlich. Nach herrschender Ansicht greift diese Haftung nur ein, wenn der Masseverwalter konkursspezifische Pflichten verletzt (8 Ob 3/07k mwN; RIS-Justiz RS0110545). § 81 Abs 3 KO soll bloß vor jenen Risken schützen, die durch die in der KO geregelten umfassenden Befugnisse des Masseverwalters für die Beteiligten entstehen, die also in typischer Weise mit der Masseverwaltung verbunden sind (8 Ob 3/07k). Beteiligte im Sinne des § 81 Abs 3 KO sind Personen, deren Rechtsstellung einschließlich ihrer wirtschaftlichen Belange von der Gestaltung des Konkursverfahrens beeinflusst werden, sofern der Masseverwalter bei seinen Handlungen oder Unterlassungen zur Verhütung ihrer Schädigung verpflichtet erscheint (RIS-Justiz RS0065408). Gegenüber den Absonderungsgläubigern trifft den Masseverwalter grundsätzlich die Verpflichtung, deren Recht auf vorzugsweise Befriedigung (§ 48 Abs 1 KO) zu wahren (RIS-Justiz RS0065408 [T6]; Völkl/Völkl, Handbuch der Beraterhaftung Rz 883; Chalupsky/Duursma-Kepplinger in Buchegger, Österr. Insolvenzrecht, § 81 Rz 120; Shamiyeh, Die zivilrechtliche Haftung des Masseverwalters, 68). Dies ist vor allem dann bedeutsam, wenn der Masseverwalter das Sicherungsgut selbst verwertet und etwa schuldhaft das Sicherungsgut unterpreisig verkauft (Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, §§ 81, 81a KO Rz 19).

Die konkursspezifische Pflicht des Masseverwalters der Klägerin als Absonderungsgläubigerin gegenüber bestand im vorliegenden Fall darin, entsprechend ihrer Anweisung das Sicherungsgut zu verwerten. Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt wirft die Klägerin dem Beklagten zu Unrecht vor, er habe eine wirksame Annahme des Anbots der Interessentin erklären wollen, habe dies aber nicht zustande gebracht. Die Klägerin übergeht, dass sie selbst in Abänderung des Anbots der Interessentin einen „Nettoverkaufspreis“ verlangte und dem Masseverwalter diesbezügliche Anweisungen gab. Der von ihr verwendete Begriff „Nettoverkaufspreis“ kann nur so verstanden werden, dass von diesem Verkaufspreis keine wie immer gearteten Abzüge mehr zu machen sind, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Der Hinweis der Klägerin, dass sie damit nur gemeint habe, dass der Preis umsatzsteuerfrei sein müsse, ist im Hinblick auf § 6 Abs 1 Z 9 UStG, nach dem Umsätze von Grundstücken im Sinn des § 2 des Grunderwerbsteuergesetzes steuerfrei sind, nicht ohne weiteres verständlich. Diese Einschränkung ergibt sich jedenfalls aus dem von ihr verwendeten Begriff nicht. Der Beklagte handelte demnach den Aufträgen der Klägerin entsprechend, als er das Kaufanbot nicht einfach annahm, sondern das festgestellte Gegenanbot stellte, das auch der nicht unbedeutenden Präzisierung der Leistungsfrist dienen sollte. Dem Beklagten ist wegen seiner auf das Kaufanbot der Interessentin folgenden Erklärung kein Vorwurf zu machen.

Im Unterschied zur Ersatzaussonderung, die in § 44 Abs 2 KO ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, findet die Ersatzabsonderung keine Erwähnung im Gesetz. Unabhängig davon, ob - wie die Klägerin darlegt - analog zu ihren Gunsten eine Ersatzabsonderung zu erfolgen hatte (vgl Schulyok in Konecny/Schubert, § 48 KO Rz 226), trat der Beklagte als Masseverwalter an die Klägerin ohnehin ihm allenfalls zustehende Schadenersatzansprüche ab, gab also alles heraus, was ihm aus der Verwertung der Pfandsache zustehen könnte. Damit endete seine konkursspezifische Tätigkeit als Masseverwalter. Die Verwertung des Sicherungsguts war abgeschlossen.

Weiters legte er der Klägerin den unstrittigen Sachverhalt umfassend und korrekt dar, aus dem sich seiner Rechtsmeinung nach Schadenersatzansprüche gegenüber der Interessentin ableiteten ließen. Das einzige ihm anzulastende Fehlverhalten war die unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhalts. Die Erstellung eines Rechtsgutachtens dazu, ob Schadenersatzansprüche tatsächlich bestehen oder nicht, gehörte aber nicht mehr zu seinen Aufgaben als Masseverwalter. Die Beurteilung der Prozesschancen obliegt dem Absonderungsgläubiger selbst, besteht doch zwischen dem Masseverwalter und ihm kein Vertragsverhältnis, nach dem der Masseverwalter dem Absonderungsgläubiger über die Verwertung hinaus zur Rechtsberatung oder Rechtsvertretung wie ein Rechtsfreund verpflichtet wäre. Eine Haftung für Prozesskosten könnte nur dann bestehen, wenn der Beklagte wahrheitswidrige Angaben über den - letztlich nur ihm bekannten - Sachverhalt gemacht und den Gläubiger deshalb zu einem aussichtslosen Prozess verleitet hätte (vgl RIS-Justiz RS0045850). Dies war hier nicht der Fall.

Der Beklagte haftet auch nicht für das Bestehen der zedierten Forderung. Er konnte als Masseverwalter „Forderungen“ (als Ersatzgut) nur so abtreten, wie sie ihm zustanden. Eine Forderung gegen ihn kann sich nur aus einer Sorgfaltspflichtverletzung ableiten, die aber - wie dargelegt - nicht vorliegt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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