OGH 7Ob729/89

OGH7Ob729/8922.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude P***, Pensionistin, Burgauberg 144, vertreten durch Dr. Wolfgang Steflitsch, Rechtsanwalt in Oberwart, wider die beklagte Partei Alfred S***, Handelsreisender, Burgauberg 144, vertreten durch Dr. Kurt Bielau und Dr. Helga Gaster, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aufhebung eines Übergabsvertrages (Streitwert S 452.400,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30.August 1989, GZ 17 R 141/89-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 4.April 1989, GZ 4 Cg 13/87-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.079,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.679,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Übergabsvertrag vom 17.10.1985 übergab die Klägerin dem Beklagten ihre Liegenschaft EZ 129 KG Burgauberg gegen Einräumung eines Wohnungsrechtes, Zahlung einer wertgesicherten monatlichen Leibrente von S 2.500 und Tilgung einer Hypothekarschuld. Das Erstgericht wies das auf Aufhebung dieses Vertrages gerichtete Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen arbeitete der Beklagte mit Brunhilde H*** bei einem Flugaufnahmeunternehmen. Im Juni 1985 kamen sie in die Gegend von Burgauberg und wohnten von Juni 1985 bis 19.7.1985 im Hause der Klägerin, die Zimmer vermietete. Der Beklagte und seine Mitarbeiterin wurden von der Klägerin familiär aufgenommen. Der Beklagte blieb abends länger bei der Klägerin sitzen und unterhielt sich mit ihr. Nach einiger Zeit erklärte die Klägerin der Brunhilde H***, daß sie den Beklagten sympathisch finde, sich mit ihm gut verstehe und sich vorstellen könne, ihm ihr Haus zu übergeben. Die Klägerin sagte auch, Geld spiele keine Rolle, sie habe genug davon. Die Klägerin eröffnete ihre Absicht dem Beklagten und sagte, daß mit dem Haus eine finanzielle Belastung verbunden sei. Diese Belastung und die Arbeit seien ihr zuviel. Im Sommer werde sich entscheiden, ob ein Neffe von ihr in das Haus einziehe und die Liegenschaft übernehme. Als Brunhilde H*** einige Zeit nach dem 19.7.1985 wieder zur Klägerin kam, sagte ihr diese, daß niemand aus der Verwandtschaft das Haus haben wolle. Die Hoffnung auf Übernahme durch den Neffen habe sich zerschlagen. sie habe sich mit dem Beklagten gut verstanden und wolle ihm das Haus übergeben. Als Brunhilde H*** die Bemerkung machte, daß der Beklagte und sie berufstätig häufig unterwegs seien, antwortete die Klägerin, daß sie sich im Falle der Krankheit in ein Heim begeben werde. Die Klägerin erzählte auch ihrer jahrelangen Bedienerin Johanna P*** von der beabsichtigten Übergabe und sagte, daß sie froh sei, das Haus jetzt verkaufen zu können. Anfang Oktober 1985 wurde zwischen den Streitteilen die Übergabe vereinbart. Es wurde ausgemacht, daß die Klägerin für die Liegenschaft S 82.000 und eine monatliche Leibrente von S 2.500 erhält und ihr ein Wohnungsrecht eingeräumt wird. Der Beklagte verpflichtete sich zur Rückzahlung von bücherlich sichergestellten Forderungen in der Höhe von S 150.000. Eine höhere Leibrente verlangte die Klägerin, die eine hohe Pension bezieht, nie. Eine persönliche Betreuung der Klägerin durch den Beklagten wurde ebensowenig vereinbart wie daß der Beklagte dauernd oder während bestimmter Zeiten sich im Haus aufhalten muß oder für die Anwesenheit einer Person zu sorgen hat. Der Beklagte sollte auch das Inventar des Hauses bekommen, die Klägerin wollte nur bestimmte Einrichtungsgegenstände für sich behalten. Sie überließ es dem Beklagten, einen Termin bei einem Notar zu vereinbaren. Am 9.11.1985 setzte der Beklagte den Notar Dr. Karlheinz G*** vom Inhalt des Übergabsvertrags in Kenntnis und vereinbarte einen Termin für den 17.10.1985. An diesem Tag erschienen die Streitteile gegen 10 Uhr beim Notar. Dieser hatte bereits einen Vertragsentwurf vorbereitet. Die einzelnen Vertragspunkte wurden mit den Streitteilen erörtert. Der Notar schlug eine Wertsicherung der Leibrente vor, was von den Streitteilen akzeptiert wurde. Es wurde auch ein Wiederkaufsrecht der Klägerin festgelegt. Vom Notar wurde die Frage der Pflege und Betreuung der Klägerin aufgeworfen. Die Klägerin sagte, sie wisse, daß der Beklagte sie wegen seiner beruflichen und persönlichen Verhältnisse nicht werde betreuen können; im Falle einer notwendigen Betreuung werde sie in einem Pflegeheim wohnen, bei ihren finanziellen Verhältnissen könne sie sich das leisten. Die Klägerin äußerte den Wunsch, daß dem Beklagten nach ihrem Tod auch die restlichen Einrichtungsgegenstände gehören sollen. Es wurde deshalb auch das Testament Beilage A errichtet, in dem die Klägerin den Beklagten zu ihrem Alleinerben einsetzte. Der Notar hatte bei den Vertragsverhandlungen den Eindruck, daß zwischen den Streitteilen ein besonders inniges Vertrauensverhältnis herrscht. Er hatte nicht den Eindruck, daß die Klägerin nicht im Besitz ihrer geistigen Kräfte ist. Die Klägerin hat sich rege am Vertragsgespräch beteiligt. Sie ist seit dem Jahre 1973 zuckerkrank. Bis zum Jahre 1977 war sie auf Tabletten eingestellt, seither ist das zweimalige Spritzen von Insulin pro Tag notwendig. Es muß morgens und abends Insulin gespritzt werden. Bei verstärkter körperlicher Belastung und bei zu spätem Essen treten Symptome der Unterzuckerung auf. Diese zeigen sich bei der Klägerin in Form zittriger Knie, verstärktem Schwitzen, Tränenrinnen und körperlicher Schwäche. In diesem Zustand besteht in geistiger Hinsicht eine deutliche Reduktion. Am Tage der Errichtung des Übergabsvertrages hat die Klägerin um 7,30 Uhr gefrühstückt und Insulin gespritzt. Sie fuhr mit dem Beklagten mit ihrem PKW von Burgauberg nach Leibnitz zum Notar, wobei die Klägerin das Fahrzeug lenkte. Bei dem Vertragsgespräch beim Notar und bei der Vertragsunterfertigung haben sich keine Hinweise ergeben, daß sich die Klägerin in einem schlechten Gesundheitszustand befände. Es traten bei ihr keine H poglykämiezeichen (Zittern, Schwitzen, körperliche Schwäche) auf. Die Klägerin befand sich während der Vertragsverhandlungen und bei Unterfertigung des Übergabsvertrages im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte.

Der Beklagte hat alle vereinbarten Gegenleistungen für den Erhalt der Liegenschaft erbracht. Er hat außerdem inzwischen eine Ölheizung im Haus installieren lassen und hiefür S 70.000 bezahlt. Für einen Telefonanschluß legte er S 20.000 aus. Er hat für die Klägerin auch ewnen weiteren Kredit in Höhe von S 68.000 bezahlt. Nach der Ansicht des Erstgerichtes, soweit sie für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, könne ein Leibrentenvertrag unbeschadet des Umstandes, daß es sich um einen Glücksvertrag handle, wegen Wuchers und wegen Sittenwidrigkeit angefochten werden, doch seien die Voraussetzungen hiefür im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Klägerin, soweit sie Nichtigkeit geltend machte und gab der Berufung im übrigen nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Beweiswürdigung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. In rechtlicher Hinsicht folgte das Berufungsgericht der Rechtsansicht des Erstgerichtes. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Nichtigkeit des Berufungsurteils liegt nicht vor. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung ist nur gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, daß sie sich nicht überprüfen läßt (RZ 1936, 16 uva). Dies trifft auf das Berufungsurteil nicht zu. Das Berufungsgericht hat die Beweiswürdigung des Erstgerichtes in nachvollziehbarer Weise überprüft und die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen. Die Wiedergabe der Feststellungen in der Möglichkeitsform kann überhaupt keinen Mangel der Urteilsfassung bewirken. Völlig verfehlt ist die Behauptung, der Revisionswerberin sei die Möglichkeit genommen worden, die Feststellungen zu bekämpfen, da die Beweiswürdigung und die Tatsachenfeststellungen irrevisibel sind.

Die behauptete Aktenwidrigkeit und die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen gleichfalls nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, sind Leibrentenverträge Glücksverträge, die gemäß § 1268 ABGB der Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte nicht unterliegen (SZ 60/140; SZ 50/101; EvBl. 1961/20; 7 Ob 581/89; 8 Ob 604/86). Die Anfechtbarkeit aleatorischer Verträge wegen Wuchers und wegen Sittenwidrigkeit ist jedoch anerkannt (NZ 1986, 158; EvBl. 1958/94; EvBl. 1957/198; SZ 24/306). Diese Anfechtungsgründe machte auch die Klägerin geltend (AS 7). Wie schon das Berufungsgericht zutreffen dargelegt hat, erfordert der Tatbestand des Wuchers nach § 879 Abs. 2 Z 4 ABGB neben der objektiven Äquivalenzstörung, daß der Betroffene aus gewissen Gründen verhindert gewesen sein muß, die Äquivalenz aus eigenem wahrzunehmen (Koziol-Welser8 I 137 f; vgl. auch Krejci in Rummel, ABGB, Rz 214 f zu § 879). Solche Gründe wurden im vorliegenden Fall nicht einmal behauptet. Für die Annahme einer sittenwidrigen Äquivalenzstörung genügt nach ständiger Rechtsprechung gleichfalls nicht schon die Unverhältnismäßigkeit der beiderseitigen Leistungen (MietSlg. 37.064, 31.094, 31.091; 3 Ob 621/85). Wenn das Gesetz die Unangemessenheit einer Leistung zum Tatbestandselement für einen Nichtigkeitsgrund macht (§ 879 Abs. 2 Z 4 ABGB), der aber zu seiner Verwirklichung das Vorliegen weiterer Tatbestandselemente erfordert, ist es unzulässig, aus dem bloßen Vorliegen dieses einen Tatbestandselementes allein ebenfalls eine Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes abzuleiten; die Bestimmung des § 879 Abs. 2 Z 4 ABGB wäre dann überflüssig (MietSlg. XXXIX/12). Auch im Falle der Entscheidung EvBl. 1958/94, auf die sich die Revisionswerberin beruft, wurde, wie der Oberste Gerichtshof in einem durchaus vergleichbaren Fall (7 Ob 581/89) hervorgehoben hat, die wirtschaftliche Unerfahrenheit der Übergeberin ausgenützt. Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit fehlt es gleichfalls schon an einem entsprechenden Sachvorbringen in erster Instanz, weil die Rechtsmittelwerberin offenbar davon ausging, daß die Unverhältnismäßigkeit der beiderseitigen Leistungen allein genügt. Nach dem festgestellten Sachverhalt kann aber keine Rede davon sein, daß der Beklagte die wirtschaftliche Unerfahrenheit der Klägerin ausgenützt hätte. Die Klägerin war, wie sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt, voll zurechnungsfähig. Sie war sich offensichtlich des Ungleichgewichts der beiderseitigen Leistungen bewußt, wie sich aus ihren Erklärungen, Geld spiele keine Rolle, sie habe genug davon, und auch daraus ergibt, daß sie mit Rücksicht auf ihre hohe Pension nur eine geringe Leibrente verlangte. Soweit die Revision davon ausgeht, daß der Beklagte die vereinbarte Betreuung nicht leistete, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Unverständlich ist der Hinweis auf die ausgebesserte Urkunde, weil es sich hiebei nur um den Vertragsentwurf handelte. Ein Rechtsgeschäft von Todes wegen liegt entgegen der Meinung der Revision nicht vor (vgl. Koziol-Welser aaO 98).

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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