Spruch:
Die vertragliche Zusage, unter bestimmten Voraussetzungen ein Anbot zum Abschluß eines Mietvertrages abzugeben, bindet den Gesamtrechtsnachfolger und rechtfertigt die Klage auf Abgabe der Willenserklärung
OGH 31. Jänner 1980, 7 Ob 721/79 (KG Leoben R 125/79; BG Mürzzuschlag C 66/76 )
Text
Die beiden Beklagten sind die Gesamtrechtsnachfolger nach dem am 15. November 1975 verstorbenen Hans M, der dem Kläger in einem am 8. September 1973 errichteten Mietvertrag über die im Erdgeschoß des Hauses M, T Sch-Gasse 11, befindlichen Geschäftsräumlichkeiten mit Nachtrag vom 12. Feber 1974 folgende Möglichkeit zur Miete auch noch der im ersten Stock des gleichen Hauses gelegenen Wohnung einräumte:
"(Punkt IX) Sollte die im ersten Stock des Hauses .... gelegene Wohnung, welche bisher vom Vermieter bewohnt wird, frei werden, insbesondere im Falle eines Ablebens, so ist diese dem Mieter der Geschäftslokalitäten zu einem monatlichen Mietzins von 1000 S anzubieten. Dieser Betrag ist ebenfalls wertgesichert. Der Mieter muß sich jedoch innerhalb von sechs Wochen entscheiden. Diese Vereinbarung erlischt jedoch für den Fall eines Verkaufes des Hauses".
Nach dem Tode des Vermieters vertrat der Kläger zunächst den Standpunkt, daß er das (in Wahrheit noch fehlende) Anbot auf Abschluß eines Mietvertrages bezüglich der strittigen Wohnung annehme. Die Erstbeklagte zog jedoch in die Wohnung ein. Hierauf begehrte der Kläger mit der am 1. April 1976 eingebrachten Klage primär, die Beklagten schuldig zu erkennen, ihm die genannte Wohnung zu einem wertgesicherten monatlichen Mietzins von 1000 S anzubieten, und hilfsweise die Zuhaltung des "abgeschlossenen" Bestandvertrages und Übergabe der Wohnung. In der Tagsatzung vom 5. Juli 1976 zog der Kläger das Hauptbegehren zurück und hielt nur noch das Eventualbegehren aufrecht. Am 16. März 1977 ließ der Kläger mangels eines bisher erfolgten Anbietens der Wohnung das "Eventualbegehren" wieder fallen und hielt "das ursprüngliche Urteilsbegehren wieder aufrecht".
Der Erstrichter wies dieses Klagebegehren ab. Er stellte fest, daß nach dem Willen der ursprünglichen Vertragspartner der Kläger die Wohnung bekommen sollte, falls der damalige Vermieter zufolge seines angegriffenen Gesundheitszustandes dauernd in Spitalsbehandlung oder in ein Sanatorium kommen würde, oder auch nach dem Tode des Vermieters. Der Erstrichter beurteilte die getroffene Vereinbarung als Vorvertrag gemäß § 936 ABGB und vertrat die Rechtsansicht, daß die dort genannte Jahresfrist im Zeitpunkt der Wiedererhebung des richtigen Klagebegehrens anläßlich der zweiten Klagsänderung bereits abgelaufen gewesen und der Klagsanspruch daher verfristet sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab. Es beurteilte auf der Grundlage der unbekämpften Tatsachenfeststellungen die getroffene Vereinbarung als ein der Option ähnliches Rechtsgeschäft, sodaß § 936 ABGB keine Anwendung finde. Die für Optionen geltende Umstandsklausel stehe dem Klagebegehren nicht entgegen, weil sich die Wohnverhältnisse der Erstbeklagten schon im Sommer 1973, nicht aber nach dem Abschluß des strittigen Vertrages verschlechtert hätten. Das Klagebegehren sei auch genügend bestimmt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Erstbeklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichtes stellt der Vorvertrag einen - mindestens einen Teil bindenden - Schuldvertrag dar, bei dem die versprochene Leistung die Abschließung eines Hauptvertrages ist. Die Option erlaubt hingegen dem Berechtigten, durch einseitige Erklärung das Schuldverhältnis hervorzurufen (MietSlg. 20 080 mit weiteren Hinweisen). Nach dem Wortlaut der hier strittigen Vereinbarung versprach keine Partei den Abschluß eines Hauptvertrages. Die Vereinbarung kam allerdings insoweit einem Vorvertrag nahe, als der Rechtsvorgänger der Beklagten ein einseitiges Anbot versprach. Von der Option unterscheidet sich dieses Versprechen dadurch, daß es an einem Anbot, das der Kläger nur noch anzunehmen hatte, fehlte. Damit ist aber für die Revisionswerberin nichts gewonnen, weil bei formlosen Verträgen im Zweifel eine Abrede, die nicht mehr zu den Vorverhandlungen gehört, schon als Hauptvertrag und nicht als Vorvertrag anzusehen ist (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 573; JBl. 1975, 161, SZ 47/148 u. v. a.). Selbst eine beiderseits oder einseitig bindende Vereinbarung, unter den besprochenen Voraussetzungen den Mietvertrag über die strittige Wohnung abschließen zu wollen, wäre daher nicht als Vorvertrag zu qualifizieren. Umso mehr ist die Zusage des Rechtsvorgängers der Beklagten, unter bestimmten Voraussetzungen ein Anbot zum Abschluß des Mietvertrages abzugeben, einfach als eine ihn und seine Rechtsnachfolger bindende Schuldverpflichtung anzusehen, auf deren Erfüllung bei Eintritt der vereinbarten Voraussetzungen geklagt werden kann. Vorvertragsrecht und damit die Befristung im Sinne des § 936 letzter Satz ABGB ist bei dieser Rechtslage nicht anzuwenden.
Nach der zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist die strittige Vereinbarung allerdings auch einer Option ähnlich, weil die Zusage, unter bestimmten Voraussetzungen ein Anbot zu erstellen, der Abgabe eines in gleicher Weise bedingten Anbotes gleichwertig ist. Damit bliebe zwar die Fristbestimmung des § 936 ABGB ausgeschlossen (EvBl. 1962/435 u. a.), es würde aber in soweit analoger Anwendung des § 936 Satz 1 ABGB die Umstandsklausel gelten (Gschnitzer a. a. O., 570; EvBl. 1955/279; EvBl. 1962/435 u. a.). Auch daraus ist jedoch für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Die strittige Vereinbarung ist im besonderen auf den Fall des Todes des damaligen Vertragspartners des Klägers abgestellt. In diesem Fall sollte nach seinem Willen der Kläger Mieter des ganzen Hauses werden. In keiner Weise wurde auf ein Wohnbedürfnis seiner Erben abgestellt; die Revisionswerberin selbst gibt vielmehr zu, daß im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Umstände ihrer Wohnsituation nicht zur Debatte standen und ihr Rechtsvorgänger sicherlich bei Abschluß seines Vertrages nicht darauf Bedacht nahm. Dann ist aber ihre Ansicht unzutreffend, daß nun, nach dem zwei Jahre nach Vertragsabschluß eingetretenen Tod des Vermieters, ihre Wohnsituation maßgebend sein müsse. Es fehlt ja an der Möglichkeit, einen ausdrücklich bestimmten oder aus den Umständen hervorleuchtenden Zweck des Vertrages zu vereiteln (§ 936 erster Satz ABGB), wenn eine derartige Zweckbestimmung offensichtlich von vornherein fehlte. Auf den Wohnbedarf der Revisionswerberin ist deshalb nicht einzugehen.
Nicht gefolgt werden kann auch der Meinung der Revision, die Bedingung für die Verpflichtung, die Wohnung anzubieten, sei auch im Falle des Ablebens derart vom Freiwerden der Wohnung abhängig, daß es auf die Übernahme der Benützung durch die Erben ankäme. Abgesehen davon, daß ausdrücklich der Wille des Rechtsvorgängers der Revisionswerberin feststeht, daß der Kläger die Wohnung bekommen sollte, falls er selbst dauernd in Spitalbehandlung oder in ein Sanatorium kommen oder auch sterben würde, läuft der Standpunkt der Revisionswerberin darauf hinaus, daß ihr ein widerrechtliches Verhalten, nämlich die Inbesitznahme der durch den Tod des Vermieters nach allgemeinem Sprachgebrauch "freigewordenen" Wohnung, die Erfüllung der Vertragspflicht ihres Rechtsvorgängers ersparen soll.
Auf die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung nach pflichtgemäßer Überlassung der Wohnung an den Kläger war nicht einzugehen. Es obliegt den Beklagten, zunächst ihre Vertragspflicht zu erfüllen. Das Bestehen des Klägers darauf kann umsoweniger schikanös sein, als der Erfolg einer Kündigung erst in einem allfälligen weiteren Rechtsstreit geprüft werden müßte.
Die Bestimmtheit des Klagebegehrens wird von der Revisionswerberin nicht mehr bestritten. Den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes ist daher nur beizufügen, daß der vereinbarte Mietzins von 1000 S monatlich entsprechend der offensichtlich auf den Punkt IV bezogenen Wertsicherung die dortige Basis 1. Oktober 1973 haben wird.
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