Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile haben am 11.10.1976 die Ehe geschlossen. Es war auf seiten der Klägerin die erste, auf seiten des Beklagten die zweite Ehe. Der Ehe entstammen der am 6.3.1978 geborene Martin, der am 22.6.1980 geborene Stefan und die am 11.10.1984 geborene Maria. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger, ihr letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt war in Neukirchen bei Braunau. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Sie wirft ihm Interesselosigkeit, mangelnde Unterstützung, Absonderung und beharrliches Schweigen vor. Der Beklagte verhalte sich wie ein Patriarch, treffe alle Entscheidungen allein und habe den Anschein ehewidriger Beziehungen erweckt.
Der Beklagte bestreitet die ihm angelasteten Eheverfehlungen. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Nach seinen Feststellungen lebten die Streitteile nach der Eheschließung zunächst in der früheren Junggesellenwohnung des Beklagten in Linz. Die Klägerin arbeitete zunächst als kaufmännische Angestellte. Der Beklagte ist Beamter der österreichischen Landesregierung. Der Beklagte verfügt über eine größere Lebenserfahrung und verfolgte in der Ehe eigenständige, klar umrissene Lebensziele. Dies betraf in erster Linie seine berufliche Karriere und später die Entscheidung über die Errichtung und Planung eines Einfamilienhauses. Er hatte klar umrissene Vorstellungen von der Gestaltung des Hauses, die er dem Architekten bei der Planung vorgab. Mangels eigener Vorstellungen, mit Ausnahme über die Errichtung einer Speis, stimmte die Klägerin der Planung des Beklagten zu.
Im Jahre 1980, als der Beklagte noch in Linz arbeitete, während die Klägerin bereits in Neukirchen lebte, gelangte sie gemeinsam mit dem rund 2 Jahre alten Sohn Martin in den Stromkreis und erlitt einen psychischen Schock. Als sie den Beklagten telephonisch davon verständigte, brach er das Gespräch, ohne ihr zuzuhören, unter Hinweis darauf ab, daß er jetzt keine Zeit habe und sie ihm dies erzählen solle, wenn er nach Hause komme. Der Beklagte sah sich dazu deshalb veranlaßt, weil er im Amt eine größere Besprechung hatte. Die Klägerin empfand dies als grobe Mißachtung.
Im Jahre 1981 übernahm die Klägerin von ihrer Adoptivmutter einen Forstbetrieb in Neukirchen. Der Beklagte hat die Geschäftsführung dieses Betriebes durch die Klägerin nicht abgelehnt. Nach anfänglichen Einwänden war er auch nicht mehr dagegen, daß sie als Funktionärin der ÖVP-Frauenbewegung in Braunau tätig ist.
Die Ehekrise hatte ihren Ausgangspunkt im Geschlechtsleben der Ehegatten. Der Beklagte konnte wiederholt mit der Klägerin nicht geschlechtlich verkehren. Die Ursache dafür liegt jedoch nicht in seinem beruflichen Engagement. Da die Probleme jedoch bestehen blieben, fühlte sich die Klägerin vom Beklagten körperlich nicht genügend begehrt. Sie versuchte deshalb, sich kalorienbewußt zu ernähren und besuchte auch zwei Diätkurse. Der Beklagte reagierte auf diese Bemühungen mit der Versicherung, die Klägerin so zu mögen wie sie sei. Angesichts der weiter bestehenden sexuellen Probleme nahm die Klägerin an, daß das Gegenteil wahr sei. Ihre Befürchtungen verstärkten sich und schlugen in tiefe Kränkung um, als der Beklagte beim geschlechtlichen Verkehr aber auch vor den Kindern Anspielungen auf die körperlichen Eigenschaften der Klägerin machte. Der Beklagte machte vor den Kindern, wenn die Klägerin nackt war, wiederholt die Bemerkung "Schaut's euch die Mama an in ihrer Pracht und Herrlichkeit".
Als der Beklagte im August 1986 während eines Urlaubes in Yugoslawien mit der Klägerin geschlechtlich verkehren wollte, stieß er unwillkürlich an ihr Schienbein, worauf sie "Au" rief. Der Beklagte antwortete darauf mit der Bemerkung "Wo hat du überhaupt noch einen Knochen". Als bei ihm das Problem, den Geschlechtsakt zu vollziehen neuerlich auftrat, äußerte er sinngemäß, daß auch sie ihren Teil dazu beitragen müsse. Diese Vorfälle haben die Klägerin tief gekränkt. Sie nahm sie zum Anlaß, mit dem Beklagten nur mehr das Notwendigste zu sprechen. Seither verkehren die Streitteile nicht mehr geschlechtlich miteinander. Die Klägerin ist nicht bereit, die Ehe mit dem Beklagten fortzusetzen.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei dem Beklagten als Eheverfehlung anzulasten, daß er gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung verstoßen habe. Ein Ehegatte verstößt gegen diese Verpflichtung, die die gegenseitige Achtung, Rücksichtnahme und das ehrliche Bemühen, dem anderen Ehepartner das Zusammenleben erträglich zu machen, einschließe, wenn er ein Verhalten an den Tag lege, das den anderen kränken oder sonst geeignet sei, ihm Aufregungen zu bereiten. Daran habe es der Beklagte in einem Ausmaß fehlen lassen, das zu einer Aufhebung der geistigen und körperlichen Gemeinschaft der Ehegatten geführt habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte ergänzend fest, daß der Beklagte schon vor dem Yugoslawienurlaub im August 1986 mit der Klägerin öfter längere Zeit nicht sprach. Er sagte zu ihr, wenn er abends heim kam, nur "Grüß Gott" und redete dann weiter nicht mehr mit ihr. Er lebte in erster Linie für seinen Beruf und für andere Interessen wie die Jagd. Schon vor dem Sommer 1986 wich er wiederholt einem Gespräch mit der Klägerin aus und sprach oft ohne erkennbaren Grund tagelang nicht mit ihr. Er interessierte sich schon in der Zeit vor dem Sommer 1986 kaum für die Klägerin. Dieses Verhalten löste bei der Klägerin eine innere Entfremdung aus. Die Klägerin versuchte zwar immer wieder mit dem Beklagten ins Gespräch zu kommen, dies gelangt ihr aber nicht. Sie hatte den Eindruck, daß er einfach nicht mit ihr reden wolle. Sie wollte sich deshalb schon im Jahre 1985 scheiden lassen, kam damals aber im Interesse der Kinder von einer Scheidung wieder ab.
Bei dem Urlaub im August 1986 in Jugoslawien, an dem auch das Ehepaar H*** teilnahm, übergab der Beklagte einmal in einem Kaffeehaus seine Geldtasche der Frau H*** in Verwahrung und nicht der ebenfalls anwesenden Klägerin. Dies empfanden die Klägerin und Frau H*** als peinlich. Nach den Vorfällen in Yogoslawien war die Klägerin nicht bereit, sich mit dem Beklagten ohne weiteres zu versöhnen. Sie suchte das Gespräch mit ihm nicht mehr. Die Streitteile redeten damals mit Ausnahme über Angelegenheiten der Kinder durch etwa 10 Wochen nichts miteinander. Seit dem Urlaub im August 1986 kam es auch zu keinem Geschlechtsverkehr mehr zwischen ihnen. In der Folge kam es zu einer Aussprache im Beisein der Eltern der Klägerin. Damals erklärte der Beklagte sinngemäß, daß man es halt wieder miteinander probieren soll. Die Klägerin hatte den Eindruck, daß er seinen Anteil an der Krise nicht erkenne. Sie verlor das Vertrauen zu ihm und faßte den Entschluß, sich scheiden zu lassen.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß eine schwere Eheverfehlung immer vorliege, wenn unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung des Wesens der Ehe das Verhalten eines Ehegatten objektiv geeignet sei, eine Zerrüttung der Ehe herbeizuführen und dieses Verhalten vom anderen auch subjektiv als Ehezerstörung empfunden werde. Dabei komme es immer auf das Gesamtverhalten unter Berücksichtigung der konkreten Lebensbedingungen an. Die Ehegatten seien zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere zur anständigen Begegnung verpflichtet. Auch ein beharrliches und grundloses Schweigen stelle eine schwere Eheverfehlung dar. Auch wenn einzelne Handlungen oder Unterlassungen für sich allein betrachtet nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung hätten, sei immer zu beurteilen, ob Dauer, Wiederholung und die dadurch gegebene Belastung das Gesamtverhalten zu einer schweren Eheverfehlung machten. Dem Beklagten sei in diesem Sinn anzulasten, daß er mit der Klägerin schon vor dem Sommer 1986 oft tagelang nicht gesprochen habe. Darin und in dem schon früher vorgekommenen lieblosen Verhalten des Beklagten seien schwere Eheverfehlungen zu erblicken. Dieses Verhalten sei auch geeignet gewesen, die Ehe zu zerrütten.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die eheliche Gemeinschaft zur gegenseitigen Achtung, Rücksichtnahme und zum ehrlichen Bemühen verpflichtet, dem anderen Ehepartner das Zusammenleben erträglich zu machen. Ein Ehepartner verstößt gegen diese Verpflichtung, wenn er ein Verhalten an den Tag legt, das den anderen kränkt oder geeignet ist, ihm Aufregung zu bereiten. Nach diesen Grundsätzen kann, wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, das beharrliche und grundlose Schweigen durch mehrere Tage eine schwere Eheverfehlung sein (EFSlg.43.618, 36.322, 33.947, 24.963; EvBl.1973/179). Beizupflichten ist den Vorinstanzen auch darin, daß bei einzelnen Handlungen und Unterlassungen, die für sich allein betrachtet nicht das Gewicht einer schweren Eheverfehlung haben, immer zu beurteilen ist, ob nicht Dauer, Wiederholung und die dadurch gegebene Belastung das Gesamtverhalten zu einer schweren Eheverfehlung machen (EFSlg.46.152 mwN). Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Beklagte schon vor dem Sommer 1986 wiederholt einem Gespräch mit der Klägerin auswich und mit ihr auch ohne erkennbaren Anlaß oft tagelang nicht sprach. Nach den dargelegten Grundsätzen haben die Vorinstanzen dieses Verhalten zu Recht als schwere Eheverfehlung qualifiziert. Hinzu kommt, daß der Beklagte schon vor dem Sommer 1986 in erster Linie für seinen Beruf und seine sonstigen Interessen wie die Jagd lebte und sich kaum für die Klägerin interessierte. Diese Interesselosigkeit gegenüber den Belangen der Klägerin und das Leben nur für die eigenen Interessen stellt gleichfalls eine schwere Eheverfehlung des Beklagten dar (EFSlg.41.184). Dem Standpunkt der Revision, das Verhalten des Beklagten sei nicht so schwerwiegend gewesen, daß es eine Zerrüttung der Ehe bewirken hätte können, ist entgegen zu halten, daß eine unheilbare Zerrüttung immer dann gegeben ist, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat, wobei es genügt, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat (EFSlg.51.601 f mwN). Aus den Feststellungen ergibt sich, daß infolge des Verhaltens des Beklagten jedenfalls seit August 1986 zwischen den Streitteilen keine körperliche und auch keine geistige, seelische Gemeinschaft mehr besteht und die Beklagte den Willen zur Fortsetzung der Ehe verloren hat. Sind aber die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe gegeben, kann der zur Scheidung berechtigte Ehegatte nicht unter Hinweis auf das Interesse der Kinder zur Fortsetzung der Ehe verhalten werden.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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