Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt:
Die beklagte Parfei ist schuldig, der klagenden Partei S 319.155,04 samt 12 % Zinsen pa und 0,0083 % Überziehungsprovision pro Tag seit 1. Jänner 1988 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 1/8 % pro Monat Kreditprovision aus S 319.155,04 zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 98.764,20 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 10.200,- Barauslagen und S 11.521,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung
Mit Kreditvertrag vom 15. September 1978 gewährte die klagende Partei der Beklagten einen Kontokorrentkredit von S 250.000,-. Nach Punkt 2. des Kreditvertrages ist der Kreditnehmer verpflichtet, den jeweiligen Schuldbetrag zu dem vom Kreditgeber jeweils festgesetzten Zinsfuß - im Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages 8,5 % pro Jahr - zu verzinsen. Die Zinsen werden vierteljährlich im nachhinein in Rechnung gestellt. Darüber hinaus sind dem Kreditgeber alle mit der Kreditvereinbarung zusammenhängenden Spesen sowie die vom Kreditgeber jeweils nach Art und Höhe festgesetzten Provisionen zu ersetzen. Die fälligen Zinsen, Provisionen und Spesen werden dem Kreditkonto angelastet. Sollte dadurch der dem Kreditnehmer zur Verfügung stehende Kreditrahmen überschritten werden, so ist diese Überziehung .... bar abzudecken. Ferner wurden Verzugszinsen von 12 % pa, im Falle einer Überziehung des ausnützbaren Kreditrahmens eine Überziehungsprovision von 0,0083 % pro Tage und eine Kreditprovision von 1/8 % pm vom ausnützbaren Kreditrahmen vereinbart. Gemäß Punkt 3. des Kreditvertrages ist der gesamte Kredit bis zum 31. August 1983 abzudecken. Die klagende Partei begehrt unter Berufung auf den vorgelegten Kontoauszug den zum 31. Dezember 1987 aushaftenden Saldo von S 569.155,04 sA. Die Beklagte behauptet, daß sie zu dem Kreditvertrag durch Zwang veranlaßt worden sei, die klagende Partei habe wiederholte Zahlungen nicht berücksichtigt, die Zinsen und sonstigen Nebengebühren seien verjährt. Sie wendet überdies gegen die Klagsforderung aufrechnungsweise eine Gegenforderung von S 219.155,04 aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes ein.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung mit S 569.155,04 zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht besteht. Es sprach demgemäß der klagenden Partei den eingeklagten Betrag samt Anhang zu. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes war die Beklagte vom 31. Juli 1975 bis 18. Dezember 1984 mit Walter D*** verheiratet. Ab dem Jahre 1978 wurde sie wiederholt von ihrem Ehemann geschlagen. Im September 1978 wollte Walter D*** für das Geschäft einen Betriebsmittelkredit aufnehmen. Konzessionsinhaberin des Geschäftes war die Beklagte, das Geschäft wurde jedoch von ihrem Ehemann geführt. Erst ein bis zwei Tage vor Unterfertigung des Kreditvertrages verlangte Walter D*** von der Beklagten, daß sie den Kreditvertrag unterschreiben soll. Als sich die Beklagte, die mit Vertretern der klagenden Partei nie verhandelt hatte, weigerte, gab es heftige Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Walter D*** die Beklagte auch schlug. Walter D*** drohte auch, die Beklagte wieder zu schlagen, falls sie nicht unterschreibe. Am 15. September 1978 begab sich die Beklagte mit ihrem Ehemann zur klagenden Partei und unterfertigte den Kreditvertrag, ohne ihn vorher durchzulesen. Für das Kreditkonto war auch Walter D*** zeichnungsberechtigt. Die Beklagte hat von dem Konto nie Abhebungen getätigt. Der klagenden Partei war bis zur Tagsatzung am 12. Dezember 1988 unbekannt, daß die Beklagte den Kreditvertrag nur unter dem massiven Druck ihres Ehemannes unterschrieben hatte. Die Kontoauszüge, denen jeweils auch die Bekanntgabe einer Änderung des Zinssatzes angeschlossen war, wurden von der Beklagten nie behoben. Dies war Sache ihres Ehemannes. Die klagende Partei hatte auch dem Ehemann der Beklagten einen Kredit gewährt. Die Summe der beiden Kredite überschritt nicht die Grenze von S 1 Mill. Die klagende Partei hat darüber hinaus dem Schwiegervater der Beklagten, Dr. Rudolf D***, einen Kredit gewährt. Die Summe der diesen drei Personen gewährten Kredite überstieg S 1 Mill.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes könne die Beklagte den Kreditvertrag nicht wegen des von ihrem Ehemann ausgeübten Zwanges anfechten, weil die klagende Partei davon keine Kenntnis gehabt habe. Die Einrede der Verjährung sei unberechtigt, weil Zinsen und Nebengebühren, die in einem Kontokorrentverhältnis in den Saldo einbezogen würden, erst mit dem Hauptanspruch verjährten. Die Höhe der Forderung der klagenden Partei ergebe sich aus den Kontoauszügen, in denen die Rückzahlungen berücksichtigt worden seien. Darüber hinausgehende Zahlungen seien von der Beklagten nicht nachgewiesen worden. Selbst wenn man davon ausgehe, daß auch die Kreditvaluta der von der klagenden Partei der Beklagten und dem Dr. Rudolf D*** gewährten Kredite dem Ehemann der Beklagten zugeflossen sei, sei die klagende Partei nicht verpflichtet gewesen, sich Bilanzen vorlgeen zu lassen. Es läge kein Umgehungsgeschäft vor, das die klagende Partei schadenersatzpflichtig machen würde. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes seien zur Beurteilung der Frage der Verjährung von Zinsen und Nebengebühren noch ergänzende Feststellungen erforderlich. Es sei zwar richtig, daß für Zinsen, die bei einem Kontokorrentverhältnis in den Saldo einbezogen worden seien, eine gesonderte Verjährung ausgeschlossen sei. Dies gelte jedoch nur solange, als das Kontokorrentverhältnis dauere. Im vorliegenden Fall sei ein mit 31. August 1983 befristetes Kontokorrentverhältnis begründet worden, weil dieses auch mit dem Ende der Kreditlaufzeit geendet habe. Die nach diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Zinsen und Nebengebühren unterlägen daher der dreijährigen Verjährungsfrist. Es seien daher vor allem der Kontostand zum 31. August 1983 und die seither aufgelaufenen Zinsen zu ermitteln, wobei zu berücksichtigen sei, daß allfällige Zahlungen nach dem 31. August 1983 zunächst auf die Zinsen und Kosten anzurechnen seien.
Gegen den Aufhebungsbeschluß erhob die Beklagte Rekurs. Aufgrund der Rekursausführungen fällte das Erstgericht ein Teilanerkenntnisurteil über S 250.000 sA, das vom Berufungsgericht bestätigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Beklagten ist im Ergebnis berechtigt. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Beklagte den Kreditvertrag nicht wegen des von ihrem Ehemann ausgeübten Zwanges anfechten kann, weil die klagende Partei davon keine Kenntnis hatte, wurde schon in der Berufung nicht mehr in Zweifel gezogen. Daß die klagende Partei an der Drohung teilgenommen hätte oder davon hätte wissen müssen, wurde nicht einmal behauptet. Die Rechtsausführungen des Erstgerichtes sind lediglich dahin zu ergänzen, daß der Ehemann der Beklagten auch nicht Geschäftsgehilfe der klagenden Partei war, in welchem Falle das Verhalten des Ehemannes der Beklagten der klagenden Partei gleichfalls zuzurechnen wäre (Koziol-Welser8 I 132; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 875 je mwN).
Zutreffend ist das Berufungsgericht vom Vorliegen eines Kontokorrentverhältnisses ausgegangen. Das Kontokorrent setzt nicht voraus, daß auf beiden Seiten Forderungen entstehen müssen. Namentlich im Bankverkehr wird ein echtes Kontokorrent auch dann angenommen, wenn ein Bankkredit abgewickelt wird. Ob ein Kontokorrent zwischen der Bank und ihrem Kunden anzunehmen ist, hängt allerdings nicht allein vom buchmäßigen Vorgang, sondern vom Willen der Parteien ab, der darauf gerichtet sein muß, daß die einzelnen Rechnungsposten nicht selbständig geltend gemacht werden, sondern zuzüglich der Zinsen im Saldo, der sich bei Ablauf der Rechnungsperiode ergibt, aufgehen sollen (SZ 57/66; QuHGZ 1983/221 mwN). Letzteres trifft hier zu, wurde doch im Kreditvertrag ausdrücklich eine vierteljährliche Verrechnung der Zinsen vereinbart und festgelegt, daß die Zinsen, Provisionen und Spesen dem Kreditkonto angelastet werden. Beim Kontokorrent ist zwischen dem technischen Vorgang der Verrechnung durch Gegenüberstellung der Soll- und Habenposten und der Saldobildung einerseits sowie der Feststellung eines Saldos andererseits zu unterscheiden. Beide Maßnahmen sind voneinander unabhängig. Die Saldoforderung entsteht durch die einseitig von der Bank vorgenommene Verrechnung. Feststellung und Anerkennung des Saldos müssen nicht unbedingt durchgeführt werden. Die Tatsache, daß erst durch die Feststellung und Anerkennung des Saldos eine selbständige, vom Bestand der einzelnen Kontokorrentposten unabhängige Saldoforderung entsteht, schließt nicht aus, daß auch ohne Saldoanerkennung ein Anspruch auf Ausgleichung des Saldos, insbesondere auf Zahlung, gegeben ist, der auch eingeklagt werden kann (Schlegelberger-Hefermehl5 IV Rz 50, 51 zu § 355; Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 20 zu § 355). Im Streitfall hat der Kläger das Bestehen der einzelnen Rechnungsposten zu beweisen (Schlegelberger-Hefermehl aaO). Dem Beklagten obliegt es jedoch, die einzelnen Rechnungsposten, die von ihm bestritten werden, konkret zu bezeichnen und seine Einwendungen gegen die Saldoermittlung zu konkretisieren (vgl. QuHGZ 1983/221). Die Beklagte hat lediglich eingewendet, daß seit dem Jahre 1978 wiederholt Zahlungen geleistet, von der klagenden Partei jedoch nicht berücksichtigt worden seien, ohne diese Zahlungen zu konkretisieren. Eine solche Konkretisierung wurde auch in der Folge nicht vorgenommen. Auch aus der Aussage der Beklagten als Partei ergibt sich weder Höhe noch Zeitraum der Zahlungen. Die aus den Kontoblättern ersichtlichen Barzahlungen vom 7. Oktober 1983 und 11. Oktober 1983, auf die das Berufungsgericht Bezug nimmt, wurden ordnungsgemäß verbucht. Auch der Saldo wurde richtig gezogen. Die Differenz von S 1.625,- entspricht zwangsläufig dem Unterschied zwischen der Barzahlung vom 11. Oktober 1983 und der am gleichen Tag erfolgten Überweisung.
Daß Zinsen und andere Nebengebühren mit der Einstellung in das Kontokorrent wie jede andere Rechnungspost zu behandeln sind und ein rechtlich nicht mehr unterscheidbarer Teil der Gesamtforderung aus dem Kontokorrent werden, sodaß eine gesonderte Verjährung ausgeschlossen ist, entspricht der herrschenden Ansicht (SZ 57/66; ZBl. 1934/120; HS I/80; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1480). Die Meinung des Berufungsgerichtes, daß mit Beendigung des Kontokorrents wieder eine selbständige Verjährung der Zinsen Platz greift, ist zwar unbedenklich, zu Unrecht nimmt jedoch das Berufungsgericht eine Beendigung des Kontokorrentverhältnisses mit Ablauf der vereinbarten Kreditlaufzeit an. Eine ausdrückliche Vereinbarung, daß mit Ende der Kreditlaufzeit auch die die Zinsen und Nebengebühren betreffende Kontokorrentabrede gemäß Punkt 2. des Kreditvertrages enden soll, wurde nicht einmal behauptet. Das Ende der Kreditlaufzeit bedeutete aber lediglich, daß keine Dispositionen des Kunden bzw. des Zeichnungsberechtigten zu Lasten des Kreditkontos mehr zulässig waren. Die vertragliche Verpflichtung des Kreditnehmers zur Zahlung der vereinbarten Zinsen und Nebengebühren für den aushaftenden Kredit blieb auch nach Ende der Kreditlaufzeit bestehen, sodaß auch die damit verknüpfte Kontokorrentabrede nicht erloschen ist. Es kann aber auch von einer Beendigung der Geschäftsverbindung nicht gesprochen werden, weil diese zwischen der Bank und ihrem Kunden solange bestehen bleibt, bis der in Anspruch genommene Kredit tatsächlich voll bezahlt worden ist (Schlegelberger-Hefermehl aaO Rz 94).Eine Verjährung des Hauptanspruchs wurde nicht behauptet. Eine gesonderte Verjährung der Nebengebühren kommt nach den obigen Darlegungen nicht in Betracht. Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf es daher nicht.
Beizupflichten ist der Revision darin, daß die Frage der Überziehungsbefugnis des Zeichnungsberechtigten (dafür Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 56; vgl auch MGA HGB27 § 54 B E 2 f) und der Haftung des Kreditnehmers Fragen der rechtlichen Beurteilung sind. Neue rechtliche Gesichtspunkte sind jedoch auch im Rechtsmittelverfahren nur insoweit beachtlich, als damit keine Veränderung oder Ergänzung der Tatsachengrundlage verbunden ist (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1731; Kommentar IV 323). Zu der aufgeworfenen Frage fehlt es aber schon an einem entsprechenden Sachvorbringen in erster Instanz. Desgleichen ist aus dem Sachvorbringen nicht ersichtlich, inwieweit der Beklagten dadurch, daß sich die klagende Partei keine Bilanzen vorlegen habe lassen, ein Schaden verursacht wurde.
Aus dem Gesagten folgt, daß die Streitsache zur Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens reif ist. Diese Entscheidung kann auch zum Nachteil des Rekurswerbers ergehen (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1983). Nicht zuzusprechen ist der klagenden Partei lediglich die Kreditprovision, weil diese nach Punkt 2. des Kreditvertrages nur für den vereinbarten Rahmen gebührt und der klagenden Partei insoweit bereits durch das Teilanerkenntnis rechtskräftig zuerkannt wurde.
Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2 und 50 ZPO.
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