OGH 7Ob700/88

OGH7Ob700/8823.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Daniele de W***, Studentin, Wien 6., Gumpendorferstraße 81, vertreten durch Dr. Hans Frieders, Dr. Christian Tassul und Dr. Georg Frieders, Rechtsanwälte in Wien, und 2. Michaela de W***, Angestellte, Wien 6., Gumpendorferstraße 81, vertreten durch Dr. Erich Nikolaus Vogler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr. Friedrich W***, Geschäftsführer, Hinterbrühl, Waldgasse 22, vertreten durch DDr. Hellwig Torggler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abberufung als Geschäftsführer (Streitwert 500.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14. Juli 1988, GZ 3 R 123/88-24, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. März 1988, GZ 37 Cg 434/86-19, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Emailschmuck Gesellschaft mbH ist die Dachgesellschaft eines Konzerns, zu dem die Emailmanufaktur "Michaela F***" Gesellschaft mbH, die Emailmanufaktur "Michaela F***" Gesellschaft mbH & Co KG und verschiedene andere ausländische Gesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz, Italien, Frankreich, Großbritannien und den USA gehören. An der Dachgesellschaft sind die Klägerinnen zu je einem Viertel beteiligt. Der Beklagte hält die Hälfte der Stammanteile der Dachgesellschaft. Der Beklagte ist - außer beim schweizerischen Unternehmen - alleiniger Geschäftsführer aller Konzerngesellschaften.

Mit der Behauptung, der Beklagte habe sie mit unrichtigen Tatsachenbehauptungen zur Veränderung der zum Zeitpunkt des Ablebens ihrer Mutter Michaela de W***-A*** bestehenden Beteiligungsverhältnisse an den Emailmanufakturen veranlaßt, überhöhte Reisespesen verursacht, Reisespesen doppelt - nämlich der Emailmanifaktur Michaela F*** Gesellschaft mbH & Co KG pauschal und den ausländischen Tochtergesellschaften detailliert - verrechnet, seine Geschäftsführerbezüge in den beherrschten Unternehmen ohne Wissen der Klägerinnen - unangemessen hoch - um etwa 300 % angehoben und veranlaßt, daß diese Unternehmen seiner Ehefrau und Verwandten durch entsprechende Leistungen nicht gedeckte und daher unberechtigte Zahlungen erbracht haben, begehren die Klägerinnen die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer der Emailschmuck Gesellschaft mbH (Dachgesellschaft) gemäß § 16 Abs 2 GmbHG. Der Konzern erleide durch die - im Rahmen der Doppelverrechnung sogar als Untreue zu qualifizierende - Vorgangsweise des Beklagten jährlich einen Schaden von etwa 7 Millionen S. Der Konzern habe deshalb in den letzten Jahren keinerlei Gewinne ausgewiesen, so daß Bankverbindlichkeiten, für die die Klägerinnen die persönliche Haftung übernommen hätten, nicht hätten abgesenkt werden können. Der Beklagte habe bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer nicht das Wohl der Gesellschaften, sondern allein seinen eigenen Nutzen im Auge gehabt.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse entspreche einer Anordnung der Mutter der Klägerinnen. Die Art der Verrechnung der Reisespesen beruhe auf einer Empfehlung des Steuerberaters. Die Erhöhung seiner Bezüge als Geschäftsführer sei im Hinblick auf die Erweiterung seines Tätigkeitsbereiches nach dem Ableben der Mutter der Klägerinnen, deren Agenden er übernommen habe, gerechtfertigt. Seine Reisetätigkeit gereiche den Gesellschaften zum Vorteil. Die dadurch verursachten Spesen seien daher gerechtfertigt. Den Zahlungen an seine Ehefrau und seine Verwandten stünden erbrachte Leistungen gegenüber. Das ihm vorgeworfene Verhalten betreffe nicht seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Dachgesellschaft. Das Erstgericht wies die Klage ohne Durchführung eines Beweisverfahrens über die behaupteten Verfehlungen ab. Der Beklagte habe das ihm angelastete Verhalten nicht als Geschäftsführer der Dachgesellschaft gesetzt. Daher scheide eine Pflichtverletzung, die zur Abberufung als Geschäftsführer der Dachgesellschaft führen könnte, aus. Daß die Klägerinnen dem Beklagten ihr Vertrauen entzogen haben, sei kein wichtiger Grund zur gerichtlichen Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers, weil dies sonst auf die Zulassung des - an sich für die Abberufung nicht ausreichenden - freien Widerrufs der Bestellung hinauslaufen würde. In der "Zwei-Mann-Gesellschaft" müsse der Vertrauensentzug stets durch berechtigte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung gerechtfertigt sein. Zweifel gegen die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des Beklagten in der Dachgesellschaft bestünden aber nach dem Vorbringen der Klägerinnen nicht.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Das Vertrauen - in die Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung - sei nicht teilbar und könne dem Geschäftsführer der Dachgesellschaft auch wegen seiner Verfehlungen als Geschäftsführer der übrigen Konzerngesellschaften entzogen werden. Die dem Beklagten vorgeworfenen Geschäftsführungshandlungen könnten in der Dachgesellschaft gar nicht vorgenommen werden. Es könne aber den Gesellschaftern der Dachgesellschaft nicht zugemutet werden, weiterhin mit einem Geschäftsführer zusammenzuarbeiten, den sie im Rahmen seiner Tätigkeit für die Konzerngesellschaften der Untreue überführt hätten. Daher könne auch nicht gesagt werden, daß die Vorwürfe der Klägerinnen kein geeigneter Grund für die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer der Dachgesellschaft wären. Das Erstgericht habe daher die Vorwürfe zu prüfen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Klägerinnen beantragen in ihren Rekursbeantwortungen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber macht im wesentlichen geltend, daß nur Verfehlungen als Geschäftsführer der Dachgesellschaft die beantragte Abberufung rechtfertigen könnten. Solche Verfehlungen des Rekurswerbers seien aber nicht behauptet worden. Das ihm vorgeworfene Fehlverhalten könnte - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - auch im Rahmen der Dachgesellschaft begangen werden. Dem im Verfahren erster Instanz gar nicht geltend gemachten Rechtsgrund des "unwiederbringlichen Vertrauensverlustes" hätte das Berufungsgericht zufolge des Neuerungsverbotes nicht Rechnung tragen dürfen. Daher könnte nur die Abberufung des Rekurswerbers als Geschäftsführer der übrigen Konzerngesellschaften begehrt werden. Die Behauptung der Klägerinnen, daß dies nicht möglich sei, treffe nicht zu.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden: Gemäß § 16 Abs 2 GmbHG kann ein Geschäftsführer, der Gesellschafter ist, aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden. Dabei sind die §§ 117 und 127 HGB sinngemäß anzuwenden. Mit dieser durch die GmbHG-Novelle 1980 neu eingeführten Bestimmung sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Geschäftsführer auch dann abzuberufen, wenn sich hiefür bei der Beschlußfassung der Gesellschafter nicht die notwendige Stimmenmehrheit erzielen ließ, weil der Geschäftsführer gleichzeitig als Gesellschafter über die Hälfte aller Stimmen verfügte. Durch die sinngemäße Anwendung der §§ 117 und 127 HGB, die auch dem personalistischen Prinzip des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung entspricht, wird außerdem eine nähere Umschreibung gegeben, was ein wichtiger Grund ist (SZ 55/86). Daher liegt ein wichtiger Grund jedenfalls bei grober Pflichtverletzung oder Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertretung vor. Wichtige Gründe sind darüber hinaus alle bedeutsamen Umstände, die die Belange der Gesellschaft gefährden oder ihr die Beibehaltung des Geschäftsführers unzumutbar machen (Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 152 f). Ein wichtiger Grund kann es auch sein, wenn der betreffende Gesellschafter eine für die Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderliche Tätigkeit unterläßt und dadurch die Gesellschaft schädigt (Torggler-Kucsko in Straube, HGB, Rz 14 zu § 117).

Ob der Vertrauensverlust in die Geschäftsführung des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Dachgesellschaft eines Konzerns wegen seiner Geschäftsführertätigkeit im Rahmen anderer Konzerngesellschaften zur Abberufung als Geschäftsführer der Dachgesellschaft ausreicht, weil Vertrauen - wie das Berufungsgericht meint - nicht teilbar ist, und ob die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers mit Mehrheitsbeteiligung wegen Vertrauensverlustes berechtigte Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Geschäftsführung erfordert !Schneider in Scholz, GmbH-Gesetz7 Rz 53 zu § 38; Mertens in Hachenburg, GmbHG7 Rz 52 zu § 38 , ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend. Der Beklagte hätte nämlich, sollten die behaupteten Vorwürfe zutreffen, auch als Geschäftsführer der Dachgesellschaft einen wichtigen Grund für seine Abberufung aus dieser Geschäftsführerstellung gesetzt. Unter einheitlicher Leitung zusammengefaßte Unternehmen sind gemäß § 115 HGB zwar nur dann ein Konzern, wenn sie rechtlich selbständig sind. Die Konzernunternehmen bilden daher keine rechtliche Einheit. Die - durch Vertrag oder die Beteiligungsverhältnisse - eingeräumte Leistungsmacht verschafft dem herrschenden Unternehmen aber die Möglichkeit, auf die Geschäftsführung der übrigen Konzernunternehmen Einfluß zu nehmen (Reich-Rohrwig aaO 569). Den Geschäftsführer einer Dachgesellschaft trifft daher auch im Verhältnis zur eigenen Gesellschaft die Pflicht zur ordnungsgemäßen Konzernleitung. Überwacht er dabei Tochtergesellschaften schlecht, verletzt er seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung der Dachgesellschaft (Schneider in Scholz aaO Rz 43 und 255 zu § 43). Nichts anderes kann gelten, wenn der Geschäftsführer der Dachgesellschaft auch Geschäftsführer der übrigen Konzerngesellschaft ist. In diesem Fall hat er auch im Rahmen seiner Stellung als Geschäftsführer der Dachgesellschaft sein - konzernwidriges - Verhalten als Geschäftsführer anderer Konzerngesellschaften zu vertreten.

Das Argument im Rekurs, daß sich die Vorwürfe der Klägerinnen gar nicht auf die Dachgesellschaft beziehen, ist somit nicht stichhältig. Nicht entscheidend ist somit auch, ob dem Berufungsgericht bei seiner Beurteilung des Vertrauensverlustes ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot unterlaufen ist. Voraussetzung für die vorliegende Klage ist aber auch nicht, daß der Beklagte bereits mit Erfolg als Geschäftsführer von Tochtergesellschaften abberufen worden ist.

Aus den dargelegten Gründen ist das Verfahren daher in der vom Berufungsgericht aufgezeigten Richtung ergänzungsbedürftig. Dem Rekurs des Beklagten war somit ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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