Spruch:
Für den Anspruch gegen die Fundbehörde auf Herausgabe der Fundsache ist der Rechtsweg unzulässig
OGH 18. Dezember 1980, 7 Ob 693/80 (LGZ Wien 45 R 309/80; BG Innere Stadt Wien 38 a C 108/79 )
Text
Der Kläger, der als Polizeibeamter im Dienst ohne besonderen, auf das Suchen verlorener Sachen gerichteten Dienstauftrag am 7. Oktober 1978 einen Bargeldbetrag von 28 800 S fand und im Wachzimmer ablieferte, begehrt von der beklagten Republik Österreich, bei der die Fundsache in Verwahrung blieb, die Herausgabe zur Benützung gemäß § 392 ABGB.
Mit dem angefochtenen Beschluß hob das Berufungsgericht infolge Berufung der Beklagten das im wesentlichen im Sinne der Klage ergangene Ersturteil als nichtig auf und wies die Klage mit der Begründung zurück, daß über den Herausgabeanspruch nach der Entscheidung EvBl. 1958/217 (= SZ 31/36) die Verwaltungsbehörde zu entscheiden habe.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
In der Entscheidung SZ 31/36 hat der OGH in einem vergleichbaren Fall die Zulässigkeit des Rechtsweges für das gegen die Fundbehörde gerichtete Herausgabebegehren des Finders mit der Begründung verneint, daß die Verfügung hierüber ebenso wie über die Herausgabe an den sich meldenden Eigentümer oder letzten Inhaber der Fundsache noch zur Aufgabe der Ortsobrigkeit, somit zur Hoheitsverwaltung gehöre. Den gleichen Standpunkt vertritt Fasching I, 107. Kommentarlos wiedergegeben wird die Entscheidung des OGH in Ambrosi - Szirba, Österr. Polizeirecht (1968), 586 f. Auch der VfGH hat sich auf sie schon berufen (s. unten).
An der Rechtsmeinung der zitierten Vorentscheidung ist für einen Fall wie den vorliegenden, in dem die Fundbehörde den Fundgegenstand weiterhin selbst verwahrt und die Herausgabe an den vermeintlichen Finder unter Verneinung seiner Finderrechte verweigert, festzuhalten. Auszugehen ist davon, daß die Beklagte bei der Annahme und Verwahrung der Fundsache als Ortsobrigkeit im Sinne der §§ 389 Satz 2, 390 ABGB eingeschritten ist und daß sie auch die Herausgabe des Fundes an den Kläger zur Benützung nach § 392 Satz 1 ABGB nicht etwa als Gegnerin eines nach § 390 Satz 2 ABGB möglichen Gerichtserlages verweigert hat. Der Rekurswerber wirft vielmehr der Beklagten vor, einerseits durch die Aufbewahrung der Fundsache im eigenen Bereich eine nach § 390 ABGB nicht zulässige Verfügung getroffen und andererseits die gewählte Verwahrung nicht den Bestimmungen der §§ 391 f. ABGB gemäß beendet zu haben. Schon die Verwendung des Wortes (Orts-)Obrigkeit in den §§ 389 f. ABGB läßt keinen Zweifel daran, daß die Entgegennahme der Anzeige des Fundes, dessen Verlautbarung und auch die Verfügung über die Art der Verwahrung zur behördlichen Tätigkeit gehören. Privatrechtliche Ansprüche sind nämlich dadurch gekennzeichnet, daß sich gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüberstehen, während im öffentlichen Recht ein übergeordnetes Rechtssubjekt einseitige Gestaltungsakte setzen kann, denen das untergeordnete Rechtssubjekt unterworfen ist (JBl. 1979, 605 u. a.); in diesem Sinn und Umfang ist hier die nach § 1 JN notwendige Zuweisung der Entscheidungsbefugnis an die Verwaltungsbehörde (vgl. Fasching I, 48, 61 f.; SZ 45/134; JBl. 1979, 605) im Gesetz klar zum Ausdruck gebracht (Demelius, Grundriß des Sachenrechtes, 29; Pfersche, Sachenrecht[2], 22; Frind, Die Rechtsverhältnisse am Fund verlorener Sachen, GZ 1913, 76, 80; K. Wolff, Grundriß[4], 243).
Das weitere Schicksal des Fundes hängt nach den §§ 391 f. ABGB von der Meldung des vorigen Inhabers oder Eigentümers ab, ein weiteres Einschreiten der Behörde von der von ihr getroffenen Verfügung. Hat die Obrigkeit die Sache in den Händen des Finders belassen, so ist dieser verpflichtet, die gefundene Sache dem Empfangsberechtigten zurückzustellen, wenn sich letzterer vor Ablauf der Verjährungszeit meldet (Klang in Klang[2] II, 262, 265). Dieser privatrechtliche Anspruch gehört ebenso auf den Rechtsweg wie ein Feststellungsbegehren des letzten Inhabers gegen den Finder auf Nichtvorliegen eines Fundes (GlU 11 389). Schließlich sind auch die privatrechtlichen Ansprüche des Finders gegen den Eigentümer oder Inhaber der Sache im Rechtsweg geltend zu machen, so besonders die Klage aus dem nach § 392 Satz 4 erworbenen Eigentum bei Streit um die Verjährungsfrist (GlU 11 216) oder die Eigenschaft einer gefundenen Sache (SZ 14/142) und insbesondere der Anspruch auf Finderlohn (ständige Rechtsprechung seit GlU 3864 bis EvBl. 1976/136). Parteien sind aber in diesen Fällen stets Privatrechtssubjekte, insbesondere die unbekannten Eigentümer der gefundenen Sache, für die ein Kurator bestellt wird (GlU 11 216, 11 389).
Der Meinung des Rekurswerbers, daß das Gericht eine andere Verwahrungsverfügung der Fundbehörde als die Überlassung der Fundsache an den Finder auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen könne und daß die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde mit der Anordnung der Verwahrung in jedem Fall beendet sei, kann nicht gefolgt werden. Schon wegen des Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung kann die Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde über die Art der Verwahrung vom Gericht nur allenfalls in einem Amtshaftungsverfahren geprüft werden, das etwa nach § 393 ABGB auf Schadenersatz geführt wird. Andererseits können Weisungen an den nach § 390 ABGB bestellten Verwahrer nur durch die ihn bestellende Verwaltungsbehörde erfolgen; im Fall einer gerichtlichen Hinterlegung können die Ausfolgungsvoraussetzungen von der Verwaltungsbehörde als dem Erleger bestimmt werden (vgl. § 299 Abs. 1 Geo.; SZ 40/8 u. v. a.). Auf diese Weise kann die Behörde besonders vor Ablauf der Jahresfrist ihrer Verpflichtung entsprechen, die Berechtigung der Personen, die die Fundsache ansprechen, zu prüfen. Die Verwaltungsbehörde kann aber die Ausfolgung des Gerichtserlages auch bloß vom Ergebnis eines Rechtsstreites zwischen dem Finder und dem gegebenenfalls durch einen Kurator zu vertretenden Eigentümer abhängig machen oder streitige Ansprüche, besonders zwischen mehreren Interessenten, auf den Rechtsweg verweisen (vgl. Zeiller 2, 172). Aber auch in diesen Fällen kann der Herausgabeanspruch nicht gegen die Behörde erhoben werden. Ihre Tätigkeit ist nicht beendet, solange sie die Fundsache in eigener Verwahrung hat. Sie steht sowohl einem sich meldenden vorigen Inhaber als auch dem Finder in diesem Fall weiterhin nicht als Privatrechtssubjekt gegenüber, sondern übt Hoheitsrechte aus (VfGH Slg. 8155 P II C b mit Hinweis auf SZ 31/36; vgl. auch Punkt 4 und 5 des Erlasses des BKA vom 22. August 1950, mitgeteilt bei Liehr - Markovics, Österr. Polizeirecht II/1, 113, und den Eingangssatz der Note des Bundesministeriums für Justiz vom 2. November 1953, mitgeteilt bei Ambrosi - Szirba a.a.O., 585). Das Gericht kann demnach trotz § 1 JN (SZ 49/128 u. a.) nicht angerufen werden, um eine untätige oder nach der Behauptung des Klägers nicht gesetzmäßig tätige Verwaltungsbehörde in dem ihr überlassenen Wirkungsbereich zu einem anderen Verhalten zu zwingen. Hiefür steht nur der Rechtszug des Verwaltungsverfahrens und allenfalls die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zum Schutz gegen Eingriffe der Verwaltung in das Eigentum offen (vgl. Antoniolli, Allgemeines Verwaltungsrecht, 256, sowie VfGH JBl. 1951, 237).
Aus den dargestellten Gründen ist an der Rechtsansicht der Entscheidung SZ 31/36 festzuhalten, wonach Herausgabeansprüche gegen die Fundbehörde nur im Verwaltungsweg durchgesetzt werden können. Die scheinbar gegenteilige Entscheidung des OGH GlU 1716, wonach der Finder mit seinem Anspruch auf Überlassung der Benützung auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen werden müsse, betraf nur die Abgrenzung zum außerstreitigen Verfahren in einem typischen Privatrechtsstreit mit dem Eigentümer (-Kurator); ihrer allgemeinen Formulierung ist schon Klang in Klang[2] II, 284 entgegengetreten. Art. 6 MRK steht der Verweigerung des Rechtsweges mit Rücksicht auf die Auffassung des VfGH nicht entgegen, daß die Anrufbarkeit des VwGH das Recht auf den unabhängigen Richter sichert (VfSlg. 5100; ÖJZ 1966, 248; RZ 1979/31).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)