OGH 7Ob69/10p

OGH7Ob69/10p5.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** W*****, vertreten durch Brand Lang Wiederkehr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Prof. DI Dr. D***** H*****, vertreten durch Bollmann & Bollmann Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, und die Nebenintervenientin I***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 91.725,77 EUR (sA), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2010, GZ 15 R 148/09h-254, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Soweit der Beklagte das Berufungsurteil gesondert auch im Kostenpunkt anficht, wird sein außerordentliches Rechtsmittel als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte hat in einem Vorprozess ein unrichtiges Sachverständigengutachten erstattet. Aufgrund eines im vorliegenden Verfahren ergangenen Zwischenurteils steht rechtskräftig fest, dass er dem Kläger, der im Vorprozess unterlegen ist, deshalb haftet. Im fortgesetzten Verfahren war nur mehr die Höhe des dem Kläger zu leistenden Schadenersatzes zu klären. Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es dem Kläger 30.145,55 EUR (sA) zusprach und das Mehrbegehren von 61.580,22 EUR (sA) abwies. Den Großteil des abgewiesenen Betrags stellen die Kosten für die Neueindeckung des Daches dar. Beide Vorinstanzen nahmen an, dass das unrichtige Gutachten des Beklagten für diesen Schaden nicht kausal gewesen sei, weil der betreffende Anspruch im Vorprozess vom Obersten Gerichtshof mit Teilurteil vorweg als verjährt abgewiesen worden war (3 Ob 557/94 vom 7. 9. 1994).

1. Der Kläger macht in seiner Zulassungsbeschwerde und Rechtsrüge geltend, die Ansicht des Berufungsgerichts, die Kosten der Dacheindeckung stünden ihm nicht zu, sei unrichtig, weshalb eine revisible Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliege. Damit vermag der Kläger einen tauglichen Grund für die Zulassung seines außerordentlichen Rechtsmittels nicht aufzuzeigen:

Ob einer Prozesspartei durch ein schuldhaft unrichtiges Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen ein Schaden entstanden ist, ist danach zu beurteilen, ob die Entscheidung im Vorprozess für sie günstiger ausgefallen wäre, wenn der Sachverständige dort ein in allen von ihm begutachteten Fragen richtiges Gutachten abgegeben hätte (RIS-Justiz RS0026360). Diesem Rechtssatz folgend haben die Vorinstanzen der Bemessung des vom Beklagten zu ersetzenden Schadens den hypothetischen Prozessausgang des Vorprozesses bei Vorliegen eines richtigen Gutachtens zugrundegelegt. Da das Begehren auf Ersatz der Kosten der Dacheindeckung im Vorprozess wegen Verjährung abgewiesen wurde, hätte auch ein richtiges Gutachten am Prozessausgang insofern nichts geändert. Anders als hier hatte der Kläger im Übrigen dort gar nicht behauptet, dass die Kosten der Dacheindeckung - auch - durch die verfehlte Planung der Dachrinne verursacht worden seien. Die Ansicht der Vorinstanzen, die betreffende Forderung sei mangels Kausalität nicht berechtigt, stellt daher keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung dar, sondern entspricht der Rechtslage. Die Kosten der Dacheindeckung waren im Vorprozess nicht mehr Gegenstand des weiteren Verfahrens, dessen Ausgang durch das unrichtige Gutachten des Beklagten beeinflusst wurde. Dass die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang von „res iudicata“ gesprochen haben, sollte offensichtlich nur zum Ausdruck bringen, dass über die Forderung auf Ersatz der Kosten der Dacheindeckung auch im Hinblick auf das vorliegende Verfahren insofern bereits endgültig entschieden wurde, als das Fehlverhalten des Beklagten auf diese Entscheidung keinen Einfluss gehabt habe. Die Revisionsausführungen, dass res iudicata im eigentlichen Sinn schon mangels Parteienidentität nicht in Frage komme, müssen daher ins Leere gehen.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.

2. Der Beklagte wendet sich zunächst gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts und rügt einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius; insofern ist sein außerordentliches Rechtsmittel als Kostenrekurs anzusehen. Darauf ist nicht weiter einzugehen, da die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz im Kostenpunkt - mangels Erwähnung in § 519 ZPO - jedenfalls unanfechtbar ist (RIS-Justiz RS0075211) und nach ständiger Rechtsprechung daher weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden kann. Soweit damit die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts angefochten wird, ist die außerordentliche Revision des Beklagten daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen (vgl 7 Ob 324/04p; 10 ObS 47/06v; 2 Ob 176/08h ua).

3. Weiters wird vom Beklagten ein Grund für die Zulassung seiner außerordentlichen Revision darin erblickt, dass das Erstgericht von der ihm vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss überbundenen Rechtsansicht, hinsichtlich des dem Kläger gebührenden Ersatzanspruchs für die Neuherstellung der Dachrinne sei ein Abzug „neu für alt“ zu berücksichtigen, abgewichen sei. Diesen Einwand hat aber schon das Berufungsgericht zutreffend als unrichtig verworfen und darauf hingewiesen, dass es im Aufhebungsbeschluss die nun vom Erstgericht vertretene Rechtsmeinung „keineswegs ausgeschlossen“ habe. Abgesehen davon stellte ein Abgehen der Vorinstanzen von einer vom Berufungsgericht im Aufhebungsbeschluss geäußerten Rechtsmeinung keinen Revisionsgrund dar, weil die rechtliche Beurteilung letzten Endes dem Revisionsgericht zusteht und es daher gleichgültig ist, ob das Berufungsgericht von seiner ursprünglichen Rechtsansicht abgegangen ist, wenn die in der zweiten Berufungsentscheidung vertretene Rechtsansicht die richtige ist (Pimmer in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 499 ZPO Rz 20 mwN).

Auf den vorliegenden Rechtsfall ist unstrittig deutsches materielles Recht anzuwenden. Zur Frage, ob der Kläger Anspruch auf Ersatz der Kosten der Neuherstellung der Dachrinne hat oder ein Vorteilsausgleich vorzunehmen ist, hat schon das Erstgericht die von der deutschen Judikatur vertretenen Grundsätze dargestellt und diesen Grundsätzen folgend eingehend dargelegt, warum die Kosten der Neuherstellung ungekürzt zustehen. Ein Widerspruch zur betreffenden deutschen Judikatur wird vom Beklagten nicht aufgezeigt. Dass einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehlt, ist im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ohne Bedeutung (vgl RIS-Justiz RS0042948) und wird vom Beklagten ohnehin nicht als Grund für die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ins Treffen geführt.

Die vom Beklagten weiters behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).

Schließlich macht der Beklagte noch das Fehlen von diversen Feststellungen als Zulassungsgrund geltend. Auch diese Ausführungen zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf, sondern stellen im Wesentlichen eine unzulässige Beweisrüge dar. Die rechtlichen Folgerungen des Beklagten gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt, sondern von Prämissen aus, die sich auf Annahmen des Beklagten gründen, die von den vom Berufungsgericht gebilligten erstgerichtlichen Feststellungen abweichen.

Da der Beklagte auch im Rahmen seiner Rechts- und Mängelrüge und demnach insgesamt keinen tauglichen Zulassungsgrund aufzeigt, ist auch seine außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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