Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.225,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 565,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Zum Nachlaß der am 14. Mai 1985 verstorbenen Johanna K*** gehörte auch das auf den Namen der Erblasserin lautende von der beklagten Partei ausgestellte Sparbuch Nr. 618/12590009 mit einem Einlagenstand zum Todestag von S 150.005,85. Der Kläger ist Testamentserbe nach Johanna K***. Am 30. Mai 1985 wurde das Sparguthaben an einen nicht Berechtigten ausbezahlt. Der Kläger begehrt den Sparbetrag zum Todestag der Erblasserin samt Anhang. Das Sparbuch sei im Zuge der Übersiedlung verlorengegangen. Der Kläger habe die beklagte Partei davon in Kenntnis gesetzt gehabt, daß das Sparbuch in den Nachlaß falle. Die beklagte Partei hätte daher die Todfallssperre vormerken müssen und gemäß Punkt 31 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Österreichischen Kreditunternehmungen (im folgenden nur ABKr) eine Verfügung über das Sparbuch nur aufgrund eines Beschlusses des Abhandlungsgerichtes zulassen dürfen.
Der Punkt 31 der ABKr hat folgenden Wortlaut: Die Kreditunternehmung wird, sobald sie vom Ableben eines Kunden Kenntnis erhalten hat, Verfügungen über Konto und Depot nur aufgrund eines Beschlusses des Abhandlungsgerichtes oder der Einantwortungsurkunde zulassen. Im Einzelfall kann sie jedoch solche Verfügungen im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen ausführen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen ersuchte der Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 1985 die beklagte Partei um Bekanntgabe des Guthabenstandes des Sparbuches zum Todestag. Er behauptete, daß die Erblasserin Eigentümerin des Sparbuches gewesen und er von den Erben mit der Durchführung der Verlassenschaftsabhandlung beauftragt worden sei. Die beklagte Partei erteilte die gewünschte Auskunft nicht und wies in ihren Antwortschreiben darauf hin, daß sie von der Verpflichtung zur Wahrung des Bankgeheimnisses nur gegenüber dem Abhandlungsgericht und gegenüber dem Gerichtskommissär entbunden sei; gegen den Erbenmachthaber nur dann, wenn bereits eine Einantwortungsurkunde und eine entsprechende Vollmacht vorliege. Darüber hinaus könne auch in diesen Fällen aufgrund der Rechtsnatur anonymer Sparbücher Auskunft nur erteilt werden, wenn das angeführte Sparbuch zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers in seinem Besitz gestanden sei und sich im Zeitpunkt der Anfrage in Händen des Anfragenden befinde. Daraufhin teilte der Kläger der beklagten Partei am 28. Mai 1985 telefonisch und am 30. Mai 1985 auch schriftlich mit, daß er im Besitz des Sparbuches sei. Tatsächlich war der Kläger nie im Besitz des Sparbuches. Am 9. September 1985 teilte der Kläger dem Abhandlungsgericht mit, daß das Sparbuch in Verlust geraten sein müsse. Mit Beschluß des Abhandlungsgerichtes vom 10. September 1985 wurde das Sparbuch "abhandlungsbehördlich freigegeben" und ausgesprochen, daß der Kläger über das Sparbuch verfügungsberechtigt ist. Am 30. Mai 1985 war das Sparbuch der beklagten Partei vorgelegt und von dieser das Sparguthaben von S 152.474,-- an den Vorleger nach Nennung des Losungswortes "Schärding" ausbezahlt worden.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei Punkt 31 der ABKr schon seinem Wortlaut nach nicht auf Sparbücher anzuwenden. Im übrigen sei der beklagten Partei eine Verweigerung der Leistung nur zumutbar, wenn sie die mangelnde Berechtigung des Inhabers kenne oder aus grober Fahrlässigkeit nicht kenne. Da diese Voraussetzungen hier nicht gegeben gewesen seien, sei die beklagte Partei berechtigt gewesen, den Sparbetrag an den Vorleger des Sparbuches auszuzahlen. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig ist. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes handle es sich bei dem Sparbuch der Erblasserin um ein anonymes Sparbuch. Auf solche Sparbücher sei Punkt 31 der ABKr nicht anzuwenden. Solche Sparbücher seien nur über Mitteilung des Gerichtes oder des Gerichtskommissärs in die Verlassenschaftssperre einzubeziehen, weil die Bank nicht beurteilen könne, ob solche Sparbücher zum Vermögen des Verstorbenen gehörten. Beim anonymen Sparbuch sei die Bank berechtigt, an den Präsentanten, der das vereinbarte Losungswort nenne, Zahlung zu leisten. Die beklagte Partei habe daher durch Auszahlung des Sparguthabens an den Präsentanten des Sparbuches nicht rechtswidrig gehandelt.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, weil zur Frage, ob Punkt 31 der ABKr auch auf Sparbücher anzuwenden ist, die auf Überbringer lauten, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt und der Beantwortung dieser Frage über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt. Beizupflichten ist dem Revisionswerber lediglich darin, daß auch die Spareinlagen bei den Kreditunternehmungen auf Konten zu buchen sind und daher nicht schon der Wortlaut des Punktes 31 der ABKr dessen Anwendung auf Sparbücher (Sparkonten) ausschließt. Damit ist aber für den Standpunkt des Revisionswerbers im Ergebnis nichts gewonnen. Auszugehen ist davon, daß das Verfahren außer Streitsachen keine Bestimmung darüber enthält, was im Falle des Todes eines Kunden einer Kreditunternehmung mit seinem Konto oder anderen in der Verwahrung der Kreditunternehmung befindlichen Vermögenswerten zu geschehen hat. Aus diesem Grunde bestimmt Punkt 31 ABKr als vertragliche Regelung im Interesse der Erben und Verlassenschaftsgläubiger, daß die Kreditunternehmung, sobald sie vom Ableben eines Kunden Kenntnis erhalten hat, Verfügungen grundsätzlich nur aufgrund eines Beschlusses des Abhandlungsgerichtes oder aufgrund der Einantwortungsurkunde zulassen wird, unabhängig davon, durch wen die Kreditunternehmung vom Ableben ihres Kunden Kenntnis erhalten hat (Schinnerer-Avancini, Bankverträge3 I 223). Diese vertraglich vereinbarte Verlassenschaftssperre hat jedoch ihre Grenze dort, wo in die Verfügungsberechtigung Dritter eingegriffen würde
(vgl. Schinnerer-Avancini aaO 224). Im vorliegenden Fall handelt es sich, wie schon das Berufungsgericht richtig dargelegt hat, unbeschadet der Namensbezeichnung um ein auf den Überbringer lautendes (anonymes) Sparbuch. Die bloße Namensbezeichnung reicht für die Zuordnung einer Sparurkunde an eine bestimmte Person nicht aus, weil ein Sparkonto selbst mit einem falschen oder erdichteten Namen eröffnet werden kann (NZ 1984, 129; Avancini, Die Sparurkunde in zivil- und strafrechtlicher Sicht in ÖJZ 1986, 356). Daran ändert auch nichts der Umstand, daß ein Losungswort vorgesehen war. Die Vereinbarung eines Losungswortes ist kein mit einer bestimmten Person untrennbar verknüpfter Legitimationsnachweis, sondern nur Nachweis einer formalen Berechtigung, durch die die den Inhaberpapieren eigene Legitimationswirkung nur abgeschwächt, nicht aber beseitigt wird (vgl. Avancini aaO 355). Bei einem auf den Überbringer lautenden (anonymen) Sparbuch kann das Kreditunternehmen aber nicht beurteilen, ob es zum Vermögen des Verstorbenen gehörte, sodaß es mit Rücksicht auf die von Punkt 31 der ABKr nicht berührte Verfügungsberechtigung Dritter nicht von der vereinbarten Verlassenschaftssperre umfaßt wird
(vgl. Schinnerer-Avancini aaO 224). Nichts anderes ergibt sich aus den internen Richtlinien der beklagten Partei betreffend die Behandlung von Sparkonten aus Anlaß eines Todesfalles. Da diese überdies nur den internen Geschäftsvorgang regeln und der Kläger nicht einmal behauptet hat, daß sie zum Vertragsinhalt zwischen der beklagten Partei und der Erblasserin gemacht wurden, könnte sich der Kläger auch sonst auf sie nicht mit Erfolg berufen. Eine Verletzung des Punktes 31 der ABKr durch die beklagte Partei als Grundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch scheidet daher aus. Eine behördliche Sperre wurde ohnedies nicht behauptet.
Der Anspruch des Klägers kann aber auch nicht aus dem allgemeinen Grundsatz des § 1424 ABGB abgeleitet werden, daß die beklagte Partei die Leistung nicht dem wahren Gläubiger erbracht habe und demnach nicht leistungsfrei geworden sei. Dieser Grundsatz ist für auf Überbringer lautende Sparurkunden durchbrochen. Auf solche Sparurkunden ist auch § 18 Abs. 8 KWG nicht anwendbar. Beim Überbringersparbuch kann die Kreditunternehmung keinen Nachweis der materiellen Berechtigung des Präsentanten verlangen. Den Überbringersparurkunden kommt daher gesteigerte Legitimationswirkung insoweit zu, als die gutgläubige Kreditunternehmung von ihrer Zahlungspflicht befreit wird, wenn sie an den Inhaber der Sparurkunde, allenfalls nach Nachweis der formalen Berechtigung durch Nennung eines Losungswortes leistet (Zawischa, Zur Rechtsnatur des Sparbuches nach dem Kreditwesengesetz 1979 in Bankarchiv 1983, 206). Strittig ist, ob die Gutgläubigkeit der Kreditunternehmung lediglich durch positive Kenntnis der mangelnden materiellen Berechtigung des Inhabers und der (leichten) Beweisbarkeit dieses Rechtsmangels oder schon bei grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen wird (vgl. Zawischa aaO 207; Avancini, Das Sparbuch im österreichischen Recht 100; derselbe, Das Spareinlagengeschäft im Entwurf für ein neues Kreditwesengesetz in Slaik-Fuchs-Schinnerer, Aktuelle Probleme zum Recht des Kreditwesen, 79; Canaris in Großkomm. HGB3 III/3 612). Diese Frage braucht hier aber deshalb nicht erörtert zu werden, weil die positive Kenntnis der beklagten Partei von der mangelnden materiellen Berechtigung des Präsentanten des Sparbuches nicht einmal behauptet wurde und grobe Fahrlässigkeit auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes auszuschließen ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat nämlich der Kläger der beklagten Partei gegenüber nicht nur behauptet, Erbenmachthaber, sondern auch im Besitz des Sparbuches zu sein. Nach diesen Behauptungen des Klägers mußte es die beklagte Partei nicht als geradezu wahrscheinlich ansehen, daß das Sparbuch von einem nicht Berechtigten vorgelegt werde, sodaß ihr, entgegen der Meinung des Klägers, die mangelnde Rückfrage vor Auszahlung des Sparguthabens nicht als auffallende Sorglosigkeit angelastet werden könnte. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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