OGH 7Ob678/84

OGH7Ob678/8412.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dagmar I*****, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei G***** „E*****“ reg.GenmbH in *****, vertreten durch Dr. Wilfried Haidacher, Rechtsanwalt in Graz, und den auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten Dr. Franz Kodolitsch, Rechtsanwalt in Graz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Geschäftsfrau Erika I*****, derzeit unbekannten Aufenthalts, wegen 187.667 S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Juni 1984, GZ 6 R 97/84‑30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 9. April 1984, GZ 13 Cg 70/83‑29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00678.840.0912.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Beide Parteien und der Nebenintervenient der beklagten Partei haben die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrt mit der Behauptung einer Einlösung der Forderungen nach § 1422 ABGB von der beklagten Partei als Käuferin der Liegenschaft EZ ***** KG ***** die Zahlung des Klagsbetrags aufgrund der zugunsten von Maria W***** verbücherten Reallast einer wertgesicherten monatlichen Leibrente von 1.200 S. Die Beklagte wendete ein, dass die Reallastberechtigte auf das dingliche Recht wirksam verzichtet habe, sodass die beklagte Partei die Liegenschaft mit einer forderungsentkleideten bücherlichen Belastung übernommen habe.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Tatsachenfeststellungen in Verbindung mit Außerstreitstellungen war der Geschäftsfrau Maria W***** in einem Vertrag vom 1. 9. 1953 vom Möbelparadies E***** und dessen Gesellschaftern eine lebenslängliche Leibrente von monatlich 1.200 S wertgesichert zugesagt und diese Reallast auf der streitgegenständlichen Liegenschaft des Ludwig und der Olga E***** verbüchert worden. Anlässlich der Liquidation der genannten Firma verpflichtete sich der Ehemann der Klägerin, Dr. Gottfried I*****, in einem schließlich angenommenen Übernahmsanbot vom 5. 8. 1976 gegenüber dem Liquidator Dr. Josef F***** zur Beibringung einer Freilassungserklärung der Leibrentenberechtigten. Am 13. 10. 1976 unterfertigte Maria W***** ein Übereinkommen mit Dr. Gottfried I*****, wonach sie für den Fall der Alleinübernahme und Fortführung des Unternehmens durch Dr. Gottfried I***** die Ehegatten Ludwig und Olga E***** sowie Erika I***** aus der persönlichen Haftung und die Ehegatten Ludwig und Olga E***** aus der Sicherstellung der Reallast auf der streitgegenständlichen Liegenschaft entlasse. Im Zuge der Liquidation wurde dann die strittige Liegenschaft an Dr. Gottfried I***** übertragen. Die Klägerin hatte von dem Übereinkommen ohne Zweifel Kenntnis. In der Folge wurde das Eigentumsrecht an der Liegenschaft auf die beklagte Bau‑ und Siedlungsgenossenschaft übertragen. Die Verkäufer erklärten ausdrücklich, dass die Reallast forderungsentkleidet sei, verpflichteten sich aber auch zu ihrer Löschung und zur Klag‑ und Schadloshaltung der Käuferin.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters besteht die Einlösungsforderung der Klägerin infolge ihrer Kenntnis von der bereits eingetretenen Forderungsentkleidung der Reallast nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstrichters bei. Die Klägerin habe mit der Einlösung der Forderung iSd § 1422 ABGB wohl eine persönliche Schuld des Dr. Gottfried I***** übernommen, nicht aber die bücherliche Sicherstellung auf der strittigen Liegenschaft, weil Maria W***** die Schuldner ihrer Leibrentenforderung infolge ihrer Freilassungserklärung nicht mehr in Anspruch nehmen könne. Die zweite Instanz erklärte die Revision für zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist ungeachtet des Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, nicht zulässig. Die gegenteilige Begründung des Berufungsgerichts, dass die in diesem Verfahren anstehenden Rechtsfragen den Ausspruch über die Revisionszulässigkeit rechtfertigten, entsprach nicht der Vorschrift des § 500 Abs 3 letzter Satz ZPO, wonach der Zulassungsausspruch kurz zu begründen ist. Tatsächlich hatte das Berufungsgericht die Rechtssätze seiner Entscheidung mit einer vorhandenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs begründet. Auch in der Revision werden entgegen § 503 Abs 2 ZPO keine Rechtsfragen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts geltend gemacht, denen erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukäme:

Als unrichtige rechtliche Beurteilung macht die Revisionswerberin zunächst geltend, eine Rüge verschiedener Verfahrensmängel in erster Instanz nach § 196 ZPO sei ihr vom Erstgericht durch den vorzeitigen Schluss der Verhandlung abgeschnitten worden. Damit macht die Klägerin keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend. Verfahrensmängel erster Instanz können aber nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einmal mit einer Vollrevision geltend gemacht werden und bilden umsoweniger im Zulassungsbereich einen Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO (6 Ob 539/84 ua; Petrasch , ÖJZ 1985, 297).

Die weitere Rechtsrüge, eine Übernahme der Leibrentenverpflichtung durch Dr. Gottfried I***** sei schon deshalb nicht anzunehmen, weil das seinerzeitige Teilurteil vom 14. 2. 1972 (wonach Dr. Gottfried I***** von derselben Forderung der Leibrentenberechtigten durch die Firma Möbelparadies E***** und Erika I***** zu befreien sei) nur durch Gerichtsentscheid wieder aufgehoben oder abgeändert werden konnte, ist nahezu unverständlich, weil zweifellos auch Judikatsverpflichtungen einer vertraglichen Änderung und im besonderen einer Schuldübertragung zugänglich sind; einer gerichtlichen Geltendmachung des Erlöschensgrundes bedürfte es in diesem Fall gemäß § 35 EO nur zum Zweck der Abwehr einer unberechtigten Exekutionsführung.

Auch das Revisionsvorbringen, dass die Klägerin mit der Einlösung der Forderung sämtliche Rechte der Leibrentenberechtigten gemäß § 1422 ABGB ungeachtet einer allfälligen Unkenntnis oder Gutgläubigkeit der beklagten Partei als Erwerberin der Liegenschaft erworben habe, geht ins Leere, weil nach der auf einen eindeutigen Gesetzeswortlaut und eine gesicherte Judikatur gestützten Ansicht des Berufungsgerichts die Revisionswerberin durch die Einlösung der Forderung nicht mehr Rechte erwerben konnte, als sie die von ihr befriedigte Gläubigerin gegenüber der beklagten Partei oder deren Rechtsvorgängern noch besaß (§§ 1394, 1422 ABGB; SZ 31/16; ebenso Reischauer in Rummel , Rz 8 § 1422).

Entscheidend war demnach nur die Frage, ob die Leibrentenberechtigte die Rechtsvorgänger der beklagten Partei noch vor der Einlösung der Forderungen durch die Klägerin aus der (Sach‑)Haftung entlassen hat. Diese Frage wurde vom Berufungsgericht aufgrund der festgestellten Vereinbarungen zwischen Maria W***** und Dr. Gottfried I***** einerseits sowie letzterem und dem Liquidator der Firma E*****, Dr. Josef F***** andererseits, verneint. Da die Feststellungen über den Inhalt dieser Vereinbarungen nicht bloß aufgrund der vorliegenden Urkunden, sondern auch aufgrund der Aussage der Zeugen Dr. Josef F***** getroffen wurden, handelt es sich entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht um eine Urkundenauslegung, sodass die Feststellungen nach ständiger Rechtsprechung auch nicht mehr mit Rechtsrüge bekämpfbar sind (EvBl 1968/231 uva).

Richtig ist nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen nur, dass Maria W***** im Vertrag mit Dr. Gottfried I***** aus dem Jahre 1976 auf die verbücherte strittige Reallast nicht bedingungslos verzichtet hat, sondern bloß für den Fall der Alleinübernahme und Fortführung des Unternehmens der prot Firma Möbelparadies E***** i.L. durch Dr. Gottfried I*****. Die Revisionswerberin bestritt aber gar nicht, dass Dr. Gottfried I***** das Unternehmen übernommen und fortgeführt hat (was zB auch zu hg 5 Ob 507/79 gerichtsbekannt wurde). Sie will den Nichteintritt der Bedingung nur daraus ableiten, dass einzelne Vermögenswerte nicht an Dr. Gottfried I***** übergehen und dass später der Veräußerungsvertrag durch die früheren Eigentümer angefochten wurde (S 65). Da der hierüber geführte Rechtsstreit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz in diesem Verfahren aber nicht beendet war, ist die schon seinerzeit erfüllte Bedingung auch in der Zwischenzeit nicht weggefallen.

Der Hinweis der Revisionswerberin darauf, dass die grundbücherliche Löschung der Reallast auf der strittigen Liegenschaft erst zugleich mit der Einverleibung einer gleichartigen Last auf einer Liegenschaft des Schuldübernehmers Dr. Gottfried I***** erfolgen sollte, ist nicht nur eine unzulässige Neuerung, sondern auch deshalb nicht zielführend, weil der Forderungsverzicht der Reallastberechtigten gegenüber den Rechtsvorgängern der beklagten Partei nicht in gleichter Weise von der Einräumung einer neuen Reallast auf einer anderen Liegenschaft abhängig gemacht wurde.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO; auch den Revisionsgegnern steht ein Kostenersatz nicht zu, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen haben.

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