OGH 7Ob653/89

OGH7Ob653/8928.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Egermann, Dr.Angst und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Nicole H***, geboren am 17.November 1975, Angeklika H***, geboren am 18.Jänner 1977 und Mario H***, geboren am 16. Februar 1979, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Johann H***, Lochau, Alberlochstraße 21, vertreten durch Dr.Hansjörg Klocker, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 30.Juni 1989, GZ 1 a R 240/89-55, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 9.Mai 1989, GZ P 28/88-46, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen, Nicole H***, geboren am 17. November 1975, Angelika H***, geboren am 18.Jänner 1977 und Mario H***, geboren am 16.Februar 1979, wurde am 17.September 1987 aus beiderseitigem, gleichteiligem Verschulden geschieden. Auch nach der Scheidung leben die Eltern mit den Minderjährigen noch in der vormaligen Ehewohnung. Der Vater arbeitet als Maschinenschlosser in Lindau. Seine tägliche Arbeitszeit von 5 Uhr bis 13 Uhr ermöglicht es ihm, die Kinder am Nachmittag zu betreuen. Die Mutter arbeitet derzeit 3 mal in der Woche an den Vormittagen als Aufräumerin. Sie hat Aussicht auf eine Halbtagsbeschäftigung als Verkäuferin. Die Minderjährigen hinterlassen in der Schule einen positiven Eindruck, ihre Leistungen haben jedoch - bedingt durch die Auseinandersetzungen der Eltern - nachgelassen.

Der Vater ist ruhig und besonnen. Er verbringt seine Freizeit hauptsächlich daheim und beschäftigt sich mit dem Basteln. Den Kindern gegenüber hat er viel Verständnis. Seine gefühlsmäßige Beziehung zu den Kindern ist stärker als die der Mutter. Der Vater hat jedoch Schwierigkeiten, sich als Erzieher durchzusetzen. Die mütterliche Großmutter ist - für den Fall, daß die Obsorge dem Vater zukommt - bereit, die Kinder während der berufsbedingten Abwesenheit des Vaters zu versorgen.

Die Mutter ist die dominante Person der Familie. Sie versteht es, ihre Wünsche und Vorstellungen auch in der Erziehung der Kinder durchzusetzen.

Die Bezirksverwaltungsbehörde sprach sich dafür aus, das Sorgerecht dem Vater zuzuerkennen. Im Zuge einer Befragung durch das Institut für Sozialdienste, Beratungsstelle Bregenz äußerte die mj. Angelika sofort, lieber mit der Mutter leben zu wollen. Die mj. Nicole, für die ursprünglich beide Möglichkeiten akzeptabel waren, entschied sich daraufhin ebenfalls für ein Leben bei der Mutter. Der mj. Mario zögerte am längsten, entschied sich aber denn ebenfalls für die Mutter, betonte jedoch, wie gern er den Vater in der Nähe hätte.

Die Mutter beantragt, ihr das Sorgerecht für die Kinder zu übertragen.

Der Vater spricht sich dagegen aus und beantragt seinerseits, ihm die Obsorge für die Kinder zuzuerkennen.

Das Erstgericht entschied (auch im zweiten Rechtsgang), daß die Obsorge für die Kinder dem Vater zukomme. Wegen der ruhigen, besonnenen Art des Vaters, seiner größeren gefühlsmäßigen Bindung zu den Kindern und dem Bestreben, im Zuge der Erziehungsmaßnahmen das Verständnis der Kinder zu suchen, liege es im Interesse der Kinder, die Obsorgeentscheidung zugunsten des Vaters zu treffen. In diesem Sinn habe sich auch die mütterliche Großmutter ausgesprochen. Die tägliche Versorgung der Kinder sei beim Vater gesichert. Dagegen müsse die Mutter, die im Scheidungsvergleich auf Unterhalt verzichtet habe, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes eine Beschäftigung annehmen, so daß in dieser Hinsicht bei ihr keine bessere Situation für die Kinder gegeben sei.

Das Rekursgericht sprach aus, daß die Obsorge der Mutter allein zustehe. Die Stellungnahme des Vaters zum Rekurs der Mutter wies das Rekursgericht zurück. Nach der Rechtsauffassung des Rekursgerichtes spreche zwar für den Vater, daß er unter hohem persönlichen Einsatz redlich bemüht sei, neben seiner Arbeit für die Erziehung und Betreuung der Kinder zu sorgen. Es sei ihm dabei auch gelungen, eine gute Beziehung zu den Kindern herzustellen. Im Hinblick auf seine Schwierigkeiten, sich in der Erziehung bei den Kindern durchzusetzen, erscheine er jedoch als Erzieher überfordert. Seine Vorzüge kämen daher nicht zum Tragen. Die Mutter biete mit ihrer zielstrebigen Art Halt und Orientierung für die Kinder. Gegen die Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater spreche auch der klare und eindeutige Wunsch der Kinder. Schließlich sei aber auch die Betreuung durch den Vater, selbst wenn es bei der Frühschicht bleibe, nicht jener durch die Mutter gleichzuhalten. Der Vater sei am Morgen nie zu Hause. Die teilweise Führung des Haushaltes durch die älteste Tochter sei, wenn diese auch schon relativ selbstständig sei, nicht ausreichend. Der Mutter würde es in Hinkunft obliegen, eine entsprechende Betreuungssituation auch im Falle der Aufnahme einer regelmäßigen Halbtagsbeschäftigung zu gewährenleisten. Der Betreuung durch einen Elternteil sei aber der Vorzug vor der Betreuung durch einen Großelternteil zu geben. Durch die Zielstrebigkeit der Erziehung durch die Mutter sei auch zu erwarten, daß sich die Kinder in Zukunft gut weiterentwickeln werden. Die vorgenommene Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten an die Mutter entspreche daher dem Wohl der Kinder.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Vater erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Als Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens rügt der Revisionsrekurswerber, daß das Rekursgericht zwar seine Stellungnahme zum Rekurs der Mutter zurückgewiesen, die damit vorgelegte Erklärung der mütterlichen Großmutter, die Betreuung der Kinder auch in den Morgenstunden übernehmen zu wollen, aber behandelt und zu seinem Nachteil gewertet hat. Eine solche widersprüchliche Vorgangsweise sei dem - vom Grundsatz der Amtwegigkeit geprägten - Außerstreitverfahren fremd. Im Außerstreitverfahren ist von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen eine Rechtsmittelbeantwortung nicht vorgesehen. Wenn auch ein Schriftsatz des Gegners des Rechtsmittelwerbers in Fällen, in denen das Rechtsmittel zulässige Neuerungen enthalten hat, nicht nur für zulässig, sondern auch für notwendig erkannt wurde (8 Ob 545/83; 6 Ob 17/84; 8 Ob 514/86), bestehen an der Zurückweisung der Rekursbeantwortung des Vaters keine Bedenken. Der Rekurswerber führt dazu auch nicht aus, aus welchen Gründen seine Stellungnahme zum Rekurs der Mutter gerade im vorliegenden Fall zulässig und notwendig gewesen wäre. In der Berücksichtigung einer von ihm vorgelegten Erklärung kann aber keine ihn in seinen Rechten beeinträchtigende Mangelhaftigkeit des Verfahrens erkannt werden. Diese Berücksichtigung konnte auch deshalb keinen relevanten Mangel begründen, weil die Entscheidung nicht davon abhängt, daß der Vater die Kinder in den Morgenstunden nicht selbst betreuen kann. Auch im Außerstreitverfahren, in dem die Rechtsmittelgründe im Gesetz nicht besonders genannt sind, kann ein Verfahrensfehler nur dann eine relevante Mangelhaftigkeit begründen, wenn er auf die Entscheidung einen Einfluß gehabt hat.

In seiner Rechtsrüge macht der Vater im weseenlichen geltend, daß das Rekursgericht seine Eignung als Erzieher nicht richtig beurteilt und seine bisherigen Erfolge bei der Kindererziehung nicht richtig gewürdigt habe. Dagegen habe das Erstgericht festgestellt, daß die Mutter gegenüber den Kindern zur Härte und zu strengen Erziehungsmaßnahmen neige und vor lautstarkem Tadel, vor Beschimpfungen und Schlägen der Kinder selbst in der Öffentlichkeit nicht zurückscheue. Insgesamt habe die Mutter nur wenig Geduld mit den Kindern.

Für die Zuteilung der Elternrechte und -pflichten (Obsorge) ist in erster Linie das Wohl des Kindes maßgebend (EFSlg 48.420 uva). Die Umstände bei dem einen Elternteil und die beim anderen sind in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen. Neben dem materiellen Intersse an einer möglichst guten Verpflegung und Unterbringung ist von Bedeutung, wo eine möglichst gute Erziehung und Beaufsichtigung sowie möglichst günstige Voraussetzungen für eine seelische und geistige Entwicklung gewährleistet erscheinen (EFSlg 51.309 uva). Im vorliegenden Fall sind die äußeren Umstände für die Zuteilung der Obsorge bei beiden Elternteilen gleichwertig. Die Eltern verfügen derzeit nur über die vormalige Ehewohnung, sodaß sich der jeweils ausziehende Teil erst eine entsprechende Wohnung wird suchen müssen. Welcher Elternteil das sein wird, steht noch nicht fest. Seit der Scheidung werden die Minderjährigen abwechselnd von beiden Elternteilen betreut. Dabei haben sich keine Vorzüge für die Unterbringung bei einem bestimmten Elternteil herausgestellt. Die Verhinderung des Vaters bei der Betreuung der Kinder (derzeit in den Morgenstunden) ist unerheblich, weil auch die Mutter einer Beschäftigung nachgehen muß, weshalb auch sie nicht immer in der Lage sein wird, die Kinder selbst zu betreuen. Beide Elternteile sind bei der Betreuung der Kinder im Fall der Zuteilung der Obsorge an sie daher zum Teil auf fremde Hilfe angewiesen.

Für die Mutter spricht jedoch, daß sie - im Gegensatz zum Vater - bei der Kindererziehung nicht überfordert und daher in der Lage ist, den Kindern den erforderlichen Halt und Schutz zu geben. Die Entwicklungschancen der Kinder erscheinen im Fall der Erziehung und Betreuung durch die Mutter daher - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - in größerem Ausmaß sichergestellt. Dazu kommt aber auch, daß sich die Kinder für das Leben mit der Mutter ausgesprochen haben. Die Äußerung der nunmehr nahezu 14 Jahre alten Nicole darf bei der Entscheidung nicht unberücksichtigt bleiben, weil gegen ihren Wunsch keine schwerwiegenden Gründe sprechen (EFSlg 26.557 uva). Die Trennung von Geschwistern soll aber tunlichst vermieden werden (JBl 1979, 366). Soweit der Vater im Revisionsrekurs davon ausgeht, daß die Mutter die Kinder laufend beschimpfe und mißhandle, entfernt er sich vom festgestellten Sachverhalt. Im zweiten Rechtsgang wurde ein derartiges Fehlverhalten der Mutter nicht festgestellt.

In der Zuteilung der Obsorge für die Kinder an die Mutter kann somit kein Rechtsirrtum erblickt werden. Dem Revisionsrekurs des Vaters war daher ein Erfolg zu versagen.

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