Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.605,-- (darin enthalten S 1.267,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin nahm bei der Beklagten seit September 1991 Reitstunden. Während der Reitstunde am 16.3.1992 stürzte die Klägerin vom Pferd, weil dieses in schnellen Trab überging, nach hinten ausschlug und etwas in die Höhe stieg. Diese Reaktionen des Pferdes wurden durch die falsche, nicht den Anordnungen der Beklagten entsprechende Hilfegebung durch die Klägerin hervorgerufen.
Die Klägerin begehrte S 122.000,-- an Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung der Beklagten für Folgeschäden. Die Klägerin brachte vor, die Beklagte habe die Klägerin als Reitanfängerin auf dem bockigen Hengst, der den Kommandos der Klägerin schon vorher nicht gefolgt sei, weiterreiten lassen, ohne einzugreifen. Es sei der Beklagten vorzuwerfen, daß sie das Pferd nicht an die Longe genommen habe.
Die Beklagte bestritt die Klagsbehauptungen und beantragte Klagsabweisung.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es vertrat die Ansicht, daß die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, das Pferd an die Longe zu nehmen, weil die Klägerin nervös gewesen sei.
Das Gericht zweiter Instanz änderte das Urteil im Sinn einer Klagsabweisung ab. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes hätte die Klägerin beweisen müssen, daß ein Longieren den Sturz verhindert hätte. Obgleich nicht daran zu zweifeln sei, daß ein Longieren die Sturzgefahr ganz erheblich vermindert hätte, könne der Beklagten selbst bei Anwendung des Sorgfaltsmaßstabes des § 1299 ABGB nicht als Verschulden zur Last gelegt werden, daß sie das Longieren unterlassen habe.
Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil das Reiten als Freizeitsport immer mehr betrieben werde und sich dadurch auch Reitunfälle häuften, aber zur Reitlehrerhaftung keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch unzulässig, weil entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs.1 ZPO zu klären ist.
Bei Anwendung des § 1298 ABGB ist darauf abzustellen, ob dem Geschädigten der Beweis - sei es auch nur, wo dies statthaft ist, der Anscheinsbeweis - gelungen ist, daß der Schädiger sich nur in bestimmter Weise rechtmäßig verhalten hätte, er sich aber tatsächlich anders verhalten hat (JBl 1994, 47). Zu prüfen war deshalb, ob sich die Beklagte nur dann rechtmäßig verhalten hätte, wenn sie das Pferd der Klägerin iS der von dieser vertretenen Ansicht an die Longe genommen hätte.
Ungeachtet dessen, ob der Sturz der Klägerin vom Pferd im Fall des Longierens überhaupt oder mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad der Sturz unterblieben wäre, steht demnach die Frage im Vordergrund, ob es der Beklagten aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles als fahrlässiges Fehlverhalten angelastet werden kann, daß sie das Pferd nicht an die Longe genommen hat, ehe der Unfall passierte. Wie diese Frage - auch bei Bedachtnahme auf den erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB - zu beantworten ist, hängt vom konkreten Sachverhalt ab, sodaß die Entscheidung in dieser Rechtssache infolge Unwahrscheinlichkeit des künftigen Eintrittes gleichgelagerter Sachverhalte keine richtungsweisende Bedeutung zukommen kann. Eine allgemein gültige Aussage dahin, unter welchen Umständen ein Pferd beim Übungsbetrieb an die Longe zu nehmen ist, läßt sich aus dem vorliegenden Sachverhalt nicht gewinnen. Der Oberste Gerichtshof soll, von grundsätzlichen Fragen abgesehen, nicht Entscheidungen über Fragen der Verschuldensabwägung zu treffen haben (ZVR 1986/11 uva). Eine krasse Fehlbeurteilung kann in der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz, daß der Beklagten die Art der Leitung der Reitstunde nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, zumal die Klägerin bereits 22 Reitstunden absolviert gehabt habe, sich als talentiert erwiesen habe, mit demselben Pferd auch schon frei ausgeritten gewesen sei, das Pferd grundsätzlich für den Reitschulbetrieb geeignet gewesen sei, der zunächst in der Halle vorhandene weitere Reiter, der die Klägerin und allenfalls ihr Pferd irritiert hatte, die Halle bereits vor dem Unfall verlassen gehabt habe und zwischen dem erstmaligen Ausschlagen des Pferdes, der darauf folgenden falschen Reaktion der Klägerin und deren Sturz keine Zeit mehr für ein Eingreifen verblieben sei, nicht erblickt werden.
Aufgrund der dargestellten Rechtsansicht der zweiten Instanz, die mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechtes nicht weiter zu prüfen ist, erübrigte sich ein Eingehen auf die in der Berufungsbeantwortung der klagenden Partei enthaltene Beweisrüge betreffend die Behauptungen der Klägerin, daß der Unfall mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre, wenn die Beklagte das Pferd zum Unfallszeitpunkt longiert hätte.
Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen hat, hat ihr die Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß den §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.
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