OGH 7Ob638/91

OGH7Ob638/9120.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Handelsgesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Erwin Bajc und Dr. Peter Zach, Rechtsanwälte in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei PA***** Gesellschaft m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Michael Wonisch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 50.031,60 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 18. September 1991, GZ 2 R 19/91-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg vom 28.November 1990, GZ 13 Cg 36/90-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt mit der am 20.12.1989 eingebrachten Klage den Zuspruch von S 50.031,60 s.A.. Sie habe im Lager der beklagten Partei 4 Reifen einer besonderen Größe eingelagert gehabt. Ohne dazu berechtigt gewesen zu sein, habe die beklagte Partei am 8.1.1988 einen dieser Reifen an die PR***** Gesellschaft m.b.H. herausgegeben. Kurz danach habe die klagende Partei den Reifen, der für eine Baumaschine bestimmt gewesen sei, benötigt und habe, um einen geschäftlichen Auftrag erfüllen zu können, einen entsprechenden Reifen zukaufen müssen. PR***** habe den ihr von der beklagten Partei eigenmächtig ausgefolgten Reifen nicht gezahlt, sodaß der klagenden Partei ein Schaden in der Höhe des Verkaufspreises des Reifens entstanden sei. Der schließlich ins Lager der beklagten Partei zurückgestellte Reifen sei nicht mehr verwendbar.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Auf die Geschäftsbeziehungen der Streitteile und insbesondere auch auf das Vertragsverhältnis hinsichtlich des Lagerraums der der klagenden Partei vermietet und in dem der Reifen gelagert gewesen sei, seien die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) anzuwenden. Der Abtransport des Reifens sei mit Zustimmung der klagenden Partei erfolgt. Die Klageforderung sei überdies gemäß § 62 AÖSp verjährt.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als zu Recht bestehend. Es traf folgende Feststellungen:

Die klagende Partei hatte bei der beklagten Partei einen Büro- und einen Lagerraum gemietet, in dem sie unter anderem den gegenständlichen Reifen lagerte. Ernst PR*****, der sich in seinem Unternehmen unter anderem mit der Ausstellung besonderer Kraftfahrzeuge beschäftigt, hatte von den überdimensionierten Reifen erfahren und ersuchte den Geschäftsführer der klagenden Partei, Manfred L*****, telefonisch, ob er die Reifen besichtigen könne; dies wurde ihm zugesagt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß Manfred L***** Ernst PR*****, den er gar nicht kannte, zugesagt hätte, er würde ihm einen Reifen kostenlos zur Verfügung stellen. Ernst PR***** erschien bei der beklagten Partei und verlangte unter Hinweis darauf, daß ihm Manfred L***** die kostenlose Ausfolgung eines Reifens zugesagt habe, die Herausgabe; er verfügte nicht über einen schriftlichen Ausfolgeschein oder eine entsprechende schriftliche Anweisung. Erst nach einem Monat erfuhr der Geschäftsführer der klagenden Partei, daß der Reifen von Ernst PR***** abgeholt worden sei. Über Vorhalt, daß dies ohne schriftlichen Auftrag geschehen sei, äußerte sich der Lagermeister der beklagten Partei, er werde sich bemühen, den Reifen zurückzuerhalten. Ernst PR***** blieb jedoch dabei, daß ihm der Reifen unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sei. Da die klagende Partei vier Reifen der besonderen Dimension an einen Auftraggeber zu liefern, aber nur mehr drei Reifen zur Verfügung hatte, mußte sie einen Reifen um den Klagebetrag zukaufen. In der Folge stellte PR***** den Reifen doch wieder zurück. Er wurde im Freien gelagert und der klagenden Partei nicht ausgefolgt.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, auf die von der beklagten Partei für die klagende Partei erbrachten Spediteur- und Transportleistungen seien zwar grundsätzlich die AÖSp anzuwenden, doch hätten diese Bedingungen nicht auch auf die Anmietung eines Büro- und Lagerraumes und daraus resultierende Forderungen Anwendung zu finden. Die Klageforderung sei daher nicht verjährt. Der Lagermeister der beklagten Partei habe den Reifen unberechtigt an PR***** ausgefolgt. Die beklagte Partei hafte für diese schuldhafte und rechtswidrige Handlungsweise.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs. 1 ZPO zulässig sei. Für die Frage der Verjährung sei entscheidungswesentlich, ob für das maßgebliche Geschäft, nämlich die Vermietung eines Lagerplatzes für Reifen, die AÖSp anzuwenden seien. Für die Annahme einer ausdrücklichen Vereinbarung der AÖSp fänden sich in den von der beklagten Partei vorgelegten Urkunden keine Anhaltspunkte. Die beklagte Partei habe jedoch alle ihre Rechnungen an die klagende Partei mit dem Hinweis versehen, ausschließlich auf Grund der AÖSp zu arbeiten; die Rechnungen seien von der klagenden Partei diesbezüglich ohne Ausnahme unbeanstandet angenommen worden. Zwar komme eine stillschweigende Vereinbarung der AÖSp nur für typische Spediteurgeschäfte in Betracht. Doch zählten zu diesen neben den eigentlichen Spediteurgeschäften auch das Fracht-, Lager- und Kommissionsgeschäft mit den dazugehörigen Nebengeschäften. Auch das gegenständliche Lagergeschäft sei in diesem Sinn der Tätigkeit eines Spediteurs zuzuordnen. Ein Mietverhältnis habe hinsichtlich der Lagerhaltung der Reifen nicht bestanden; dies ergebe sich schon daraus, daß der Lagermeister der beklagten Partei ohne weiteres imstande gewesen sei, den Reifen herauszugeben. Auf das Vertragsverhältnis der Streitteile seien daher die AÖSp anzuwenden. Gemäß § 62 AÖSp aber sei der Ersatzanspruch der klagenden Partei verjährt, weil der Beginn der danach sechsmonatigen Verjährungszeit mit 21.7.1988 anzunehmen sei, das sei jener Tag, an dem die beklagte Partei von der klagenden Partei mit dem durch die Ausfolgung des Reifens entstandenen Schaden belastet worden sei.

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ihrem § 2 a gelten die AöSp - insoweit gleichlautend mit § 2 a der ADSp - für alle Verrichtungen des Spediteurs im Verkehr mit Kaufleuten, gleichgültig, ob es sich um Speditions-, Fracht-, Lager-, Kommissions- oder sonstige mit dem Speditionsgewerbe zusammenhängende Geschäfte handelt. Als Handelsgesellschaften sind beide Parteien Kaufleute (§ 6 Abs. 1 HGB, § 61 Abs. 3 GmbHG). Unbestritten ist, daß die beklagte Partei ein Speditionsunternehmen ist, zu dessen Unternehmensgegenstand unter anderem auch Lagergeschäfte und alle sonstigen in der Spedition üblichen Geschäfte gehören (Handelsregisterauszug ON 3). Die klagende Partei räumt in ihrer Revisionsschrift ein, es sei unter Kaufleuten allgemein bekannt, daß Spediteure ihre "typischen Rechtsgeschäfte" ausschließlich auf Grund der AÖSp abschließen; sie meint aber, daß dies nicht auch für Rechtsgeschäfte gelte, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Spediteurs gehören; die Lagerfläche aber, auf der die Reifen eingelagert gewesen seien, sei gemietet gewesen.

Die AÖSp gelten (ebenso wie die ADSp) grundsätzlich für alle Geschäfte und alle Verrichtungen, die Speditionsunternehmen als übliche Geschäfte des Speditionsbetriebes zu übernehmen pflegen. Es macht daher keinen Unterschied, ob das zwischen dem Auftraggeber und dem Spediteur zustandegekommene Geschäft ein Speditionsgeschäft im Sinne des § 407 Abs. 1 HGB oder ein Lagergeschäft im Sinne des § 416 HGB ist (Krien-Hay, Die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen, Anm. 12 zu § 2). Zwar ist der Spediteur nicht Lagerhalter; doch bringt es seine Tätigkeit mit sich, daß er Lagerverträge abschließt. Der XI. Abschnitt der AÖSp (und ebenso der ADSp) regelt ausdrücklich die Rechte und Pflichten von Lagerhalter und Einlagerer; die AÖSp (und die ADSp) sind dementsprechend, genau genommen, die Geschäftsbedingungen für Spediteure und Lagerhalter (Widmann, Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen 18). Daß die an die klagende Partei gerichteten Rechnungen der beklagten Partei, das "Lagergeld für 30 m2" betreffend, stets mit dem Hinweis versehen waren, daß die beklagte Partei "ausschließlich auf Grund der AÖSp arbeite", und daß die klagende Partei dem nie widersprochen hat, wie vom Berufungsgericht festgestellt worden ist, wird von der klagenden Partei nicht in Frage gestellt. Damit aber ist eine konkludente Vereinbarung über die Geltung der AÖSp, und zwar gerade für jenen Vertrag, auf den sich diese Rechnungen und sonstigen Schreiben bezogen, zustandegekommen (vgl Helm in Großkommentar zum HGB3, Anm 5 zu § 415, Anh. I (ADSp, Vorbem.); Krien/Glöckner, Speditions- und Lagergeschäft, vor 2220, 2, sowie 2220, 1). Ohne weitere Bedeutung ist es, ob das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen als Miete, wie die klagende Partei vermeint, oder Lagervertrag zu qualifizieren ist (wenngleich bemerkt sei, daß die Bestimmungen des MRG darauf entgegen der Ansicht der klagenden Partei keineswegs angewendet werden könnten - § 1 Abs. 2 Z 1 MRG); denn die AÖSp sind auch anwendbar, wenn die Art des Rechtsverhältnisses zweifelhaft ist (Schütz in Straube, HGB, Rz 2 zu § 415 Anh. I AÖSp). Ist der Anspruch der klagenden Partei aber nach den AÖSp zu beurteilen, ist er gemäß § 64 dieser Bedingungen verjährt.

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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