OGH 7Ob637/94

OGH7Ob637/9418.1.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene R*****, vertreten durch Dr.Jakob Oberhofer und Dr.Johannes Hibler, Rechtsanwälte in Lienz, wider die beklagte Partei Johann W*****, vertreten durch Dr.Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert S 100.000,-), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 31.August 1994, GZ 3 R 300/94-73, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 25.April 1994, GZ 3 C 3144/90f-67, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.014,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit den Grundstücken 129 Baufläche (Haus ***** 25), 175/1 und 175/2 je Garten.

Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG ***** mit den Gründstücken 128 Baufläche (Haus ***** 29), 173/1, 173/2, 173/3 und 173/4 je Garten.

Das Grundstück 129 der Klägerin grenzt im Westen an das Grundstück 128 des Beklagten an. Zwischen den Häusern der Streitteile befindet sich eine zum Teil mit Gras bewachsene Fläche, welche im Norden durch eine Bruchsteinmauer abgeschlossen wird. Über diese Fläche führt heute entlang des Hauses 29 ein mit Waschbetonplatten ausgelegter Zugangsweg zum Haus des Beklagten.

Der Weg zwischen den Häusern der Streitteile wurde von den Rechtsvorgängern der Klägerin seit den 40iger Jahren jährlich etwa ein- oder zweimal dahin benützt, daß Mist für den Garten, Holz oder Sägespäne geführt wurden. Er hat teilweise wegen des vorhandenen Bewuchses nur eine Breite von ca.2 m und war seiner Ausgestaltung nach mehr nur ein Fußsteig, konnte jedoch trotz der vorhandenen Niveauunterschiede auch mit Pferdefuhrwerken befahren werden. Später wurden auch Zufahrten mit dem Traktor durchgeführt. Auf diese Weise konnte man bis zu dem nördlich des Hauses der Klägerin gelegenen Garten (Grundstücke 175/1 und 175/2) zufahren. Ein anderer Zufahrtsweg zum Garten der Klägerin besteht nunmehr nicht.

Die Rechtsvorgänger des Beklagten, die Brüder Dipl.Ing.A***** und Dr.J***** erbten die Liegenschaft bereits im Jahr 1941 von ihrem Vater. Dr.J***** lebt seit 1946 nicht mehr in Spittal/Drau und kommt nur fallweise dorthin zurück; er wohnt dann immer in einem anderen Haus. Dipl.Ing.A***** wohnt erst seit dem Jahr 1961 in *****, sucht aber das Haus Nr.29 nur wenige Male im Jahr auf, um Angelegenheiten mit Mietern zu besprechen. Da keine Servitut im Grundbuch eingetragen war und sie auch keine Kenntnis von Benützungshandlungen der Rechtsvorgänger der Klägerin hatten, nahmen die Rechtsvorgänger des Beklagten an, daß keine Dienstbarkeit bestehe. In dieser Überzeugung verkauften sie die Liegenschaft den Beklagten frei von Dienstbarkeiten.

Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechtes auf einem 2,5 m breiten Grundstücksstreifen entlang der gesamten westlichen Grenze der Baufläche 128, inneliegend in EZ ***** KG *****, zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Grundstücke 129 Baufläche sowie 175/1 und 175/2 je Garten, sämtliche KG *****, einzuwilligen. Die Rechtsvorgänger der Klägerin seien, um zum nördlichen Teil des Grundstücks 129 sowie zu dem im Norden dieses Grundstücks hangseitig gelegenen Garten zu gelangen, seit mehr als 30 Jahren über den fremden Grundstücksstreifen gegangen und gefahren. Eine andere Zufahrtsmöglichkeit habe nicht bestanden. Hindernisse, die dieser Benützung entgegengestanden wären, seien nicht vorhanden gewesen. Der Beklagte sei beim Erwerb seiner Liegenschaft im Jahr 1983 von den Rechtsvorgängern der Klägerin auf diese Dienstbarkeit hingewiesen und ersucht worden, die Ausübung der Servitut nicht durch eine beabsichtigte Bauführung zu behindern.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Seine Rechtsvorgänger hätten ihm die Liegenschaft frei von Rechten verkauft. Den Rechtsvorgängern der Klägerin sei keine Dienstbarkeit eingeräumt worden. Sie hätten den in Anspruch genommenen Grundstücksstreifen, wenn überhaupt, nur heimlich und gegen den Willen der jeweiligen Eigentümer benützt. Spuren einer solchen Benützung seien nie ersichtlich gewesen. Eine Zufahrt wäre wegen des Pflanzenbewuchses des fraglichen Grundstücksstreifens auch nicht möglich gewesen. Außerdem sei im Ostbereich des Grundstücks Nr.129 jahrelang eine Werbetafel aufgestellt gewesen, die das Befahren ebenfalls verhindert habe.

Mit dem - nach Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens - im zweiten Rechtsgang im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Die Rechtsvorgänger der Klägerin hätten zwar das Fahrrecht während der 30-jährigen Ersitzungszeit so oft ausgeübt, daß diese Besitzausübung ihrem Inhalt und Umfang nach der nunmehr in Anspruch genommenen Dienstbarkeit entspreche. Nach der dem Erstgericht überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes komme es aber beim Erwerb einer Dienstbarkeit darauf an, ob der Ersitzungsgegner die Ersitzungshandlungen tatsächlich gekannt habe. Die Rechtsvorgänger des Beklagten hätten von den Nutzungshandlungen keine Kenntnis erlangt. Nur einer von ihnen hätte ab dem Jahr 1961 überhaupt Ersitzungshandlungen wahrnehmen können. Das und die seither abgelaufene Zeit reichten jedoch für die Ersitzung nicht aus.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Ersitzung setze den Besitz eines Rechts voraus, das seinem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entsprechen müsse. Der für die Ersitzung erforderliche Rechtsbesitz werde dadurch erworben, daß man ein - wirkliches oder angebliches - Recht gegen jemanden gebrauche und dieser sich füge. Die Besitzausübung müsse so beschaffen sein, daß derjenige, in dessen Besitz eingegriffen werde, die Ausübung eines bestimmten Rechtes erkennen könne, dieses Verhalten aber dennoch dulde, als habe der andere ein Recht darauf. Mit Rücksicht darauf, daß für den Ersitzungsbesitz auch die "Gestattung" des Gegners erforderlich sei und die Benützung einer Sache ohne Wissen des Gegners nach einem Teil der Lehre keinen Besitz begründe, müsse es für die Ersitzung als erforderlich angesehen werden, daß der Ersitzungsgegner die Besitzausübung auch gekannt habe. Das sei bei den Rechtsvorgängern des Beklagten aber nicht der Fall gewesen. An diese bereits in einem vorangegangenen Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsansicht sei das Berufungsgericht gebunden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Ersitzungserfordernisse in Ansehung des Besitzes sind gemäß § 1460 ABGB Fähigkeit der Person, Eignung der zu ersitzenden Sache, rechtmäßiger, redlicher und echter Besitz und der Ablauf der Ersitzungszeit. Demnach ist Besitz Voraussetzung für die Ersitzung einer Sache oder eines Rechts; bloße Innehabung genügt nicht (Schubert in Rummel, ABGB2, Rz 1 und 2 zu § 1460). Für die Ersitzung eines Rechts an einer fremden Sache, insbesondere einer Wegservitut, ist grundsätzlich die Ausübung des Rechts im wesentlichen gleichbleibend zu bestimmten Zwecken in bestimmtem Umfang erforderlich. Notwendig ist dafür eine solche für den Eigentümer des belasteten Gutes erkennbare Rechtsausübung (Petrasch in Rummel aaO Rz 3 zu § 480 ABGB), um von der Duldung der Ausübung eines Rechts sprechen zu können; für den Eigentümer des belasteten Grundstücks muß daher erkennbar sein, daß der den Rechtsbesitz Behauptende die Benützung der fremden Sache so ausübt, als hätte er ein Recht (Schubert aaO Rz 3 zu § 1460). Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hat zu dieser Frage stets nur die Erkennbarkeit für den Belasteten gefordert (vgl die Judikaturhinweise bei Schubert am zuletzt genannten Ort; SZ 55/19 und 30; NZ 1985, 206; JBl 1986, 644; JBl 1992, 180). Auf die positive Kenntnis des Eigentümers der belasteten Sache kommt es daher nicht an. Das Berufungsgericht ist mit seiner gegenteiligen Rechtsansicht von dieser einhelligen Rechtsprechung abgewichen. Daraus ist für die Klägerin im Ergebnis aber nichts zu gewinnen:

Für den für eine Ersitzung erforderlichen Rechtsbesitz kommt es nach der dargestellten Rechtsprechung nicht auf die objektive Erkennbarkeit einzelner Ersitzungshandlungen schlechthin an; der Eigentümer der belasteten Liegenschaft muß aus der Art der Benützungshandlungen auch erkennen können, daß damit ein Recht ausgeübt wird. Deshalb kann etwa der Entlehner eines Grundstücks auf die im Zuge des Leihverhältnisses ausgeübten Nutzungshandlungen keinen Ersitzungsbesitz gründen (EvBl 1987/134). Auch die Nutzung eines fremden Grundstücks im Rahmen des Gemeingebrauchs reicht für einen Ersitzungsbesitz nicht aus (Schubert aaO Rz 4 zu § 1460 und die dort angeführte Judikatur). Ob der Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennen kann, daß Benützungshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, hängt immer nur von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelmäßigkeit der Benützung und die Bedürfnisse für die Liegenschaft des Rechtsausübenden bilden wesentliche Anhaltspunkte für diese Erkennbarkeit. Wege- und Bringungsrechte sind als solche auf Grund der Bewirtschaftungsart leicht erkennbar, auch wenn sie nicht häufig, sondern nur wenige Male im Jahr ausgeübt werden. Es kann wegen des geringen Erfordernisses des herrschenden Gutes auch selten ausgeübte Wegerechte geben. Geht es aber - wie hier - um die bessere Nutzung eines Hausgartens, wird regelmäßig doch eine häufigere Nutzung des in Anspruch genommenen Weges vorausgesetzt. Unter diesen Umständen konnten aber die Rechtsvorgänger des Beklagten das jährlich nur ein- bis zweimal vorgenommene Befahren des in Anspruch genommenen Weges mit Fuhrwerken nicht als Rechtsausübung durch die Rechtsvorgänger der Klägerin erkennen. Damit fehlt es aber an dem für die Ersitzung einer Wegdienstbarkeit erforderlichen Rechtsbesitz.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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