OGH 7Ob629/87

OGH7Ob629/8729.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Franz J***, Baumeister, Wien 12., Zeleborgasse 28, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei L*** W*** M.B.H., Wien 14., Käfergasse 10,

vertreten durch Dr. Peter Scheichelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 816.795,80 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1987, GZ 2 R 262/86-64, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 10. September 1986, GZ 11 Cg 63/86-59, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Oberste Gerichtshof war mit der gegenständlichen Rechtssache bereits einmal befaßt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die Entscheidung vom 24. April 1986, 7 Ob 557/86-57, verwiesen, mit der dem Rekurs des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Dezember 1985, 2 R 240/85-53, nicht Folge gegeben wurde.

Das Erstgericht erkannte im zweiten Rechtsgang neuerlich, daß die Klageforderung mit S 829.795,80 s.A. zu Recht, die eingewendeten Gegenforderungen dagegen nicht zu Recht bestehen und verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 829.795,80 s.A. Es traf folgende weitere Feststellungen:

Es wurde kein Preißnachlaß vereinbart oder gewährt, sondern es wurden aus dem Anbot des Klägers nur einzelne, nicht mehr gewünschte Positionen herausgenommen. So wollte zum Beispiel die beklagte Partei die Thermen selbst liefern. Bezüglich der Fußböden, des Haustores und der Stiegen wurden von Dr. S***, dem Geschäftsführer der beklagten Partei, billigere Ausführungen gewünscht; auch daraus ergaben sich Preisreduktionen. Die Leistungen, wie sie in Beilage Y verzeichnet wurden, sind vom Kläger tatsächlich erbracht worden. Die Nachtragsanbote des Klägers, soweit in der Abrechnung ein Entgelt hiefür begehrt wird, wurden von der beklagten Partei angenommen.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf seine Ausführungen im Urteil ON 49, die es aufrecht hielt. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit Ausnahme eines Teilbetrages von S 13.000,-- s.A., den es - unbekämpft - abwies. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als das Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Zur Rechtsrüge führte das Berufungsgericht aus, die rechtliche Beurteilung der Sache in Ansehung der eingeklagten Forderung werde nicht bekämpft. Hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Gegenforderungen lege die beklagte Partei nicht im einzelnen dar, weshalb die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes unrichtig sei, sondern begnüge sich mit allgemeinen Wendungen. Die Rechtsrüge sei daher nicht gesetzmäßig ausgeführt, und zwar insbesondere auch nicht in Bezug auf jene Gegenforderungen, die im Zusammenhang mit einer angeblich verzögerten Bauführung erhoben worden seien und die der Erstrichter mangels eines Verschuldens des Klägers verneint habe. Die beklagte Partei bekämpft den bestätigenden Teil des Urteils der zweiten Instanz mit Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 - 4 ZPO mit dem Antrag, ihn im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit die beklagte Partei unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens rügt, es seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, welche Positionen aus dem Anbot des Klägers konkret herausgenommen worden seien, sodaß unklar geblieben sei, wie es zur Reduzierung des Preises auf S 1,000.000,-- je Haus gekommen sei, behauptet sie einen Feststellungsmangel, der unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend zu machen ist. Es sei bereits an dieser Stelle ausgeführt, daß der behauptete Mangel nicht gegeben ist. Der vom Erstgericht auf S 6 seiner Entscheidung im ersten Rechtsgang (AS 266) sowie auf S 3 seiner Entscheidung im zweiten Rechtsgang (AS 365) zu dem genannten Umstand festgestellte Sachverhalt, den das Berufungsgericht als unbedenklich bezeichnet hat (S 8 bis 10 des angefochtenen Urteils = AS 406 bis 408), reicht vielmehr zur abschließenden Beurteilung der Sache durchaus aus.

Auch die weiteren, unter den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit aufgezeigten Umstände stellen die geltend gemachten Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO nicht dar (§ 510 Abs 3 ZPO).

Verfehlt ist die unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geäußerte Ansicht der beklagten Partei, Sachverständigengutachten gehörten zu den Urkunden und seien wie diese auszulegen, sodaß insoweit eine revisible Rechtsfrage vorliege. Sachverständige sind Personen, durch die der Richter kraft ihrer besonderen Sachkunde Kenntnis von Erfahrungssätzen oder Rechtsnormen erhalten soll, oder die zufolge ihrer Fachkenntnis streiterhebliche Tatsachen ermitteln sollen. Im vorliegenden Fall war es Aufgabe des Sachverständigen, zufolge seiner Kenntnisse zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beizutragen. Soweit aber die Erfahrungssätze des Sachverständigen nur zur Gewinnung der entscheidungserheblichen Tatsachen benützt werden sollen, fällt die Tätigkeit des Sachverständigen in den Bereich der reinen Beweisaufnahme, der Gewinnung des Tatbestandes. Eine Überprüfung dieser Sachverständigentätigkeit im Revisionsstadium ist deshalb ausgeschlossen. Bleibt der Sachverständige im Tatsachenbereich, können seine Schlußfolgerungen und Erkenntnisquellen nur im Rahmen unrichtiger Beweiswürdigung bzw. unrichtiger Tatsachenfeststellung überprüft werden (Fasching III 467 und 470). Lediglich Privatgutachten ist allenfalls der Rang von Privaturkunden zu geben, da sie nicht als Sachverständigenbeweis im Sinne der §§ 351 ff ZPO herangezogen werden können

(Fasching a.a.O. 472 f). Das vom Erstgericht eingeholte Sachverständigengutachten stellt aber kein Privatgutachten dar. Bemerkt sei, daß der Sachverständige in seinem Gutachten ausdrücklich davon ausgegangen ist, daß die tatsächlich erbrachten Leistungen nach den im Anbot des Klägers angeführten Preisen zu berücksichtigen sind (S 17 des Gutachtens ON 27).

Die Frage, weshalb zwischen den Streitteilen im Vertrag vom 3. Mai 1977 ein Preis von S 1,000.000,-- zuzüglich Mehrwertsteuer je Haus vereinbart wurde, obwohl das Anbot des Klägers vom 25. März 1977 für jedes der sechs Häuser einen Preis von S 1,189.046,-- zuzüglich Mehrwertsteuer ausgewiesen hatte, ist eine solche der Beweiswürdigung und kann daher durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden (Fasching IV 310). Zur Geltendmachung von Beträgen, die der Kläger nach den Behauptungen der beklagten Partei von den Bauherren Dr. B*** und H*** bereits erhalten habe, als "Gegenforderungen" hat das Erstgericht ausdrücklich festgestellt, es könne nicht feststellen, daß der Kläger im gegenständlichen Verfahren eingeklagte Beträge von den Kunden B*** und H*** bezahlt erhalten habe (S 11 des Urteils ON 49 = AS 271). Der Vorwurf eines Feststellungsmangels ist daher nicht gerechtfertigt.

Die Feststellungen des Erstgerichtes darüber, daß nach Erstellung des Anbotes des Klägers vom 25. März 1977 verschiedene, im einzelnen angeführte Leistungen "weggefallen" seien (AS 266), bzw., daß aus dem Anbot einzelne, nicht mehr gewünschte Positionen "herausgenommen" worden seien (AS 365), sind zur rechtlichen Beurteilung der Sache ausreichend, zumal bereits im ersten Rechtsgang davon ausgegangen wurde, daß es sich bei dem Betrag von S 1,000.000,-- zwar um einen gerundeten Betrag handle, daß dieser aber nicht durch die Vereinbarung eines bestimmten generellen Nachlasses zustande gekommen sei.

Verfehlt ist der Vorwurf der beklagten Partei, der Oberste Gerichtshof habe im Beschluß vom 24. April 1986, ON 57, angeordnet, es sei zu prüfen, aus welchen Gründen der Kläger einen Preisnachlaß gewährt habe und ob diese Gründe ungeachtet der nur zum Teil erbrachten Leistungen fortbestanden hätten. Das Revisionsgericht hat lediglich ausgeführt, daß eine solche Prüfung vor der Vornahme einer Vertragsergänzung dann stattzufinden hätte, wenn der Kläger bei der Vereinbarung des Betrages von S 1,000.000,-- je Haus entgegen den Feststellungen (nach denen es zu einem Preisnachlaß nicht gekommen ist) einen Preisnachlaß gewährt hätte.

Die Darstellung des Revisionswerbers, das Berufungsgericht sage mit Recht, zur Überprüfung der Berechtigung der "Gegenforderung" (gemeint sind die Pkt. 2., 6. und 7. der Aufstellung AS 265) wäre es notwendig gewesen, das Verschulden an der Baueinstellung sowie die Verletzung der Warnpflicht des Klägers zu prüfen, der auf eine Unrichtigkeit des Plans des Architekten W*** hätte rechtzeitig aufmerksam machen müssen, ist aktenwidrig, da es sich hiebei um eine Wiedergabe des Vorbringens der beklagten Partei in der Berufung gegen das Ersturteil ON 59 handelt.

Das Berufungericht hat die Rechtsrüge der beklagten Partei in Bezug auf Gegenforderungen, die im Zusammenhang mit der angeblich verzögerten Bauführung erhoben wurden und die der Erstrichter verneint hat, weil den Kläger kein Verschulden an dem langen Baustopp treffe, als nicht gesetzmäßig ausgeführt angesehen, weil die beklagte Partei nicht dargelegt habe, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung - auf der Grundlage der Feststellungen - unrichtig erscheine. Das Revisionsgericht schließt sich zwar der Ansicht, die Berufung sei in diesem Punkt nicht gesetzmäßig ausgeführt worden, nicht an. Ebenso wie nun in der Revision hat die beklagte Partei auch in ihrer Berufung behauptet, das Verschulden des Klägers liege darin, daß er seine Warnpflicht als Werkunternehmer verletzt habe, weil er die beklagte Partei nicht darauf aufmerksam gemacht habe, daß der Plan des Architekten W*** seiner Ansicht nach unrichtig sei, sondern diesen Plan nach eigener (unrichtiger) Annahme ausgelegt habe. Dies ändert jedoch nichts am Ergebnis.

Zwar trifft es zu, daß der Kläger nach den getroffenen Feststellungen den Bau "nach falschen Unterlagen und auch falsch, das heißt abweichend von der Baubewilligung, errichtet" hat (AS 270). Es ist daher keine Frage, daß die über Anzeige eines Anrainers von der Baubehörde angeordnete Baueinstellung vom Kläger nicht nur mitverursacht, sondern mitverschuldet wurde, da der Kläger nach dem Erkennen der Planfehler das Einvernehmen mit der beklagten Partei hätte pflegen müssen (vgl. das Sachverständigengutachten ON 27, S 11, sowie ON 30, S 15). Nicht übersehen werden darf aber, daß die Fortsetzung des Bauvorhabens nach etwa eineinhalbjähriger Einstellung in jener Form genehmigt wurde, in der es sich zum Zeitpunkt der Einstellung befand (Feststellung AS 270), Sachverständigengutachten ON 39, S 7), bei entsprechendem Bemühen daher ohne Schwierigkeiten und in kurzer Zeit hätte erreicht werden können (vgl. hiezu auch die Ausführungen des Sachverständigen in ON 39, S 7 und S 15 f). Den Feststellungen (AS 268 ff) kann nicht der geringste Hinweis entnommen werden, daß die dennoch eingetretene Verzögerung etwa dem Kläger anzulasten sei (wofür die beklagte Partei beweispflichtig gewesen wäre). Da der "falsche" Plan des Architekten W*** samt entsprechenden Grundlagen und Vorarbeiten (Pkt. 2 der Gegenforderungen laut Aufstellung AS 265) jedenfalls hätte ausgewechselt werden müssen und die weiteren Schadenersatzforderungen (Pkt. 6 und 7 der Aufstellung) nur in der langen Dauer der Bauverzögerung, nicht schon in der Baueinstellung als solcher begründet sein können, haben die Vorinstanzen zu Recht die Gegenforderungen der beklagten Partei als nicht zu Recht bestehend erkannt.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 40, 50 ZPO.

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