OGH 7Ob627/87

OGH7Ob627/8725.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter M***, Dienstnehmer, Eisenerz, Badergasse 5, vertreten durch Dr.Peter Semlitsch und Dr.Wolfgang Klobassa, Rechtsanwälte in Voitsberg, wider die beklagte Partei Helmut E***, Dienstnehmer, Trofaiach, Tannenweg 8, vertreten durch Dr.Harald W.Jesser und DDr.Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, wegen restl. S 31.915,33 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26.Februar 1987, GZ. 5 R 26/87-22, womit infolge Revision der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 14.November 1986, GZ. 3 Cg 290/85-15, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war Eigentümer eines PKW. Der Beklagte hatte ihm mitgeteilt, daß er Fahrzeuge repariere und mit solchen auch handle. Am 13.Juli 1984 kamen die Streitteile überein, daß der Beklagte das nicht fahrbereite Fahrzeug des Klägers von Eisenerz nach Trofaiach abschleppen, es notdürftig reparieren, bei der Behörde abmelden und einen Käufer ausfindig machen werde, wobei sich der Kläger als Kaufpreis S 15.000,-- vorstellte. Für die Durchführung der Reparatur übergab der Kläger dem Beklagten S 6.000,--.

Bei der Überstellung des Fahrzeuges erlitt dieses aus Verschulden des Beklagten einen Schaden von S 3.766,--, der dem Kläger bereits rechtskräftig zugesprochen wurde.

Nach der Reparatur des Fahrzeuges verlangte ein Kaufinteressent namens Johannes U***, der bereit war, S 15.000,-- für den PKW zu zahlen, eine Probefahrt. Mit Zustimmung des Beklagten fuhr er mit dem Auto des Klägers am 27.August 1984 nach Wien, wobei er einen Verkehrsunfall verschuldete, durch den das Fahrzeug einen Totalschaden erlitt. Zum Zeitpunkt dieses Schadensfalles bestand kein Versicherungsschutz, weil der Kläger die fällige Versicherungsprämie nicht eingezahlt hatte. Ungeachtet der bei der Bezirkshauptmannschaft Leoben erstatteten Anzeige mußte jedoch der Haftpflichtversicherer an den geschädigten Dritten S 95.746,-- zahlen, zu deren Rückersatz sich der Kläger verpflichtete. Bei der Besprechung der Streitteile am 13.Juli 1984 wurde über das Versicherungsverhältnis nicht konkret gesprochen. Der Kläger erteilte dem Beklagten nicht den Auftrag, fällige Versicherungsprämien einzuzahlen. Er war in erster Linie am Abverkauf des Fahrzeuges interessiert.

Nach der Reparatur versuchte der Beklagte, das Fahrzeug bei der Bezirkshauptmannschaft abzumelden, doch befand sich der Typenschein bei der Bank, die dem Kläger den Autokauf finanziert hatte. Mangels Typenscheines und einer vom Kläger ausgestellten Vollmacht konnte der Beklagte das Fahrzeug nicht abmelden. Eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger war nicht möglich, weil dieser nach Schweden gefahren war. Das Erstgericht wies das auf Zahlung von S 95.746,-- gerichtete Schadenersatzbegehren wegen des Unfalles vom 27.August 1984 mit der Begründung ab, den Beklagten treffe kein Verschulden daran, daß das Fahrzeug nicht abgemeldet worden sei. Von der Nichtzahlung der Haftpflichtprämie sei der Beklagte nicht informiert gewesen. Er habe auch keinen Auftrag zur Zahlung einer solchen Prämie gehabt. Der Auftrag zum Verkauf eines Fahrzeuges beinhalte auch die Ermächtigung, Kaufinteressenten eine Probefahrt zu gestatten. Daß diese Probefahrt auf einer relativ langen Strecke, nämlich von Trofaiach nach Wien, stattgefunden habe, spiele keine Rolle, weil sich ein Schadensfall auch auf einer kürzeren Strecke ereignen hätte können.

Das Berufungsgericht sprach dem Kläger neben den vom Erstgericht bereits für das Schadensereignis vom 4.August 1984 zugesprochenen S 3.766,-- für das Schadensereignis vom 27.August 1984 weitere S 31.915,33 zu. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach der Beklagte wegen der nicht erfolgten Abmeldung des Fahrzeuges bzw. Nichtzahlung der Versicherungsprämie nicht zu haften habe. Grundsätzlich sei es auch richtig, daß der Auftrag zur Veräußerung eines Fahrzeuges die Ermächtigung, Kaufinteressenten eine Probefahrt zu gestatten, beinhalte. Unter einer Probefahrt sei jedoch nur eine relativ kurze Fahrt zur Feststellung des Funktionierens des Fahrzeuges zu verstehen. Eine Fahrt von Trofaiach nach Wien übersteige das Übliche einer Probefahrt beträchtlich. Demnach habe der Beklagte durch die Gestattung einer derartigen Fahrt seine Befugnisse überschritten, weshalb er für die Folgen dieser Fahrt hafte. Allerdings treffe den Kläger ein überwiegendes Mitverschulden an den Schadensfolgen, weil er den Beklagten über den fehlenden Versicherungsschutz nicht informiert habe. Dem Kläger sei daher nur ein Drittel seines Schadens zu ersetzen.

Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt. Die vom Beklagten gegen den Zuspruch weiterer S 31.915,33 wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision richtet sich nur gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, eine Fahrt von Trofaiach nach Wien sei grundsätzlich keine Probefahrt und die Gestattung einer längeren als der üblichen Probefahrt sei für Schadensereigenisse auf dieser Fahrt adäquat.

Der Zweck einer Probefahrt ist die Feststellung des Funktionierens eines Fahrzeuges. Demnach ist es üblich, daß derartige Fahrten nur auf einer relativ kurzen Strecke durchgeführt werden, weil schon relativ kurze Fahrten ins Auge springende Mängel des Fahrzeuges erkennen lassen. Keinesfalls haben Probefahrten den Zweck, eine Klärung dahin zu bringen, ob ein Fahrzeug auch geeignet ist, längere Strecken anstandslos zu bewältigen. Würde man dies von einer Probefahrt verlangen, so müßte man darunter auch allenfalls Urlaubsfahrten ins Ausland zählen. Es kann daher der in der Revision vertretenen Rechtsansicht, im vorliegenden Fall sei eine Fahrt von Trofaiach nach Wien deshalb noch als Probefahrt anzusehen, weil der Kaufwerber das Fahrzeug für Fahrten solchen Ausmaßes benützen wollte, nicht gefolgt werden. Für die Beurteilung einer Fahrt als Probefahrt ist es, falls gegenteilige Absprachen (die hier gar nicht behauptet worden sind) nicht vorliegen, nicht der vom Käufer beabsichtigte Verwendungszweck, sondern die Verkehrsauffassung von Bedeutung. Daß aber nach der Verkehrsauffassung relativ lange Fahrten noch als Probefahrten angesehen werden, kann nicht einmal der Kläger im Ernst behaupten.

Richtig ist, daß der Schädiger nur für die adäquaten Folgen seines schädigenden Verhaltens zu haften hat. Nach der Theorie von der adäquaten Kausalität ist jedoch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem eingetretenen Schaden nicht nur dann anzunehmen, wenn das Verhalten den eingetretenen Schaden unmittelbar verursacht hat. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vielmehr auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden hinzugetreten ist und dieses Hinzutreten nicht außerhalb der allgemeinen menschlichen Erwartung liegt. Es kommt nur darauf an, ob nach den allgemeinen Kenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht ganz außergewöhnlich ist (SZ 54/108, SZ 51/58 u.a.). Der Schädiger haftet für alle, auch für zufällige Folgen, mit deren Möglichkeit in abstracto zu rechnen gewesen ist, aber nicht für einen atypischen Erfolg (JBl.1971, 312, JBl.1986, 103 u. a.).

Grundsätzlich ist es zwar richtig, daß sich Unfälle auch beim Zurücklegen einer relativ kurzen Strecke ereignen können, doch liegt es auf der Hand, daß die Unfallswahrscheinlichkeit mit der Streckenlänge zunimmt. Demnach ist der Eintritt eines Verkehrsunfalles beim Zurücklegen einer langen Strecke gegenüber der Unfallswahrscheinlichkeit auf kurzen Strecken keineswegs ein ganz außergewöhnliches Ereignis. Die Überlassung eines Fahrzeuges zum Zurücklegen einer Strecke, die bezüglich ihrer Länge weit über die für Probefahrten üblicherweise gewählte Strecken hinausgeht, steht demnach in adäquatem Zusammenhang mit einem auf dieser längeren Strecke stattfgefundenen Verkehrsunfall.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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