OGH 7Ob625/90

OGH7Ob625/9027.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Vormundschaftssache des am 28.Mai 1982 geborenen Paul T***, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10.Mai 1990, GZ 47 R 348/90-110, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 13.März 1990, GZ 2 P 286/86-98, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Die Obsorge für den am 28.5.1982 geborenen Paul T*** - seine Eltern sind geschieden (ONr. 27d) - wurde mit Beschluß vom 2.7.1984 der väterlichen Großmutter Albine T*** übertragen (ONr. 8). Mit Beschluß vom 5.12.1984 wurde der Vater Franz T*** zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.100,-- ab dem 16.4.1984 verpflichtet. Die Unterhaltsverpflichtung der Mutter Christine T***, die zunächst mit S 1.300,-- monatlich festgesetzt worden war, wurde mit Beschluß vom 15.12.1986 auf S 534,-- herabgesetzt und mit Beschluß vom 28.7.1988 mit S 600,-- bestimmt (ONr. 31, 76 und 95). Zum besonderen Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes wurde das Bezirksjugendamt für den

12. Bezirk bestellt (Beschluß vom 28.1.1986, ONr. 54a). Über Antrag des besonderen Sachwalters wurde dem Kind mit Beschluß vom 22.2.1990 ein monatlicher Unterhaltsvorschuß von

S 600,-- im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung seiner Mutter für die Zeit vom 1.2.1990 bis 31.1.1993 (ONr. 97a), mit Beschluß vom 13.3.1990 ein solcher von S 2.100,-- im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung seines Vaters für die Zeit vom 1.3.1990 bis 28.2.1993 gewährt (ONr. 98). Im Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters wurde ausgeführt, die Führung einer Exekution scheine aussichtslos, weil über das Vermögen des Unterhaltsverpflichteten mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 12.2.1990 der Konkurs eröffnet worden sei.

Die zweite Instanz gab dem vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß ONr. 98 (Gewährung von Unterhaltsvorschüssen im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung des Vaters) erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Es treffe zwar zu, daß Unterhaltsforderungen auch nach Konkurseröffnung gegen den Unterhaltsschuldner exekutiv in bezug dessen, was ihm vom Masseverwalter zur freien Verfügung überlassen worden sei, geltend gemacht werden können. Der besondere Sachwalter habe jedoch im Vorschußantrag erklärt und damit im Sinne des § 11 Abs 1 UVG glaubhaft gemacht, daß zufolge der Konkurseröffnung exekutive Schritte zur Hereinbringung der Unterhaltsforderung aussichtslos erscheinen. Dagegen spreche weder die Aktenlage, noch die allgemeine Erfahrung. Begründete Bedenken gegen den Unterhaltstitel im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG bestünden nicht. Verbindlichkeiten, die der Unterhaltsschuldner eingegangen sei, könnten den Unterhaltsanspruch des Kindes nicht schmälern. Ebenso auch nicht der Umstand, daß Exekutionen gegen den Unterhaltsverpflichteten geführt würden. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen gewesen, weil die Frage, welchen Einfluß ein Insolvenzverfahren des Unterhaltsschuldners auf den Unterhaltsanspruch habe, in der zweitinstanzlichen Rechtsprechung bisher unterschiedlich gelöst worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien ist berechtigt.

Nach § 5 Abs 1 KO hat der Gemeinschuldner keinen Anspruch auf Unterhalt aus der Masse. Was der Gemeinschuldner durch eigene Tätigkeit erwirbt oder was ihm während des Konkurses unentgeltlich zugewendet wird, ist ihm zu überlassen, so weit es zu einer bescheidenen Lebensführung für ihn und diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt haben, unerläßlich ist. Soweit ihm nichts zu überlassen ist, hat der Masseverwalter nach Abs 2 der Gesetzesstelle mit Zustimmung des Gläubigerausschusses dem Gemeinschuldner und seiner Familie das zu gewähren, was zu einer bescheidenen Lebensführung unerläßlich ist. Es ist der Gemeinschuldner jedoch aus der Masse nicht zu unterstützen, soweit er nach seinen Kräften zu einem Erwerb durch eigene Arbeit imstande ist. Nur der Gemeinschuldner ist bezüglich des ihm gemäß § 5 Abs 1 KO tatsächlich überlassenen Erwerbs verfügungsbefugt. Die - allerdings nur zugunsten von Unterhaltsberechtigten zulässige - Exekutionsführung auf diesen Erwerb betrifft in keiner Weise die Konkursmasse (vgl. HellerBerger-Stix 112, SZ 41/53, SZ 55/140). Kann aber auf dem Gemeinschuldner gemäß § 5 Abs 1 KO überlassene oder ihm gemäß § 5 Abs 2 KO gewährte Beträge entsprechend dem Zweck der Überlassung (Gewährung) von den Unterhaltsberechtigten für ihre Unterhaltsansprüche aus der Zeit nach Konkurseröffnung Exekution geführt werden, macht die Konkurseröffnung für sich allein eine Exekutionsführung gegen den unterhaltspflichtigen Vater noch nicht aussichtslos und rechtfertigt daher (für sich allein) noch nicht die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 1 UVG ohne den Versuch einer vorangegangenen Exekution.

Im Vorschußantrag werden keinerlei konkrete Umstände angeführt, aus denen im vorliegenden Fall eine Exekution aussichtslos erscheine. Der bloße Hinweis auf eine Konkurseröffnung reicht zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen für die Gewährung von Vorschüssen im Sinne des § 11 Abs 2 UVG nach den vorstehenden Ausführungen nicht hin (vgl. hiezu Knoll, UVG in ÖA, 8. Lieferung, Dezember 1988, Rz 25 zu § 7). Das Erstgericht wäre daher verpflichtet gewesen, Erhebungen darüber durchzuführen, aus welchen konkreten Gründen im gegebenen Fall die Voraussetzungen für die Gewährung von Vorschüssen vorliegen.

Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht über den Antrag des besonderen Sachwalters nach Durchführung der erforderlichen Erhebungen (vgl. hiezu Knoll, a.a.O., zu § 11) neuerlich zu entscheiden haben. Diese Erhebungen werden im Sinne des § 7 Abs 1 Z 1 UVG auch zu umfassen haben, ob mit Rücksicht darauf, daß der Gemeinschuldner in seiner Dispositionsfähigkeit beschränkt und zu einer bescheidenen Lebensführung gezwungen ist (vgl. § 5 KO i.d.F. des Art. II Z 4 IRÄG), die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht noch in der selben Höhe fortbesteht.

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