OGH 7Ob625/84

OGH7Ob625/8413.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ets ***** R*****, vertreten durch Dr. Michael Hiller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Josef G*****, und 2. Komm.Rat Friedrich R*****, beide *****, vertreten durch Dr. Paul Koziel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 61.575,27 FF sA (Streitwert 184.725,81 S), infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. April 1984, GZ 4 R 44/84‑28, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. Dezember 1983, GZ 35 Cg 5/83‑23, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00625.840.0913.000

 

Spruch:

 

Der Revision der Beklagten wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird der Revision der Klägerin Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 12.564,53 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 1.066,23 S Umsatzsteuer und 836 S Barauslagen) sowie die mit 15.997,14 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.279,74 S Umsatzsteuer und 1.920 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Dem vorliegenden Verfahren liegt ein Antrag der Klägerin auf Erlassung eines Wechselzahlungsauftrags über 61.575,27 FF sA zum Kurs am Tage der Fälligkeit zugrunde.

Im Zuge des vorliegenden Verfahrens begehrte die Klägerin die Exekution zur Sicherstellung, welche mit Beschluss vom 23. 7. 1982 bewilligt wurde. Es wurden Gegenstände gepfändet, deren Wert die Klägerin im späteren Ausgleichsverfahren mit 235.485 S angab.

Am 11. 1. 1983 bzw am 17. 2. 1983 wurde zu Sa 3/83 und Sa 19/83 des Handelsgerichts Wien über das Vermögen der beiden Beklagten der Ausgleich eröffnet. Die Klägerin machte bezüglich der im Sicherungsexekutionsverfahren gerichtlich gepfändeten Fahrnisse ihr Absonderungsrecht geltend. Darüber hinaus meldete sie ihre gesamten Forderungen gegen die Beklagten im Ausgleich an. Vom Ausgleichsverwalter und den Ausgleichsschuldnern wurden von den angemeldeten Forderungen solche im Betrage von 220.913,49 S anerkannt, während das Mehrbegehren auf 169.858,37 S bestritten wurde. Unter den anerkannten Forderungen befindet sich auch die gegenständliche Wechselforderung über 61.575,27 FF.

Das Erstgericht hat den Wechselzahlungsauftrag mit der Begründung aufrecht erhalten, die Pfandrechte seien außerhalb der 60‑tägigen Sperrfrist des § 12 Abs 1 AO erworben worden, weshalb ein diesbezügliches Absonderungsrecht der Klägerin gegeben sei. Im Übrigen lasse § 54 AO die Erwerbung mehrerer Exekutionstitel zugunsten ein‑ und derselben Forderung zu, weshalb dem vorliegenden Begehren das Anerkenntnis des Ausgleichsverwalters und der Ausgleichsschuldner nicht entgegenstehe.

Das Berufungsgericht schränkte die Aufrechterhaltung des Wechselzahlungsauftrags auf die Exekution in die gepfändeten Gegenstände ein und erklärte die Revision für zulässig. Es trat der Rechtsansicht des Erstgerichts bezüglich eines wirksamen Absonderungsrechts bei, führte darüber hinaus jedoch aus, dass im Hinblick auf den von der Klägerin im Ausgleichsverfahren angegebenen Wert der gepfändeten Gegenstände die eingeklagte Forderung in den Absonderungsrechten volle Deckung fände. Das Absonderungsrecht gewähre jedoch nur Befriedigung durch Exekution in die gepfändeten Gegenstände. zwar habe der Absonderungsgläubiger bezüglich eines allfälligen Ausfalls das Recht, sich mit der Differenz am Ausgleich zu beteiligen, doch sei im Hinblick auf den angegebenen Wert der Pfandgegenstände mit einem Ausfall nicht zu rechnen. Sollte ein solcher trotzdem eintreten, so sei die Klägerin diesbezüglich weiterhin Ausgleichsgläubigerin und habe Anspruch auf quotenmäßige Befriedigung gemäß dem rechtskräftig bestätigten Ausgleichsinhalt.

Die Umrechnung der Franc‑Forderung zum Fälligkeitstag entspreche Art 41 Abs 1 WG.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision ist gerechtfertigt, nicht dagegen die Revision der Beklagten.

Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, dass die Frage der Beachtlichkeit überschießender Feststellungen bisher von der Judikatur nicht ausdrücklich behandelt worden sei. Auf diese Frage war jedoch schon deshalb nicht einzugehen, weil keine der Revisionen eine diesbezügliche Rüge enthält. Da es sich bei der Vorgangsweise des Berufungsgerichts höchstens um einen Verfahrensmangel handeln könnte, war der Oberste Gerichtshof nicht in der Lage, sich mangels einer entsprechenden Verfahrensrüge damit auseinanderzusetzen.

Infolge der Zulassung der Revision musste der Oberste Gerichtshof jedoch auf die ordnungsgemäßen Rechtsrügen der Revisionen eingehen, weil diesbezüglich Fragen angeschnitten wurden, die ebenfalls eine Zulassung nach § 500 Abs 3 ZPO gerechtfertigt hätten, wie insbesondere die Frage, inwieweit der Erwerb eines Exekutionstitels durch Anerkenntnis im Ausgleichsverfahren die neuerliche Geltendmachung derselben Forderung hindert, inwieweit ein solches Anerkenntnis der Geltendmachung von Absonderungsrechten entgegensteht und unter welchen Voraussetzungen der sich neben einem Absonderungsrecht ergebende Ausfall eingeklagt werden kann.

 

A) Zu der Revision der Klägerin:

Auszugehen ist davon, dass infolge des Zeitpunkts der Ausgleichseröffnungen die Rechtslage nach den Bestimmungen der Ausgleichsordnung in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgetzes (BGBl 1982/370) zu beurteilen ist (Art XI § 2 Abs 2 Z 1b IRÄG). Nach § 54 Abs 4 AO in der nunmehr geltenden Fassung sind Leistungsklagen auch über Forderungen zulässig, für die im Hinblick auf § 54 Abs 1 AO durch Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis und Nichtbestreitung durch den Ausgleichsverwalter sowie den Ausgleichsschuldner ein Exekutionstitel geschaffen wurde. Irgendeine Einschränkung auf Forderungen, die mit Hilfe des im Ausgleichsverfahren geschaffenen Titels nicht durchgesetzt werden könnten, macht diese Bestimmung nicht. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit der Änderung die bisher einschränkende Judikatur beseitigen (Beilage 3 XV. GP 41). Demnach sind also Leistungsklagen zugunsten derartiger Forderungen auch nach Beendigung des Ausgleichs zulässig. Das IRÄG hat darüber hinaus auch insoweit eine Änderung der bisherigen Rechtslage bewirkt, als seinerzeit jener Gläubiger, der ein Wiederaufleben seiner gesamten Forderung geltend gemacht hat (jetzt § 53 Abs 4 AO), die Voraussetzungen für dieses Wiederaufleben beweisen musste, während es nach der nunmehrigen Fassung des § 54 Abs 3 AO zur Bewilligung der Exekution im Falle des Verzugs nicht des Nachweises bedarf, dass sich der Schuldner in Verzug befindet. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung dem Umstand Rechnung tragen, dass dem Gläubiger durch die bisherige Rechtsprechung eine unzumutbare Beweislast aufgebürdet und damit dem Schuldner die Möglichkeit nicht gewünschter Verzögerungen geboten wurde. Er hatte also die Absicht der sogenannten „Aufzehrungstheorie“ (der durch Nichtbestreitung im Ausgleichsverfahren entstandene Exekutionstitel zehrt einen bereits bestehenden auf) den Boden zu entziehen, sowie dem Gläubiger die Möglichkeit zu geben, aufgrund der Eintragung in das Anmeldungsverzeichnis auch zugunsten des wiederaufgelebten Forderungsteils Exekution zu führen (Beilage 3, XV. GP S 40), wobei dieser die Voraussetzungen für das Wiederaufleben nicht nachweisen muss (Beilage 3, XV. GP 41). Es bleibt vielmehr dem Schuldner überlassen, das Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen im Exekutionsverfahren geltend zu machen. Da aber § 54 Abs 4 AO Leistungsklagen auch über Forderungen zulässt, zu deren Gunsten aufgrund des § 54 Abs 1 AO ein Exekutionstitel geschaffen wurde, müssen solche Leistungsklagen auch zugunsten der gesamten Forderung, ohne Rücksicht, auf die sich aus § 53 Abs 1 AO ergebende Kürzung, möglich sein, weil der hiedurch geschaffene Exekutionstitel auch für den Fall des Wiederauflebens nach § 53 Abs 4 AO wirkt und das Fehlen der Voraussetzungen für das Wiederaufleben erst im Exekutionsverfahren zu prüfen ist.

Hat aber schon der Ausgleichsgläubiger die Möglichkeit, seine gesamte Forderung ungeachtet einer sich aus § 53 Abs 1 AO ergebenden Kürzung und ohne Nachweis der Voraussetzungen des § 53 Abs 4 AO mittels Leistungsklage geltend zu machen, so kann jener Gläubiger, dessen Forderung zum Teil durch ein Absonderungsrecht gedeckt ist, nicht schlechter gestellt sein. Solange nicht feststeht, dass seine Forderung zur Gänze oder zum Teil aus dem Absonderungsrecht befriedigt wurde, steht ihm die Einbringung einer Leistungsklage bezüglich des noch nicht befriedigten Teils seiner Forderung frei. Nur auf diese Weise kann er nämlich sicher sein, dass er zugunsten eines Ausfalls im Falle der Verwertung des Pfands sofort Exekution führen kann, dass er also bezüglich dieses Teils nicht schlechter gestellt ist, als ein bloßer Ausgleichsgläubiger. Dem steht auch § 66 Abs 1 AO nicht entgegen, weil diese Bestimmung nur für die Feststellung eines allfälligen Wiederauflebens im Sinne des § 53 Abs 4 AO von Bedeutung ist, nicht aber die Rechte eines Ausgleichsgläubigers bzw eines Ausfallsgläubigers auf Einbringung einer Leistungsklage beschränkt. Die Feststellung der Voraussetzungen des Wiederauflebens spielt aber, wie bereits ausgeführt wurde, erst im Exekutionsverfahren eine Rolle.

Selbstverständlich kann die Klägerin ihre Forderung nicht in einer dem Ausgleich widersprechenden Höhe hereinbringen, den Ausfall also nur bis zur Höhe der Ausgleichsquote eintreiben. Dem trägt aber § 54 Abs 1 letzter Satz AO Rechnung, der diesbezügliche Einwendungen in das Exekutionsverfahren verweist.

Mit Recht hat demnach das Erstgericht dem Klagebegehren ohne Einschränkung der Exekution auf die gepfändeten Gegenstände stattgegeben. Das Pfandrecht ist nur insoweit von Bedeutung, als die klägerische Forderung bis zur Höhe des Erlöses der Pfandsachen zur Gänze zu befriedigen ist, darüber hinaus hingegen nur mit der Ausgleichsquote, es sei denn, es lägen die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben im Sinne des § 53 Abs 4 AO vor. Das Überschreiten der Ausgleichsquote und das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs 4 AO sind erst im Exekutionsverfahren zu prüfen.

 

B) Zu der Revision der Beklagten:

Was die Ausführungen betreffend die Unzulässigkeit der Schaffung eines weiteren Exekutionstitels sowie die Berücksichtigung des Ausgleichs anlangt, kann auf die Darlegungen zu der Revision der Klägerin verwiesen werden. Die Bestimmung des § 53 Abs 4 AO hat mit der Fälligkeit nichts zu tun, sondern regelt das Wiederaufleben der durch den Ausgleich gekürzten Forderung im Falle des Verzugs. Auf welche Weise ein solches Wiederaufleben bzw das Fehlen der Voraussetzungen hiefür zu berücksichtigen ist, wurde ebenfalls bereits dargestellt.

Die Ausführungen zum Zeitpunkt der Umrechnung der Franc‑Forderung in eine Schilling‑Forderung übersehen, dass der gegenständliche Klage eine Wechselforderung zugrunde liegt. Nach Art 41 WechselG hatte die Klägerin das Recht, die Umrechnung der auf Fremdwährung lautenden Forderung zum Stichtag der Fälligkeit oder zum Zahlungstag zu wählen. Sie hat diese Wahl bereits vor Eröffnung des Ausgleichs vorgenommen, wodurch die Fremdwährungsforderung endgültig in eine Forderung in inländischer Währung umgewandelt wurde (SZ 14/228). Demnach lag bereits bei Eröffnung des Ausgleichs nur mehr eine Schilling‑Forderung vor. Dass die Kursschwankungen allenfalls zu Ungunsten der Beklagten wirken, steht dem Recht der Klägerin auf Wahl des Umwandlungsstichtags nicht entgegen. Schließlich ist der von den Beklagten in ihrer Revision angeführte Nachteil auf ihren eigenen Verzug zurückzuführen, weshalb sie sich darüber nicht beschweren können.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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