OGH 7Ob623/86

OGH7Ob623/8611.9.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Wurz und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Karl und Maria D***, Besitzer, Michlgleinz Nr. 35, beide vertreten durch Dr. Werner Stauder, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Franz K***, Besitzer, Michlgleinz Nr. 34, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 13. November 1985, GZ 27 R 350/85-30, womit infolge der Berufungen beider Streitteile das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 9. August 1985, GZ 2 C 183/85-21, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegenseitig aufgehoben. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 4.612,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.500,-- Barauslagen und S 282,97 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 33 KG Michlgleinz mit dem Grundstück Nr. 121, Baufläche samt Wohnhaus Michlgleinz Nr. 35. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 32 KG Michlgleinz mit dem Grundstück Nr. 1178, Garten samt Wohnhaus Nr. 34. An der Nordseite des Hauses der Kläger führt in west-östlicher Richtung ein zum Teil mit Steinplatten ausgelegter Gehweg zum Haus des Beklagten. Westlich des Hauses der Kläger mündet dieser Gehweg in einen in nord-südliche Richtung verlaufenden asphaltierten Zufahrtsweg, der in die Gemeindestraße mündet. Die Kläger begehren die Feststellung, daß dem Beklagten nicht das Recht zustehe, diesen Weg zum Gehen und Fahren mit einer Scheibtruhe zu benützen.

Der Beklagte beruft sich auf Ersitzung.

Das Erstgericht stellte fest, daß dem Beklagten nicht das Recht zustehe, den Weg zum Fahren mit Scheibtruhen zu benützen und wies im übrigen das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen gingen der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger seit mehr als 30 Jahren, ohne die Nachbarn zu fragen, auf dem Weg entlang der Nordseite des Hauses der Kläger und in der Folge auch um die Ecke des Hauses zur Gemeindestraße. Bis in die Sechzigerjahre wurde neben einem dort befindlichen Hohlweg und seither auf dem geschotterten bzw. asphaltierten Zufahrtsweg gegangen. Seit etwa 20 Jahren benützt der Beklagte diesen Weg auch mit Scheibtruhen, um zur Milchabgabestelle auf der Gemeindestraße zu gelangen. Auf diesen Zufahrtsweg verzichtete der Beklagte auch anläßlich eines Grundzusammenlegungsverfahrens nicht.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe der Beklagte nur die Dienstbarkeit des Gehrechtes, mangels Zeitablaufes aber nicht auch das Fahrtrecht mit Scheibtruhen ersessen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht, der Berufung des Beklagten dagegen Folge. Es änderte das Ersturteil dahin ab, daß es das Klagebegehren zur Gänze abwies. Nach der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes umfasse das Recht des Fußsteiges auch das Recht des Fahrens mit Scheibtruhen. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und erklärte die Revision für zulässig. Der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes übersteigt nach dem Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht S 60.000. Die gegen den abändernden Teil des Berufungsurteils erhobene Revision der Kläger ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Bekämpfung des Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes durch den Beklagten ist entgegenzuhalten, daß die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht.

Das Gesetz enthält zwar keine taxative Aufzählung der einzelnen Arten der Grunddienstbarkeiten, unterscheidet jedoch ausdrücklich zwischen dem Recht des Fußsteiges, des Viehtriebes und des Fahrweges (§ 477 ABGB). Das Recht des Fußsteiges begreift das Recht in sich, auf diesem Steige zu gehen, sich von Menschen tragen, oder andere Menschen zu sich kommen zu lassen. Mit dem Viehtriebe ist das Recht, einen Schiebkarren zu gebrauchen, und mit dem Fahrwege das Recht, mit einem oder mehreren Zügen zu fahren, verbunden (§ 492 ABGB). Nach § 493 ABGB darf das Recht zu gehen nicht auf das Recht zu reiten oder sich durch Tiere tragen zu lassen, ausgedehnt werden. Aufgrund dieser klaren Unterscheidung zwischen den einzelnen Dienstbarkeiten und der Inhaltsumschreibung hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß das Gehrecht nicht auch das Recht, mit einem Fahrrad zu fahren, oder das Recht zum Schieben eines Fahrrades oder eines Handkarrens umfaßt (JBl. 1955, 304; Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 492). Nichts anderes kann auch für eine Scheibtruhe gelten. An dieser Rechtsansicht hat der Oberste Gerichtshof auch in der nicht veröffentlichten Entscheidung 6 Ob 789/82 grundsätzlich festgehalten: Haben der Ersitzungsbesitzer und seine Rechtsvorgänger während der Ersitzungszeit nur das Recht des Fußsteiges ausgeübt, liegt nur im Rahmen dieses Rechtes eine ungemessene Dienstbarkeit vor, deren Umfang sich nach den Bedürfnissen des herrschenden Gutes richtet. Dagegen kann dieses Recht nicht auf eine Befugnis ausgedehnt werden, die Inhalt des Fahrtrechtes ist. Die Erwägungen, die das Berufungsgericht seiner Rechtsansicht zugrundelegte, betreffen lediglich den Umfang der Dienstbarkeit und können eine Ausweitung des Gehrechtes auf das Fahren mit Scheibtruhen nicht rechtfertigen.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Revision rechtfertigt weder nach Umfang und Art der Leistung eine höhere Entlohnung im Sinne des § 21 RAT.

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