Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antrag auf Zuspruch von Revisionsrekurskosten wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Streitteile ist aufrecht, ein vom Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden Beklagter genannt) eingeleitetes Scheidungsverfahren ist anhängig.
Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden Klägerin) ist seit rund 10 Jahren als Aushilfskraft in der Gastwirtschaft des Beklagten tätig. Daneben führte sie bis zum Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung Anfang Mai 1995 den gemeinsamen Haushalt. Ca Mitte April 1995 wurde die Klägerin aus ihrem Dienstverhältnis vom Beklagten wegen eines Streits um von der Klägerin verursachte Telefonkosten sowie wegen Unstimmigkeiten über die Einteilung der Arbeitszeiten entlassen. Tags darauf tauschte der Beklagte die Schlösser an den Eingangstüren zum Gasthaus aus. Seither hat die Klägerin dort keinen selbständigen Zutritt mehr.
Die Klägerin ist 46 Jahre alt, gelernte Verkäuferin und durch ihre langjährige Tätigkeit beim Beklagten im Gastgewerbe angelernt. Aufgrund der langjährigen stehenden Arbeit im Gastgewerbe leidet sie unter offenen Beinen sowie unter Herzproblemen. Diese gesundheitlichen Schwierigkeiten bzw damit zusammenhängende ärztliche Empfehlungen waren auch der Anlaß für die Auseinandersetzungen der Streitteile bezüglich der Arbeitszeiten. Da die Klägerin darüberhinaus ihre Entlassung durch den Beklagten als ungerechtfertigt betrachtet, suchte sie seither bislang keine andere Erwerbsbeschäftigung.
Am 6.5.1995 erhielt die Klägerin vom Beklagten einen Barbetrag von S 1.000,--; ansonsten leistet ihr der Beklagte seit Anfang Mai 1995 keinen Unterhalt und zahlt auch nicht mehr, wie bis dahin regelmäßig, die Kosten der Ehewohnung. Die Klägerin erhielt auch in der Zeit davor nie regelmäßigen Unterhalt vom Beklagten, sondern bat ihn je nach Bedarf um entsprechende Beträge. Auch Lohnzahlungen für ihre Tätigkeit im Betrieb des Beklagten bezog die Klägerin nicht, die Streitteile lebten gemeinsam vom Ertrag des Gasthauses. Die Klägerin war am gemeinsamen Girokonto der Streitteile zeichnungsberechtigt, hatte bis März 1995 aber nie selbst Behebungen getätigt. Da der Beklagte ab April 1995 die Wohnungskosten nicht mehr zahlte und der Klägerin nur noch einen geringfügigen Unterhalt reichte, nahm diese folgende Behebungen vom gemeinsamen Konto vor: Am 12.4.1995 einen Betrag von S 3.706,--, wobei es sich um die an die Klägerin als formal Nutzungsberechtigte ausgezahlte Wohnbeihilfe handelte; am 13.4.1995 einen Betrag von S 11.871,-- für Stromkosten und Nutzungsentgelt der Ehewohnung, sowie je ein Kleidungsstück für die Klägerin und den Beklagten; schließlich am 19.4.1995 einen Betrag von S 18.000,--, dem eine Überweisung des Finanzamtes an Familienbeihilfen - Nachzahlung für zwei Kinder der Klägerin entsprach. Anfang Mai 1995 ließ der Beklagten die Zeichnungsberechtigung der Klägerin am bis dahin gemeinsamen Konto sperren. Der Beklagte bezieht aus seinem Gewerbebetrieb ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von rund S 18.000,--.
Mit der am 28.4.1995 eingebrachten Unterhaltsklage begehrte die Klägerin für April 1995 einen restlichen Unterhaltsbetrag von S 3.500,-- und ab Mai 1995 einen solchen von monatlich S 6.000,--. Unter einem beantragte sie den Zuspruch eines einstweiligen Unterhalts ab Mai 1995 von S 6.000,-- monatlich; dieses Begehren dehnte sie in der Tagsatzung vom 24.5.1995 auf S 12.000,-- monatlich aus. Sie brachte dazu vor, daß der Beklagte, obwohl er als Gastwirt ein monatliches Einkommen von ca S 30.000,-- erziele, ihr im April 1995 lediglich S 2.500,-- als Unterhalt zur Verfügung gestellt und die Einstellung weiterer Leistungen angekündigt habe. Die Klägerin habe keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen. Sie habe sich um eine Arbeit bemüht, aber keine bekommen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klage- und des Provisorialbegehrens. Die Klägerin sei durch Behebungen von insgesamt rund S 30.000,-- vom gemeinsamen Konto im April 1995 für mehrere Monate versorgt. Das Monatseinkommen des Beklagten betrage maximal S 15.000,-- netto. Er habe die Klägerin entlassen, weil sie nicht mehr zur Arbeit erschienen sei. Aufgrund ihrer bisherigen Berufstätigkeit sei ihr auch weiterhin zuzumuten, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und daraus ihren Unterhalt zu bestreiten.
Das Erstgericht sprach der Klägerin mit einstweiliger Verfügung für Mai 1995 S 5.000,-- und ab Juni 1995 S 6.000,-- monatlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihr Unterhaltsbegehren zu, ohne über das restliche Begehren zu entscheiden. Es ging davon aus, daß der Unterhaltsanspruch im Provisorialverfahren nicht streng zu prüfen, sondern nur ungefähr zu bemessen sei. Im vorliegenden Fall sei das wirtschaftliche Leben der Parteien vereinbarungsgemäß so organisiert gewesen, daß die Klägerin ohne Lohnbezug aus den Erträgnissen des Gastbetriebes mitgelebt habe. Mit der Entlassung habe der Beklagte einseitig und grundlos die bisher die gepflogene Lebensgestaltung beendet. Er habe durch seine Weigerung, der Klägerin ihren Anteil an den Erträgnissen aus dem Gastgewerbebetrieb zu bezahlen bzw die Wohnungskosten weiterhin zu übernehmen, seine Unterhaltspflicht verletzt. Es sei nicht gerechtfertigt, der Klägerin auf den ihr vom Beklagten zustehenden Unterhalt ein möglicherweise erzielbares fiktives Arbeitseinkommen in Abzug zu bringen.
Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs des Beklagten mit der angefochtenen Entscheidung diese einstweilige Verfügung. Es erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es teilte die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, daß die ungerechtfertigte Entlassung der Klägerin aus dem Gastgewerbebetrieb ein Abgehen von der einvernehmlich getroffenen Gestaltung der wirtschaftlichen Lebensführung der Streitteile darstelle. Die Haushaltsführung der Klägerin sei nur schwer von der wohl nur als Teilzeitbeschäftigung anzusehenden Mitarbeit der Klägerin als unselbständige Dienstnehmerin zu trennen. Dementsprechend könne ihr nicht zur Last gelegt werden, sich nicht um einen Ersatzarbeitsplatz bemüht zu haben. In der Weigerung des Beklagten, die monatlichen Wohnungskosten von S 12.000,-- weiterhin zu übernehmen, liege eine Unterhaltsverletzung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Beklagten ist nicht berechtigt.
§ 94 Abs 2 Satz 1und 2 ABGB gewährt dem haushaltsführenden Ehegatten, der, von geringfügigen Nebenerwerbstätigkeiten abgesehen, seinen Unterhalt nicht durch die Erträgnisse seiner eigenen Berufungstätigkeit deckt, einen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten bei Bestehen der häuslichen Gemeinschaft und auch nach ihrer Auflösung. Die Führung des gemeinsamen Haushaltes muß auf der einvernehmlichen Gestaltung der gemeinsamen Lebensverhältnisse beruhen (vgl Purtscheller-Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 81 mwN). Eigene Einkünfte des haushaltsführenden Ehegatten sind "angemessen zu berücksichtigen", dh nicht einfach anzurechnen, sondern es ist dem Einzelfall nach billigem Ermessen gerecht zu werden. Eigene Einkünfte sind nur die tatsächlich erzielten Einkünfte, die Zumutbarkeit einer eigenen Erwerbstätigkeit ist beim allein haushaltsführenden Ehegatten nicht zu prüfen. Dagegen hat der haushaltsführende, voll berufstätige, aber schlechter verdienende Ehegatte nach ständiger Rechtsprechung nur einen "Ergänzungsanspruch" nach § 94 Abs 2 Satz 3 ABGB (Purtscheller-Salzmann aaO, Rz 87 f). Diese Rechtsprechung wurde in der Lehre kritisiert (so Schwimann in Schwimann Rz 18 und 23 zu § 94 ABGB ebenso auch kritisch Pichler in Rummel zu § 94 ABGB2 und Gamerith ÖA 1989, 64).
Zum Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehegattin wurde in der Rechtsprechung die Meinung vertreten, daß dieser die Fortsetzung einer während der Ehe ausgeübten und auch zumutbaren Erwerbstätigkeit weiterhin zumutbar ist (vgl JBl 1991, 714 mit Anm von Ferrari-Hofmann-Willenhof), und zum Unterhaltsanspruch der noch verheirateten berufstätigen Ehegattin, daß in § 94 ABGB nunmehr ebenso wie im § 140 ABGB der Anspannungsgrundsatz verankert ist (vgl 4 Ob 544/92).
Nach § 98 ABGB hat ein Ehegatte, der im Erwerb des anderen mitwirkt, angemessenen Anspruch auf Abgeltung seiner Mitwirkung. Dementsprechend handelt es sich hier um keinen Unterhalts-, sondern um einen darüber hinausgehenden Anspruch. Die Höhe dieses Anspruches richtet sich nach Art und Dauer der Leistungen und - zum Unterschied von einem Vertrag - nach den gesamten Lebensverhältnissen des Ehegatten; dabei sind aber auch die gewährten Unterhaltsleistungen angemessen zu berücksichtigen. Zu den Lebensverhältnissen der Ehegatten gehört auch die Ertragslage eines Unternehmens, in dem der Ehegatte mitwirkt. Dem Ehegatten steht dabei kein "Entlohnungsanspruch" wie einem Dienstnehmer zu, weshalb bei gemeinsamer Anstrengung ohne jeden wirtschaftlichen Erfolg auch kein Abgeltungsanspruch besteht. Die Anspannungstheorie ist hinsichtlich der unternehmerischen Bemühungen nicht anzuwenden.
Unterhaltsleistungen sind dabei zwar angemessen zu berücksichtigen, keinesfalls aber linear vom Abgeltungsanpruch abzuziehen. Die Bestimmung stellt ein Gegenstück zu § 94 Abs 2 Satz 1 ABGB dar, dh, Abgeltungsleistungen können den Unterhaltsanspruch schmälern aber auch umgekehrt vergrößern (vgl Pichler aaO § 98 Rz 2 f). Nach § 100 ABGB berührt der aus § 98 ABGB abzuleitende Anspruch eines Ehegatten nicht vertragliche Ansprüche an den anderen Ehegatten aus einem Mit- oder Zusammenwirken im Erwerb. Solche Ansprüche gehen dem Anspruch nach § 98 ABGB vor, auch wenn sie geringer sind. Bei einem Dienstverhältnis bleibt dem Ehegatten jedoch der Anspruch nach § 98 ABGB gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt. Ein Anspruch nach § 98 Satz 1 ABGB kommt dem Grunde nach (daher) nur dann zur Anwendung, wenn keine vertraglichen Ansprüche eines Ehegatten an den andern aus dem Mit- und Zusammenwirken im Erwerb bestehen, sei es zB aufgrund eines Dienst-, Werk- oder eines Gesellschaftsvertrages (vgl Pichler in Rummel ABGB2 § 100 Rz 1 f).
Die Vorinstanzen sind von einer einvernehmlich getroffenen Lebensgestaltung der Streitteile in dem Sinn ausgegangen, daß die Klägerin ihren Unterhalt aus den Erträgnissen der gemeinsamen Führung des Gasthauses erhielt und folgerten daraus, daß bei Vereitelung dieses Bezuges durch den unterhaltspflichtigen Beklagten die Klägerin nicht verpflichtet sei, eine andere Berufstätigkeit, als jene die sie bisher im Gasthaus des Beklagten verrichtete, auszuüben. Dem ist beizupflichten, wenn eine Verweisung der Ehegattin auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten am Arbeitsmarkt auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles unzumutbar ist. Die Bestimmung des § 98 ABGB ist ein Ausfluß der allgemeinen Beistandspflicht der Ehegatten zueinander, wie sie sich etwa im Kleingewerbe oder in der Landwirtschaft aus persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergibt. Daraus folgt, daß ein durch viele Jahre im Betrieb mitwirkende Ehegatte, der seine eigene Lebensführung völlig auf die Erfordernisse des Betriebes abgestellt hat, durch die unbegründete Ausweisung aus dem bisher gemeinsam geführten Betrieb nicht schlechter gestellt werden darf als der den Haushalt allein führende nicht berufstätige Ehegatte, wobei im Provisiorialverfahren die Gründe der Ausweisung aus dem Betrieb überhaupt nur im Rahmen von Verwirkungsgründen zu prüfen sind. Liegen Gründe der letztgenannten Art nicht vor, so ist die Forderung des Unterhaltsschuldners an die jahrelang den Betrieb mitführende Ehegattin, nunmehr jedwede andere Aushilfstätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt zu übernehmen, unberechtigt.
Daß der Klägerin aus ihrer Mitarbeit im Gasthaus des Beklagten ein vertraglicher Entgeltsanspruch im Sinne des § 100 ABGB zugestanden ist, sie sohin auch sozialversichert war, hätte der Beklagte zu behaupten und zu beweisen gehabt. Nur bei einem Bezug an Arbeitsentgelt gleich einem anderen Arbeitnehmer des Beklagten wäre die Klägerin nach ihrer "Entlassung" verpflichtet gewesen, sich beim Arbeitsamt als arbeitsuchend zu melden, Arbeitslosenunterstützung zu beanspruchen und sich auf einen anderen Arbeitsplatz vermitteln zu lassen; nur in einem solchen Fall könnte eine unterlassene Anmeldung beim Arbeitsamt zu einer Anrechnung eines nicht ins Verdienen gebrachten Einkommens auf ihren Unterhaltssanspruch führen. Mangels eines solchen Vorbringens durch den Beklagten war aber davon auszugehen, daß die Klägerin nur im Rahmen des § 98 ABGB im Betrieb des Beklagten mittätig war und daß von ihr zufolge einseitiger Beendigung dieser Mitarbeit durch den Unterhaltsverpflichteten gleich wie bei einer nur haushaltsführenden Ehegattin nicht verlangt werden kann, sich um eine andere Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt zu kümmern, wobei ein daraus erzielbares Einkommen auf ihren Unterhaltsanspruch anzurechnen wäre.
Rem Rekurs des Klägers war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 393 EO iVm § 40 ZPO.
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