European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00615.840.0913.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Nach einer abgesonderten Verhandlung über die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzuständigkeit des Erstgerichts hat ein anderer Richter als derjenige, der die Verhandlung geführt hatte, die Klage wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen. Die Klägerin hat neben einem Rekurs gegen die Klagszurückweisung auch eine Protokollberichtigung dahin begehrt, dass in das Verhandlungsprotokoll ihr Antrag auf Überweisung an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz eingefügt werde und mit diesem Antrag neuerlich einen Überweisungsantrag verbunden.
Das Erstgericht hat dem Klagevertreter den Rekurs zur Verbesserung unter Setzung einer Frist zurückgestellt. Der Rekurs wurde nicht mehr vorgelegt. Außerdem hat das Erstgericht dem Protokollberichtigungsantrag stattgegeben, den Zurückweisungsbeschluss aufgehoben und die Rechtssache an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz überwiesen.
Das Rekursgericht hat den Beschluss über die Protokollberichtigung bestätigt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat es jedoch den erstgerichtlichen Beschluss über die Aufhebung der Zurückweisung der Klage und den Ausspruch der Überweisung der Rechtssache an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz dahin abgeändert, dass der Überweisungsantrag abgewiesen wurde. Es vertrat hiebei die Rechtsansicht, die Vorgangsweise des Erstgerichts bei der Zurückweisung der Klage hätte eine Nichtigkeit begründet, weil ein anderer als der verhandelnde Richter entschieden habe. Die Wahrnehmung dieser Nichtigkeit würde jedoch ein zulässiges Rechtsmittel gegen den Beschluss voraussetzen. Ein solches zulässiges Rechtsmittel liege nicht vor, weil die Klägerin ihren Rekurs gegen diesen Beschluss nicht mehr eingebracht habe. Der vom Beklagten erhobene Kostenrekurs hätte eine Wahrnehmung der Nichtigkeit nicht gerechtfertigt. Es sei zwar davon auszugehen, dass der erwähnte Beschluss des Erstgerichts infolge der nunmehr erfolgten Protokollberichtigung auch sachlich unrichtig gewesen sei, doch hätte die Wahrnehmung dieser Unrichtigkeit ebenfalls ein Rechtsmittel vorausgesetzt. Das Erstgericht sei nicht berechtigt gewesen, seinen in der Hauptsache gar nicht bekämpften Beschluss selbst abzuändern. Der nachträgliche Überweisungsantrag sei nicht zulässig gewesen, weil § 230a ZPO solche nachträglichen Anträge nur für den Fall vorsehe, dass der Kläger keine Gelegenheit hatte, einen Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Eine solche Gelegenheit habe die Klägerin gehabt und auch ausgenützt. Wenn das Erstgericht ihren diesbezüglichen Antrag gesetzwidrig nicht beachtet habe, könne sich die Klägerin dagegen nicht mit einem neuerlichen Überweisungsantrag, sondern nur mit einem Rekurs wehren. Mangels Vorliegens eines solchen Rekurses stehe die Überweisung im Widerspruch zu dem nicht angefochtenen Beschluss über die Klagszurückweisung und verstoße daher gegen das Gesetz.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Klägerin gegen den Abänderungsbeschluss des Rekursgerichts erhobene Revisionsrekurs (das Rekursgericht hat einen solchen Revisionsrekurs für zulässig erklärt) ist nicht gerechtfertigt.
Mit Recht hat das Rekursgericht den Rekurs des Beklagten gegen den erstgerichtlichen Beschluss betreffend die Überweisung der Rechtssache an das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz für zulässig erklärt, weil der Rechtsmittelausschluss nach § 261 Abs 6 ZPO dann nicht besteht, wenn eine Überweisung ausgesprochen wurde, die ausdrücklich gegen die gesetzlichen Vorschriften verstößt (RZ 1981/2, SZ 44/36, SZ 43/212 ua). Nach dem Eintritt der Bindung an seine Entscheidung kann das Gericht von dieser auch wegen einer vorliegenden Nichtigkeit nicht mehr abgehen (7 Ob 49/82). Dem Rekursgericht lag nicht eine Überprüfung der Voraussetzungen des § 261 Abs 6 ZPO vor, sondern ein Rechtsmittel, mit dem ein Verstoß des Erstgerichts gegen die bindende Wirkung einer nicht angefochtenen Entscheidung geltend gemacht wurde. Ein solches Rechtsmittel unterliegt nicht dem Rechtsmittelausschluss des § 261 Abs 6 ZPO. Entgegen der im Rekurs vertretenen Rechtsansicht durfte das Rekursgericht bei seiner Entscheidung jene Nichtigkeit, die zur Fällung des Zurückweisungsbeschlusses geführt hat, nicht wahrnehmen, weil auch die amtswegige Wahrnehmung einer Nichtigkeit das Vorliegen eines zulässigen Rechtsmittels gegen die davon betroffene Entscheidung voraussetzt ( Fasching Kommentar IV, 437, 110, Fasching Zivilprozessrecht Rdz 2011). Auch anlässlich eines Kostenrekurses kann die zweite Instanz eine Nichtigkeit der im Übrigen nicht bekämpften Entscheidung nicht wahrnehmen ( Fasching Kommentar IV, 110). Mangels Wiedervorlage des der Klägerin zur Verbesserung zurückgestellten Rekurses gegen den Zurückweisungsbeschluss lag eine Anfechtung dieses Beschlusses nicht vor. Der Beschluss war daher für das Rekursgericht bei seiner Entscheidung über den Rekurs gegen den Überweisungsbeschluss bindend. Der Überweisungsbeschluss hat aber seinerseits gegen die Bindungswirkung des Zurückweisungsbeschlusses verstoßen, weshalb er auf gesetzwidrige Weise zustande gekommen ist. Auf die Umstände, die zur Nichtvorlage des zurückgestellten Rekurses geführt haben, muss nicht eingegangen werden, weil dem Motiv einer Partei für die Nichteinbringung eines Rechtsmittels keine verfahrensrechtliche Bedeutung zukommt.
Schließlich hat das Rekursgericht auch richtig erkannt, dass der neuerliche Überweisungsantrag unbeachtlich war, weil nach Zurückweisung einer Klage gemäß § 230a ZPO ein Überweisungsantrag nur dann gestellt werden darf, wenn der Kläger bisher keine Gelegenheit hiezu hatte. Diese mit der Zivilverfahrens‑Novelle 1983 neu eingeführte Bestimmung hat vor allem den Zweck, den Kläger im Falle einer a‑limine‑Zurückweisung Gelegenheit zur Wahrung von Fristen zu geben. Keinesfalls sollte hiemit die Möglichkeit geboten werden, auch noch nach Zurückweisung einer Klage nach mündlicher Verhandlung die Überweisung der Rechtssache zu begehren (vgl 669 BlgNR XV. GP, 51 f).
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger infolge der durchgeführten abgesonderten Verhandlung über die Einrede der Unzuständigkeit die Möglichkeit, einen Überweisungsantrag zu stellen. Von dieser Möglichkeit hat er auch Gebrauch gemacht. Damit war aber die Stellung eines weiteren Überweisungsantrags nach Beschlussfassung ausgeschlossen. Die Nichtbeachtung des zeitgerecht und ordnungsgemäß gestellten Antrags durch das Erstgericht hätte nur mit einem Rechtsmittel gegen den erstgerichtlichen Beschluss bekämpft werden können. Ein solches Rechtsmittel hat die Klägerin nicht wirksam erhoben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
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