OGH 7Ob612/94

OGH7Ob612/9429.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GesmbH., ***** vertreten durch Dr.Ulf Zmölnig, Rechtsanwalt in Weiz, wider die beklagte Partei Peter Paul K*****, vertreten durch Dr.Paul Bartl, Rechtsanwalt in Graz sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei Fa. K***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Leo Kaltenbäck und Dr.Elisabeth Simma, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitgegenstand S 50.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 14.März 1994, GZ 4 R 40/94-55, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 18.Oktober 1993, GZ 27 C 2130/92a-46, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei hat bei der beklagten Partei für ihren Gewerbebetrieb im Rahmen eines beiderseitigen Handelsgeschäftes ein EDV-Komplettsystem mit zwei Bildschirmarbeitsplätzen, bestehend aus zwei PC-Systemen, zwei Bildschirmen, zwei Tastaturen, einem Epson Drucker, einem fertig installierten Betriebssystem 5,0 einem fertig installierten novell Lite Netzwerkbetriebssystem und einem fertig installierten KFZ-Branchenpaket KHK am 22.Februar 1992 erhalten und den Rechnungsbetrag in der Höhe von S 153.693,- zur Gänze bezahlt. Die Software KHK-Branchenpaket für KFZ stammt von der Nebenintervenientin.

Mit der am 18.August 1992 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei die Feststellung, daß die beklagte Partei ihr gegenüber für Hardware, Software und Konfigurationsmängel an dem EDV Komplettsystem aus dem Titel der Gewährleistung über den 22. August 1992 hinaus weiter zu haften habe. Sie brachte hiezu vor, daß das EDV-System nach Ablieferung trotz zahlreicher Verbesserungsversuche durch die beklagte Partei lange Zeit überhaupt nicht, bzw nur mangelhaft funktioniert habe. Es sei selbst nach dem Austausch von Festplatten zu unmotivierten Programmabstürzen und Datenverlusten gekommen; an dem als Server konfigurierten Gerät habe keine fehlerfreie Datensicherung vorgenommen werden können, am sogenannten Client seien die eingegebenen Werkstättenaufträge vom System nicht angenommen worden. Im Kaufpreis sei ein Softwarewartungsvertrag für ein Jahr enthalten gewesen. Die beklagte Partei sei ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Mängelbehebung nicht nachgekommen. Die klagende Partei begründete ihr rechtliches Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Verlängerung der Gewährleistungspflicht damit, daß die beklagte Partei unmittelbar vor Ablauf der 6-monatigen Gewährleistungsfrist, nämlich am 14.August 1992, die letztmalige Aufforderung zur Mängelbehebung abgelehnt habe und die klagende Partei auch über den Ablauf der Gewährleistungsfrist hinaus an einem durch die beklagte Partei zu bewirkenden ordnungsgemäßen Funktionieren des bezahlten EDV-Systems interessiert sei.

Auf Seite der beklagten Partei trat die Lieferantin des KFZ-Branchenpakets als Nebenintervenientin bei.

Die beklagte Partei wendet im wesentlichen ein, daß das gelieferte EDV-Komplettsystem mängelfrei geliefert worden sei. Für aus Bedienungsfehlern resultierende Funktionsmängel könne nicht gehaftet werden. Der Defekt an der Hardware (den Festplatten) sei durch Erschütterungen aus einem nahen Steinbruch bedingt. Für die Fehler am Softwarepaket der Nebenintervenientin habe die beklagte Partei nicht zu haften.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt.

Es ist dabei von nachstehenden Feststellungen ausgegangen:

Sowohl die ursprünglich gelieferte als auch die verbesserte Hard- und Software waren mangelhaft. Die klagende Partei hat die von Beginn an aufgetretenen Mängel gerügt. Die beklagte Partei und die Nebenintervenientin haben mehrere Versuche zur Mängelbehebung vorgenommen. Dennoch kam es immer wieder zu Systemabstürzen. Nunmehr weigert sich die beklagte Partei, weitere Verbesserungen vorzunehmen. Ein Test der originalen Festplatte Seagate ST 3120 AT und der ausgetauschten Platte Seagate ST 32144 AT hat ergeben, daß beide zwar nicht an sich, jedoch in Verwendung mit den als Billigprodukten der sogenannten "No-Name" Kategorie zu bezeichnenden Hill-Computern als defekt zu bezeichnen sind. Sowohl das mitgelieferte Netzwerksystem Novell NetWare Lite VS 1.0 (Software), als auch das von der Nebenintervenientin stammende KHK Branchenpaket waren fehlerhaft. Insbesondere verträgt sich das KHK Branchenpaket nicht mit der Netzwerksoftware, wodurch es zu schwerwiegenden Fehlern bei den Verarbeitungsergebnissen kommt. Aufgrund dieser Systeminkompatibilität verschwinden erfaßte Daten und werden Rechnungsnummern nicht belegt, wodurch es zu unzumutbaren Arbeitsbedingungen kommt, um die jeweils verlorenen Daten nachzuerfassen bzw wiederherzustellen. Auch nach Verbesserungsversuchen der beklagten Partei konnten die Mängel nicht zur Gänze behoben werden. Die Nebenintervenientin har am 8.Juli 1992 eine neue Version ihres Branchensystems installiert, dennoch hat sich die Situation der unmotivierten Systemabstürze und der daraus resultierenden Datenverluste bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht gebessert. Unmittelbar vor der Klageeinbringung hat die beklagte Partei weitere Verbesserungsversuche verweigert. Das EDV-System war von vorneherein mangelhaft, eine Fremdmanipulation an der Netzwerksoftware hat nicht stattgefunden. Von außen kommende Stromschwankungen können nicht als Ursache für die eingetretenen Systemabstürze angenommen werden.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß die beklagte Partei für die gesamte Hard- und Software im Rahmen der Gewährleistung einzustehen habe. Nach den Feststellungen sei die EDV-Anlage weder bei der Anlieferung noch nach der Neuinstallation und auch nicht im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz mängelfrei gewesen. Da nach wie vor Mängel bestünden, sei das Interesse der klagenden Partei auf Feststellung der Verlängerung der Gewährleistungsfrist gerechtfertigt.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte dieses Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Er ließ die Beweisrüge, wonach die Anlage mängelfrei gewesen sei, unerörtert, weil selbst bei Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen das Feststellungsbegehren mangels rechtlichen Interesses abzuweisen sei. Zwar sei bei einer EDV-Anlage selbstverständlich, daß unmotivierte Systemabstürze nicht aufträten und die eingegebenen Daten auch gespeichert würden. Die klagende Partei sei auch der ihr zukommende Rügepflicht nachgekommen. Durch die hier anzuwendenden 6-monatige Gewährleistungsfrist solle dem Verkäufer baldige Gewißheit verschafft werden, ob der geleisteten Sache ein Mangel anhafte. Die Einbringung einer Feststellungsklage sei aber nur dann zulässig, wenn bei Ablauf der Gewährleistungsfrist noch nicht absehbar sei, ob der Gewährleistungsanspruch als Anspruch auf Wandlung, Preisminderung oder auf Verbesserung geltend gemacht werden müsse. Auch nach Ablauf der Frist des § 933 ABGB sei die Klageänderung von einer Feststellungsklage auf einen Anspruch auf Wandlung oder Verbesserung zulässig. Die klagende Partei sei verpflichtet gewesen, nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens ihr Begehren in ein Leistungsbegehren zu ändern, weil zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, daß die immer noch bestehenden Systemabstürze auf bei der Übergabe des Systems bestehende Mängel zurückzuführen sind. Sie hätte den Sachverständigen nach den Kosten einer Verbesserung bzw der Angemessenheit der Preisminderung befragen und entscheiden können, welchen Anspruch sie nunmehr geltend macht. Da zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits ein Leistungsbegehren möglich gewesen sei, bestehe nunmehr kein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses. Dieser Mangel sei von Amts wegen wahrzunehmen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil der Frage, ob bei einem Gewährleistungsanspruch hinsichtlich einer EDV-Anlage eine Klageänderung von einem Feststellungsbegehren in ein Leistungsbegehren erforderlich sei, erhebliche Bedeutung zukomme.

Die klagende Partei bekämpft diese Entscheidung mit Revision aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt.

Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist der Zweck der Vorschrift des § 933 ABGB, dem Verkäufer Gewißheit darüber zu verschaffen, ob der geleisteten Sache ein Mangel anhaftet und ob dieser Mangel bereits in dem grundsätzlich maßgebenden Zeitpunkt der Übergabe an den Käufer vorlag (Wilhelm JBl 1975, 113; EvBl 1982/38; ecolex 1990, 346; ecolex 1990, 408). Streitigkeiten über die ausreichende Qualität der Leistungen sollen deshalb einer raschen Klärung zugeführt werden. Entscheidend ist daher, daß über das Vorhandensei des behaupteten Mangels, also über den Tatbestand der Gewährleistung, Klarheit verschafft wird; es kommt aber nicht darauf an, auch schon die daraus ableitbare Rechtsfolge mit Leistungsklage gerichtlich geltend zu machen, weil es für den Gewährleistungsberechtigten nicht immer möglich ist, auf Grund seiner mangelhaften Kenntnisse der Ursachen der unzureichenden Qualität der Leistung und der technischen oder wirtschaftlichen Möglichkeiten ihrer Behebung den einen oder anderen der aus dem vorhandenen Qualitätsmangel ableitbaren konkreten Ansprüche mit Leistungsklage, also Wandlung oder Preisminderung oder Verbesserung bzw Nachtrag des fehlenden zu begehren. Eine die Gewährleistungsfrist wahrende Feststellungsklage ist insbesondere dann zu rechtsfertigen, wenn die Unabschätzbarkeit der Verbesserungskosten vom Bestand des Verbesserungsanspruchs als solchen abhängt.

Dieser Sachverhalt liegt aber hier vor. Auch das Berufungsgericht muß konzedieren, daß der Sachverständige nicht über alle Gründe der aufgetretenen Mängel Aufklärung geben konnte. Daraus folgt aber, daß auch im Verfahren erster Instanz nicht abgeschätzt werden konnte, welcher Verbesserungsaufwand überhaupt notwendig ist, um die Mängelfreiheit der gelieferten Anlage zu gewährleisten. Aus diesem Grunde konnte daher die klagende Partei auch zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz noch nicht absehen, welchen Gewährleistungsanspurch sie überhaupt geltend machen wird, falls die Anlage die - bestrittenen - Mängel tatsächlich aufweist. Jedenfalls läßt sich aus dem Sachverständigengutachten lediglich entnehmen, daß Mängel bei Lieferung des EDV-Systems sowohl an der Hard- als auch an der Software bestanden haben, die Ursache dieser Mängel und im Zusammenhang damit der erforderliche Verbesserungsaufwand konnten aber nicht restlos aufgeklärt werden.

Da das Berufungsgericht ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht die Behandlung der Beweisrüge unterließ, war das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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