OGH 7Ob612/92

OGH7Ob612/9229.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Robert M*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Verlassenschaft nach***** Katharina Sch*****, wider die beklagten Parteien 1. Karl Ö***** und 2. Klara Ö*****, beide vertreten durch Dr.Walter Ratt, Rechtsanwalt in Mauerkirchen, wegen Anfechtung (Streitwert S 181.450), infolge Rekurse sämtlicher Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 4.Juni 1992, GZ 4 R 35/92-15, womit das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis vom 27.November 1991, GZ 2 Cg 223/91-11, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Urteil vom 8.November 1990 wies das Oberlandesgericht ***** die Klage der Katharina Sch***** gegen die Beklagten auf Aufhebung eines Übergabevertrages ab; den Beklagten wurde der Ersatz von Verfahrenskosten in der Gesamthöhe von S 188.457,86 zuerkannt. Weiter sprach das Oberlandesgericht ***** aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Am 14.12.1990 beantragten die Beklagten beim Bezirksgericht O***** zur Hereinbringung der genannten Kostenforderung die Exekution durch Zwangsversteigerung der der Katharina Sch***** gehörenden Liegenschaft EZ 280 *****. Dieser Antrag wurde am 16.1.1990 bewilligt, wobei die Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens am 18.1.1991 im Rang der bei Einlangen des Exekutionsantrages beim Grundbuchs- und Exekutionsgericht gesetzten Bleistiftmarke ***** erfolgte. Das Exekutionsverfahren ist noch anhängig, die Liegenschaft wurde noch nicht versteigert.

Bereits am 29.12.1990 war Katharina Sch***** gestorben. Am 5.6.1991 wurde über das Vermögen der Verlassenschaft der Konkurs eröffnet.

Mit der Behauptung, Katharina Sch***** sei bereits zum Zeitpunkt der Erwirkung des Befriedigungsrechtes durch die Beklagten am 14.12.1990 zahlungsunfähig gewesen, sie hätten keinen Anspruch auf diese Sicherstellung gehabt und es sei ihnen auch die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen, so daß die Anfechtungstatbestände gemäß §§ 30 Abs 1 Z 1 und 31 Abs 1 Z 2 KO verwirklicht worden seien, beantragt der klagende Masseverwalter, das von den Beklagten erwirkte Befriedigungsrecht auf den Erlös der Liegenschaft EZ 280 ***** den Gläubigern im Konkurs der Verlassenschaft nach Katharina Sch***** gegenüber für unwirksam zu erklären.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Zum Zeitpunkt des Erwerbes des angefochtenen Befriedigungsrechtes sei Katharina Sch***** nicht zahlungsunfähig gewesen; eine allfällige Zahlungsunfähigkeit sei ihnen jedenfalls nicht bekannt gewesen, noch hätte sie ihnen bekannt sein müssen, zumal Katharina Sch***** über ein umfangreiches Barvermögen verfügt habe. Eine Überschuldung (der Verlassenschaft) sei erst mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Oberlandesgerichtes ***** am 9.1.1991 eingetreten. Diese Überschuldung berechtige jedoch nicht zur Anfechtung von Rechtshandlungen, die noch vor dem Ableben der Katharina Sch***** bewirkt worden seien. Der Klage mangle im übrigen jegliches Rechtsschutzinteresse.

Das Erstgericht gab der Anfechtungsklage statt. Der Nachlaß der Katharina Sch***** sei zumindest seit 9.1.1991 überschuldet gewesen. Die Beklagten hätten das angefochtene Befriedigungsrecht innerhalb von 60 Tagen vor dem Eintritt der Überschuldung des Nachlasses erlangt. Gemäß § 67 Abs 2 KO gälten (ua) im Nachlaßkonkurs die sich auf die Zahlungsunfähigkeit beziehenden Vorschriften der Konkursordnung sinngemäß auch für die Überschuldung. Da die Beklagten auf das erworbene Befriedigungsrecht keinen klagbaren Anspruch gehabt hätten, liege der Anfechtungstatbestand der inkongruenten Deckung gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO vor.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück; weiter sprach es aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Die Beklagten hätten mit dem Tage des Einlangens des Exekutionsantrages beim Exekutions- und Grundbuchsgericht ein Befriedigungsrecht erworben, auf welches sie keinen materiellrechtlichen Anspruch gehabt hätten. Eine solche inkongruente Deckung sei gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO anfechtbar. Die Anfechtung einer vor dem Tod des Erblassers vorgenommenen Rechtshandlung könne vom Masseverwalter im Verlassenschaftskonkurs geltend gemacht werden. Wenn auch gemäß § 67 Abs 1 KO bei den in § 67 Abs 2 KO genannten Schuldnern in bezug auf die Anfechtungstatbestände die Überschuldung der Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen sei, komme es jedoch bei der Anfechtung von Rechtshandlungen im Verlassenschaftskonkurs darauf an, welcher der beiden Gruppen der Schuldner zum Zeitpunkt ihrer Vornahme angehört habe. Im vorliegenden Fall sei das angefochtene Befriedigungsrecht noch zu Lebzeiten der Erblasserin erworben worden, sodaß es bei der Beurteilung des Anfechtungstatbestandes nicht auf die Überschuldung sondern auf die Zahlungsunfähigkeit dieser Schuldnerin ankomme. Angesichts der 60-tägigen Vorfrist des § 30 Abs 1 KO würde es daher für einen Erfolg der Anfechtung ausreichen, wenn die Zahlungsunfähigkeit (der Verlassenschaft) Mitte Februar 1991 eingetreten wäre. Allerdings habe der Kläger vorgebracht, daß die Erblasserin schon vor dem 14.12.1990 zahlungsunfähig gewesen sei, was die Beklagten bestritten hätten. Da Beweise zur Frage des Eintrittes der Zahlungsunfähigkeit nicht aufgenommen und entsprechende Feststellungen nicht getroffen worden seien, sei das Verfahren mangelhaft im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO geblieben. Fragen einer Überschuldung seien nicht zu erörtern, die darauf abzielende Mängelrüge sei nicht berechtigt. Auf eine im Zuge der Nachlaßseperation vorgenommene Vormerkung ihrer Forderung hätten sich die Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren nicht berufen. Das diesbezügliche Sachvorbringen in der Berufung sei als unzulässige Neuerung unbeachtlich.

Die dagegen von beiden Parteien erhobenen Rekurse sind nicht berechtigt.

1. Zum Rekurs des Klägers:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 67 Abs 2 KO ist bei den in § 67 Abs 1 KO genannten Schuldnern - sohin auch bei Verlassenschaften - die Überschuldung auch für die einschlägigen Tatbestände des Anfechtungsrechtes der Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen. Für den - im Rechtsmittelverfahren allein relevierten - Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 1 KO kommt es bei dieser Beurteilung darauf an, wann die Sicherstellung oder Befriedigung erworben wurde: Ist der Gemeinschuldner eine physische Person, dann muß im relevanten Zeitpunkt Zahlungsunfähigkeit vorgelegen sein; ist er hingegen eine juristische Person, dann ist der Anfechtungstatbestand auch bei Vorliegen einer Überschuldung im relevanten Zeitpunkt anzunehmen. Besteht aber eine Besonderheit dahin, daß der nachmalige Gemeinschuldner zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung eine physische Person oder eine Handelsgesellschaft mit zumindest einem persönlich haftenden Gesellschafter zum Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses aber bereits in eine juristische Person, Verlassenschaft oder Handelsgesellschaft im Sinne des § 67 Abs 1 KO verwandelt war, so daß Konkursvoraussetzung Überschuldung und nicht Zahlungsunfähigkeit ist, dann ist es für die Verwicklichung des Anfechtungstatbestandes gemäß § 30 Abs 1 Z 1 KO erforderlich, daß der Rechtsvorgänger zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Handlung zahlungsunfähig war (Bartsch-Pollak KO3, 199, 209; Gamerith RdW 1985, 364 ff).

Richtig ist zwar, daß bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit einer physischen Person auch deren Überschuldung Bedeutung haben kann, wenn aus dem Verhältnis der verfügbaren Mittel des Schuldners - zu denen in der Regel seine persönliche Leistungskraft, aber auch sein Kredit zu zählen sind - zur vorhandenen Schuldenbelastung nach der allgemeinen Lebenserfahrung angenommen werden muß, daß er seine Verbindlichkeiten gegenüber fordernden Gläubigern in absehbarer Zeit nicht wird erfüllen können, weil als Deckungsfonds im wesentlichen nur sein vorhandenes Aktivvermögen in Betracht zu ziehen ist, weshalb auch in einem solchen Fall bereits Zahlungsunfähigkeit angenommen wird (JBl 1978, 158; ÖBl 1979, 134). Eine Ausdehnung des Konkursgrundes der Überschuldung auf die Anfechtung von Rechtshandlungen physischer Personen ist durch § 67 Abs 2 KO aber nicht gedeckt (Gamerith aaO). Im vorliegenden Fall kann aber aus der Überschuldung der Verlassenschaft schon deshalb noch nicht auf die Zahlungsunfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung geschlossen werden, weil nicht einmal noch feststeht, daß die Erblasserin in diesem Zeitpunkt überschuldet war. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht dem Erstgericht die Verfahrensergänzung aufgetragen.

Am Erfordernis der Zahlungsunfähigkeit ändert im vorliegenden Fall auch der Umstand nichts, daß die Erblasserin kurz nach der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung gestorben ist und von den Parteien angenommen wird, daß die Überschuldung ihrer Verlassenschaft noch innerhalb von 60 Tagen nach Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung eingetreten ist. Wird im Verlassenschaftskonkurs nicht eine von der Verlassenschaft oder gegen sie vorgenommene Rechtshandlung angefochten, sondern eine den Erblasser betreffende Rechtshandlung, dann kann die Vorfrist des § 30 Abs 1 KO nicht mehr bewirken, daß der Eintritt der Überschuldung der Verlassenschaft innerhalb dieser Frist für die Verwirklichung des Anfechtungstatbestandes des § 30 Abs 1 Z 1 KO ausreicht; in einem solchen Fall kommt es nur mehr auf den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (dann auch der Verlassenschaft) innerhalb der Frist an.

2. Zum Rekurs der Beklagten:

Daß sie durch den Erwerb des ihnen materiellrechtlich nicht zustehenden Befriedigungsrechtes - unter den weiteren Voraussetzungen des § 30 Abs 1 Z 1 KO - eine inkongruente Deckung erlangt haben, ziehen die Beklagten in ihrem Rechtsmittel nicht in Zweifel. Sie wenden sich gegen den Aufhebungsbeschluß in erster Linie mit dem Argument, die Vorinstanzen hätten nicht berücksichtigt, daß ihre Forderung im Zuge der ihnen bewilligten Absonderung des Nachlasses im Verlassenschaftsverfahren gemäß § 812 ABGB vorgemerkt worden ist. Die Beklagten haben jedoch - worauf das Berufungsgericht zutreffend verwiesen hat - ein derartiges Vorbringen in erster Instanz nicht erstattet. Zu Recht wurde daher der erstmalige Hinweis auf diese Vormerkung in der Berufung als unzulässige Neuerung abgetan. Welchen Einfluß die Absonderung des Nachlasses und die Vormerkung der Forderung nur zu Gunsten eines mehrerer Verlassenschaftsgläubiger im Verlassenschaftskonkurs hat, ist daher im vorliegenden Verfahrensstadium nicht zu beurteilen.

Im Nachlaßkonkurs können auch Rechtshandlungen angefochten werden, welche zu Lebzeiten des Erblassers vorgenommen wurden (Bartsch-Pollak aaO 199). Eine Verschiedenheit der Rechtssubjekte (jener Person, die die angefochtene Rechtshandlung vorgenommen hat oder gegen die eine solche vorgenommen wurde, und jener Person, über die der [Verlassenschafts]Konkurs eröffnet wurde) liegt daher nicht vor. Zu Unrecht vermeinen die Beklagten daher, daß die Anfechtung aus diesem Grund ausgeschlossen wäre.

Somit war den Rekursen beider Parteien ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte